24.04.2025

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Elegante Schnitte, orientalische Stile

01.03.2009
Wang Chen Tsai-hsia, maßgebliche Designerin und Mitbegründerin von Shiatzy Chen. (Foto: Chang Su-ching)

Von Taipeh über Shanghai nach Paris mausert sich Shiatzy Chen zu einer internationalen Marke.

Die Lichter gehen an. Die Musik setzt ein. 24 internationale Modelle schreiten von der Rückseite der Bühne nach vorn über den Laufsteg. Über 200 internationale Käufer, Medienleute, Berühmtheiten und Modeliebhaber schauen wie gebannt zu, beeindruckt von den 48 Gewändern, deren Designmerkmale von der chinesischen Kultur angeregt sind.

Manche der Designs haben einen schmalen Mandarin-Stehkragen, wie er zu einem typischen chinesischen Etuikleid (qipao) für Damen gehört, das für seine enge Passform und den seitlichen Schlitz am Rock bekannt ist. Andere Kreationen sind mit abstrakten Mustern verziert, die in chinesischer Tuschemalerei vorkommen. Selbst der rein weiße, minimalistische Hintergrund hat seine Wurzeln im weißen chinesischen Porzellan, und der Umriss vieler Kleider erinnert an die geschwungene Form einer chinesischen Vase. Tatsächlich hat die ganze Vorstellung dieser Modenschau ein chinesisches Thema, was zu Shiatzy Chen passt, einem taiwanischen Modehaus, das seit langem Inspirationen aus der traditionellen chinesischen Kultur bezieht.

Die taiwanische Designerin Wang Chen Tsai-hsia, Mitbegründerin des Unternehmens Shiatzy Chen, präsentierte die Modenschau am 5. Oktober vergangenen Jahres am Ecole Nationale Supérieure des Beaux-Arts in Paris. Die Veranstaltung war für das Mode-Unternehmen von großer Bedeutung, da sie eine der offiziellen Modenschauen auf dem Plan der Modewochen Paris für die Frühlings- und Sommer-Konfektionskollektion 2009 war. Die Zulassung zur Modewoche ist eine exklusive Angelegenheit, nicht nur wegen der damit verbundenen Kosten (Vorbereitung und Durchführen einer solchen Modenschau schlägt mit mindestens 10 Millionen NT$ [232 560 Euro] zu Buche), sondern auch, weil nur die führendsten Designer der Welt von den Veranstaltern zur Teilnahme eingeladen werden. Andere taiwanische Designer haben in der Weltmodehauptstadt Modenschauen auf die Beine gestellt, doch bis jetzt wurde nur ein anderes taiwanisches Label zu der offiziellen Show eingeladen, die alljährlich im Februar und Oktober stattfindet. Die erste der begehrten Einladungen ging an die Firma Shawnyi, die im Jahr 2000 von den beiden jungen Modedesignern Shawn Pan und Chien Yu-feng gegründet wurde, und das Label war 2005 und 2006 bei den Modenschauen in Paris dabei.

Während also diese beiden taiwanischen Unternehmen bei der Modewoche Paris aufgetreten sind, verfolgen Shiatzy Chen und Shawnyi recht unterschiedliche Ansätze. Das taiwanische Duo hinter Shawnyi ließ sich in Paris nieder, bevor ihr Label auf dem taiwanischen Markt erschien, bei Shiatzy Chen lief es genau umgekehrt. Außerdem absolvierten Pan und Chien eine formale akademische Ausbildung in Modedesign, wogegen die Designerin hinter Shiatzy Chen ihr Können bei praktischer Arbeit entwickelte.

In jedem Fall bedeutet ein Debüt bei der Modewoche Paris für alle Modedesigner in der ganzen Welt eine Menge. Die Show von Shiatzy Chen dauerte keine 15 Minuten, doch sie stellte die taiwanische Marke einem internationalen Publikum vor.

„Das chinesische Gefühl ist weiterhin vorhanden, aber die Linien sind schlichter als früher, was besser zum westlichen Geschmack passen sollte“, kommentiert Liao Hsiu-nien, stellvertretende Chefredakteurin der taiwanischen Ausgabe von Harper’s Bazaar, die Ausstellung von Shiatzy Chen in Paris. „Das gilt auch für das abstrakt aussehende chinesische Gemälde, und es ist nicht einfach, Muster auf die dünne Gaze der Kleider zu sticken, die dieses Mal vorgeführt wurden.“

Die Show war zwar kurz, und doch stehen jahrzehntelange Anstrengungen dahinter. Dieser Meilenstein in der Geschichte von Shiatzy Chen wurde erreicht, gerade als die Marke ihr 30-jähriges Bestehen feierte.

