06.05.2025

Taiwan Today

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Buchmacher mit gutem Geschmack

01.09.1997
Egal, ob man chinesisches Essen liebt oder nicht ausstehen kann -- die meisten Menschen im Westen haben eine recht deutliche Vorstellung davon. Oder bilden es sich wenigstens ein. In den Gedanken vieler Leute geistert das Hirngespinst herum, es handele sich bei chinesischer Küche um eine geheimnisumwitterte Kunst mit seit Urzeiten praktisch unveränderten Methoden, bei denen der allgegenwärtige Wok eine dominierende Rolle spielt. Mit exotischen Gewürzen und schwer aufzutreibendem Saisongemüse wird da eine reiche Auswahl von Speisen zusammengerührt. Und je nachdem, wie viele chinesische Filme man sich schon zu Gemüte geführt hat, regiert die Küche immer entweder ein liebenswert gutmütiges Großmütterchen oder ein schreiend widerlicher Unhold, der seinen Untergebenen mit Wonne das Leben zur Hölle macht.

Diese Klischees darf man getrost vergessen. Taipeis kulinarische Welt ändert sich schnell, und nirgendwo zeigt sich das deutlicher als bei Kochbüchern und Fernsehsendungen über alles, was nahr- und schmackhaft ist.

Eine übergroße Auswahl von Kochbüchern ist für Taiwan überhaupt nichts Ungewöhnliches. In den größeren Städten Taiwans wird man in jedem Buchladen unweigerlich von der schieren Masse ausgestellter Kochbücher erschlagen. Ob Einführungen für Anfänger oder Hochspezielles über die Zubereitung von Cocktails und Desserts -- hier findet sich für jeden Geschmack und jeden Kenntnisstand etwas Passendes.

Rezeptsammlungen berühmter Autorinnen und Gourmets wie Fu Pei-mei(傅培梅), Liang Chiung-pai(梁瓊白) und Hwang Shu-huei(黃淑惠) haben seit jeher die Maßstäbe auf dem Kochbuchmarkt gesetzt. Ihre im Inland verlegten Rezeptbücher auf bestem Hochglanzpapier sind immer großzügig mit Bildern höchst appetitanregender Speisen versehen und enthalten außerdem leicht verständliche Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Diese anspruchsvollen und großformatigen Bände sind aber nicht nur unhandlich schwer, sondern auch relativ teuer: Mit Preisen zwischen 290 und 550 NT$ (18 bis 34 DM) kosten sie mehr als die üblichen chinesischsprachigen Taschenbücher.

Die Erscheinung solcher Kochbücher ändert sich mittlerweile in dem Maße, wie sich das Image der Autorinnen und Autoren wandelt. Früher war eine chinesische Küche das uneinnehmbare Reich der Gastgeberin, und so war der Kochbuchmarkt lange, von einigen wenigen männlichen Profiköchen abgesehen, in den Händen von Küchenfeen. Kürzlich haben jedoch zwei männliche Amateure triumphal und mit taktischem Geschick "den Tigerinnenberg erobert". Und nicht nur das. Auch im Fernsehen sind sie zu bekannten und beliebten Persönlichkeiten avanciert.

Viele Frauen finden, daß der überraschend jugendliche Chen Hung(陳鴻) ebenso gut aussieht wie die Gerichte, die er so liebevoll zubereitet. Der Anfangsdreißiger Chen wuchs in einer Großfamilie im Kreis Hsinchu auf. Nach seinem Collegeabschluß versuchte er sich in den verschiedensten Jobs, bei einer Plattenfirma, zwei Sendeanstalten und der chinesischsprachigen Tageszeitung China Times . Heute führt er durch seine eigene Kochsendung in TVBS, eine von Taiwans beliebtesten Privatfernsehanstalten.

Chens Vater und Großvater waren begeisterte Amateurköche, da mag es nicht verwundern, daß auch Chen selbst schon früh Interesse fürs Kochen entwickelte. Durch häufige Mithilfe in der Küche lernte er von seiner Mutter, Großmutter und seinen Tanten auch die Zubereitung traditioneller taiwanesischer Hausmannskost. Dieses Jahr erschien Chens erstes Kochbuch: Chen Hung richtet's an. Außer taiwanesischen und japanischen Rezepten, die er daheim gelernt hat -- etwa Bittermelonensalat, Fünf-Gewürze-Fleischwürstchen in dicker Suppe, Taropürree mit gebratenen Frühlingszwiebeln oder in Wein gekochtes Huhn --, enthält Chens Kochbuch auch einige eigene exotische Neuschöpfungen: Bei einem Rezept beispielsweise werden Milch und Kokosraspel zu Süßkartoffelreis hinzugegeben.

Wo hat er bloß diese neuen Variationen alter Kunstkniffe gelernt? Chen erzählt, daß er gelegentlich in Restaurants speist, die ihm befreundete Feinschmecker empfohlen haben, und nach der Heimkehr mit ähnlichen Zutaten Speisen zubereitet, die genauso schmecken sollen wie das Vorbild in dem Restaurant. Die meisten seiner Rezepte sind gelungene Beispiele solcher Versuche.

Tatsächlich sind Chens Rezepte nur ein kleinerer Teil vom Ganzen. Die meisten Rezepte sind in einfache Schritte unterteilt, bei denen er sich nicht vor der Ausnutzung des vollen Instrumentariums moderner Küchen scheut, wie zum Beispiel westliche Elektrogeräte und Mikrowellenherd. Wenn man aber seine Freude am Kochen wirklich nachvollziehen will, muß man schon das ganze Kochbuch lesen, das mit seinen exquisiten ganzseitigen Bildern von herrlich garnierten Gerichten auch ein Augenschmaus ist. Mit einer sorgfältigen Auswahl aufeinander abgestimmter Teller, Eßbestecke und ausgesuchten Tischblumen hat Chen die Kunst einer ganzheitlichen Eßkultur vervollkommnet. Er macht auch keinen Hehl daraus, daß er bewußt seine "Einstellung zum Essen" vorführen will.

Mit seinem Schwerpunkt auf Blumen als Zutaten wie auch zur Dekoration materialisiert Chens Buch die Träumereien eines romantischen jungen Mannes. Jedem Rezept schickt er ein Gedicht oder einen kurzen Text mit Anmerkungen zu den oft bizarren Namen seiner Gerichte voraus. Das Rezept schließt gewöhnlich mit ein paar Informationen über den Nährwert und die wohltuende Wirkung der Speise nach den Prinzipien der traditionellen chinesischen Heilkunde.

Dieser Romantizismus prägt auch seine persönliche Einstellung zum Essen. Chen empfindet, daß man jeden Augenblick einer mit Freunden oder Verwandten eingenommenen Mahlzeit hochschätzen sollte. Jede Mahlzeit kann schöne Erinnerungen an Liebe oder entstehende Freundschaften schaffen, und diese Erinnerungen soll man pflegen, denn unsere Gefühle für Essen werden -- abgesehen vom Geschmack -- von vielen Faktoren beeinflußt, glaubt Chen. Wenn er an die Zeiten zurückdenkt, als noch seine Großmutter zu Hause kochte, dann sind ihre Speisen für ihn ein Symbol ihrer Liebe für ihr Enkelkind.

Der charmante Chen ist aber nicht der einzige Cuisinier, der auf weiblichem Terrain seinen Mann steht. Auch