Geburt eines neuen Stils

Im zentraltaiwanischen Changhua geboren, arbeitete Chen Tsai-hsia (der zweite Familienname Wang kam nach der Heirat hinzu) Ende der sechziger Jahre als Kleidmacherin in der Fabrik ihres Onkels. 1972 lernte sie ihren künftigen Ehemann Wang Yuan-hong kennen, einen Kaufmann mit Geschäftssinn im Textilgewerbe. Kurz nach der Hochzeit zog das Paar nach Taipeh und gründete 1978 die Shiatzy International Company. Shiatzy, was wörtlich übersetzt „Stile aus China“ bedeutet, wurde hauptsächlich als Marke für Damenbekleidung bekannt, obwohl bei Shiatzy seit 1987 auch Kleider für Herren entworfen werden. Die Stile wurden aber verfeinert, da Chen ein Konzept verfolgt, das sie als „chinesischer Stil als grundlegendes Konzept, westlicher Stil für praktische Anwendung“ beschreibt. Das bedeutet, die Gewänder haben einfache und saubere westliche Schnitte, bewahren aber typisch chinesische Merkmale wie schmale Stehkragen, Knotenknöpfe und andere chinesische Kulturelemente.

Chens Versuch, die neo-chinesische Eleganz anzunehmen, welche östliche und westliche Stile vereint, kam zum richtigen Zeitpunkt. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre ging die chinesische Kulturrevolution, in der ab Mitte der sechziger Jahre chinesische kulturelle Traditionen zerstört wurden, zu Ende. Festlandchina begann sich zu öffnen, während der Rest der Welt gerade erst anfing, Kontakt mit dem Reich der Mitte aufzunehmen und Chinas Kultur zu erforschen. Für Shiatzy Chen war es eine gute Zeit, auf der Welle des Interesses an allem Chinesischen mitzureiten, und es war eine Gelegenheit, anzufangen, den Charme der Chinoiserie zu vermarkten.

Das „Chinafieber“ hielt in den achtziger Jahren an. Der Film Der letzte Kaiser von Bernardo Bertolucci, der 1987 Furore machte und nicht weniger als neun Oscars gewann, erhöhte weltweit das Interesse an chinesischem Design und inspirierte mit seinen kaiserlichen Kostümen Modedesigner rund um den Erdball. Die Beliebtheit von Filmen mit starker chinesischer Ästhetik wie Tiger and Dragon im Jahr 2000 und Gefahr und Begierde im Jahr 2007 (in dem die weibliche Hauptdarstellerin insgesamt in 27 verschiedenen Qipaos zu sehen ist) hatte ähnliche Wirkungen.

Dennoch betont Chen Tsai-hsia, der Schlüssel zu Markenanerkennung sei die fleißige Einstellung der Beschäftigten, die für das Label arbeiten, nicht die Entwicklung Festlandchinas oder die Begeisterung für Waren und Unterhaltung an sich im chinesischen Stil. Diese Einstellung wird von Shiatzys Team geteilt, das derzeit aus über 400 Mitarbeitern besteht, darunter rund 20 Designer unter Chens Führung.

Nachdem Chen in den achtziger Jahren bereits nach Japan, Europa und die USA exportiert hatte, richtete sie ihren Blick nach Paris und eröffnete 1990 dort ein Studio, um die Marke auf diese Weise weiter zu entwickeln. „Das war ein recht weitsichtiger Schritt“, urteilt Vanessa Yu, Modedirektorin der Zeitschrift Marie Claire Taiwan, und fügt hinzu, dass diese Entscheidung dazu beitrug, Chens Designs auf der Höhe der modischen Trends zu halten. Mit diesem Vorposten im Ausland können Designer von Shiatzy Hilfe von einem französischen Musterhersteller in Anspruch nehmen und sich mit internationalen Modetrends, aktuellen Schnittstilen und westlicher Kultur allgemein vertraut machen. Die Erfahrung kann überdies ihren Horizont erweitern, damit sie eine Vielfalt von Kunstrichtungen in sich aufnehmen. „Ein kreativer Modedesigner sollte nicht einfach kleidungsbezogene Forschung durchführen und sich die Arbeiten von anderen Kleidungsdesignern anschauen“, definiert Chen. „Er oder sie sollte sich für Kunst und Kultur interessieren, so dass sie auf sehr natürliche Weise hochgradig kreative Kleider entwerfen können.“ Im Jahr 2001 eröffnete das Unternehmen seinen ersten Laden außerhalb Taiwans, eine Boutique in Paris in dem gleichen Gebäude, das auch das Studio beherbergt.

Es scheint unvermeidlich, dass eine Modemarke mit chinesischer Ästhetik irgendwann auch in China aktiv würde. 2003 richtete Shiatzy die erste festlandchinesische Filiale in der Innenstadt von Shanghai ein, und zwei Jahre darauf wurde das Hauptgeschäft an der Prachtstraße „Bund“ in Shanghai eröffnet, einem Teil der Stadt, wo man in historischen Gebäuden Läden für Luxusgüter und bekannte Hotels findet. Laut Medienberichten fanden sich zur Einweihung des Hauptgeschäfts am Bund über 700 Berühmtheiten aus Taiwan und Festlandchina ein, was Shanghais Status als Wirtschafts-Hauptstadt Festlandchinas unterstreicht. Bis heute hat Shiatzy elf Verkaufsstellen in Hongkong, Macau und Festlandchina. In Taiwan unterhält die Firma insgesamt 38 Einzelhandelsfilialen.

Nachdem Shiatzy jahrelang einen Fertigungsbetrieb am Stadtrand von Taipeh betrieben hatte, wurde 2007 eine zweite Fabrik in Shanghai eingerichtet. „In Taiwan wollen nur wenige junge Leute in einer Fabrik arbeiten, daher sind die meisten Arbeiter in der Fabrik in Taipeh über 40“, verrät sie. „In Shanghai ist das kein Problem.“ Über hundert Arbeitskräfte, darunter Kleidermacher und Sticker, werden von der Firma beschäftigt, um Zehntausende von Kleidungsstücken im Jahr herzustellen, die auf über 400 Stilen von Shiatzys Designern beruhen.

Elegante Schnitte, orientalische Stile

Shiatzy erreichte mit seinem Debüt auf den Modewochen Paris im Oktober 2008 einen wichtigen Meilenstein. Die gezeigten Kleider besaßen typisch chinesische Elemente wie traditionelle Tuschemalerei auf Stoff und geschwungene Formen, welche an chinesische Vasen erinnerten.

Feine Verarbeitung

„Der Großteil des Wertes von einem Kleidungsstück liegt in seinen Stickereien“, bemerkt Jerry Hsieh, Manager für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit von Shiatzy, und präsentiert die feine Handwerkskunst einer gesteppten Damenjacke im taiwanischen Hauptgeschäft in der Zhongshan North Road in Taipeh. Die Jacke mit ihren komplizierten Stickmustern auf Satin kostet 49 800 NT$ (1158 Euro), die durchschnittliche Preisklasse bei Shiatzy, dessen Kunden oft aus dem politischen Bereich kommen, in Chefetagen von Unternehmen arbeiten oder sonstwie prominent sind. Bekannte Käufer sind etwa Lien Fang Yu, Ehefrau des ehemaligen Vizepräsidenten Lien Chan, oder Sophie Chang, Ehefrau des Wirtschaftskapitäns Morris Chang.

„Einer der ausschlaggebenden Faktoren bei der Festsetzung des Preises von einem Artikel ist, ob auf dem Kleidungsstück viel Stickerei drauf ist und wie kompliziert diese ist“, ergänzt er.

Eine Marke kann aber nur dann ein deutlich sichtbares Profil haben, wenn sie gut vermarktet wird. Für den taiwanischen Markt, weiterhin die Haupt-Einnahmequelle, veranstaltet das Unternehmen zwei Mal im Jahr Modenschauen. Anders als bei den meisten großen internationalen Modenschauen im Ausland, die Kleidung ein halbes Jahr im voraus vorführen, werden bei Shiatzys Shows in Taiwan Kollektionen nur für die laufende Saison vorgestellt, denn die Veranstaltungen in Taiwan richten sich im Großen und Ganzen an Shiatzys VIP-Kundschaft, welche die Plünnen für den Eigengebrauch kauft, und nicht so sehr an kommerzielle Käufer.

Eine Art von Veranstaltung, welche für das Label wirbt und gleichzeitig einen Dienst an der Öffentlichkeit darstellt, sind die Wohltätigkeitsverkäufe von Shiatzy, versichert Anthony Hsieh, Kreativ- und Marketingdirektor des Unternehmens. Die Wohltätigkeitsverkäufe finden seit etlichen Jahren statt, besonders nennenswert ist eine große Spendenaktion, die zum 20-jährigen Jubiläum der Marke im Jahre 1998 stattfand und Geld für Brustkrebsforschung sammelte, und eine Veranstaltung nach dem schweren Erdbeben in Zentraltaiwan im September 1999, dem über 2400 Menschen zum Opfer gefallen waren. Die jüngste Wohltätigkeitsveranstaltung Ende 2008 bot 3000 Steppjacken zum Verkauf.

Die Marke versucht überdies, ihre Produktpalette zu erweitern, und vor etwa drei Jahren wurden Accessoires ins Sortiment aufgenommen, die in allen Shiatzy-Filialen verkauft werden, sowie Möbel, die in den Hauptgeschäften in Taipeh, Shanghai und Paris zu haben sind. Im November vergangenen Jahres wurde in Taipehs Innenstadt gar ein Shiatzy-Teehaus aufgemacht. „Wenn sich eine Marke auf ein bestimmtes Niveau entwickelt, muss man sich in anderer Hinsicht der Kunden annehmen“, begründet Chen.

Shiatzys Kriterien bei der Standortauswahl der Boutiquen ist eine weitere Werbestrategie, das fünfgeschossige Gebäude mit dem Hauptgeschäft in Taipeh hat beispielsweise Gucci und Louis Vuitton als unmittelbare Nachbarn. „Tatsächlich platzieren Warenhäuser und Einkaufspassagen uns neben Luxusmarken der Weltklasse“, freut sich Anthony Hsieh.

Natürlich war die offizielle Einladung zur Modewoche Paris für Shiatzys Marketing an Werbewirksamkeit nicht zu übertreffen, deswegen wurde jedes Detail für die Teilnahme an der Veranstaltung sorgfältig geplant, um einen guten ersten Eindruck zu garantieren. „Darüber haben sie seit Jahren gesprochen“, weiß Liao Hsiu-nien vom Harper’s Bazaar. „Sie wollten aber bei dem Debüt des Labels auf der Modewoche Paris sehr umsichtig sein.“

Neue Horizonte

Liao findet, die jüngste Erfahrung in Paris ist ein Ausgangspunkt für den nächsten Abschnitt in der Geschichte von Shiatzy Chen. Nun plant das Modehaus, regelmäßig an dem zwei Mal im Jahr stattfindenden Spektakel teilzunehmen, um für das Label einen globalen Ruf aufzubauen und auf dem internationalen Markt ein deutlicheres Profil zu gewinnen. Es soll zudem mehr in anspruchsvollen westlichen Publikationen geworben werden. Bis dato ist der eine Laden in Paris die einzige Verkaufsstelle im Westen, was bedeutet, dass großangelegte Werbung in solchen Zeitschriften nicht kosteneffektiv ist. Diese Strategie wird sich ändern, wenn die Marke wahrscheinlich bald in mehr Geschäften zu haben sein wird.

„Etwa sechs Warenhäuser in Paris haben uns nach der Show Bestellungen geschickt, deswegen haben wir nun für Werbung in den französischen Ausgaben einflussreicher Modezeitschriften wie Vogue und Elle ein Budget aufgestellt“, berichtet Anthony Hsieh.

Für diese Marke ist der Aufstieg in die höheren Sphären der Modewelt ein stetiges Emporklettern, das einer nicht abreißenden Folge von Lob über die Jahre hinweg zu verdanken ist. Im Jahre 2003 betrachtete die Zeitschrift Asian Wall Street Journal Shiatzy als beliebteste einheimische Modemarke in Taiwan, und im Jahr darauf nahm die in London erscheinende Financial Times das Label in die Liste „What’s hot“ (Was ist heiß) des Jahres 2004 auf. Dennoch gibt sich Chen angesichts der Leistungen ihres Unternehmens bescheiden. „Es gibt immer noch einen riesigen Abstand zwischen Shiatzy und den Spitzenmarken der Welt“, räumt sie ein. Möglicherweise hat sie Recht, aber sicherlich scheint Shiatzy eine der im Inland gewachsenen Modemarken zu sein, die für eine globale Expansion am besten geeignet sein mögen.

Chen erinnert sich an eine SMS-Message, die sie auf ihrem Handy empfing, unmittelbar bevor sie das Flugzeug nach Paris zur Modewoche bestieg. Die Botschaft, die sich auf die bevorstehende Veranstaltung in Paris bezog, kam von einem erfahrenen Designer, der die letzten 16 Jahre für das Label tätig gewesen war, und lautete schlicht: „Wir haben es geschafft. Dies ist der Tag, auf den ich mein ganzes Leben lang gewartet habe.“ Chen war tief bewegt. „Shiatzy Chen kam auf den Laufsteg an der Seine, weil mein Team so viele Jahre lang hart gearbeitet hatte“, lobt sie.

Alle weltberühmten Modemarken kamen durch jahrzehntelange harte Arbeit und die engagierte Einstellung ihrer Mitarbeiter zum Erfolg. Mit 30 Jahren Geschichte und hingebungsvollen Designern besitzt Shiatzy Chen ohne Zweifel das Potenzial, in diese Klasse aufzusteigen.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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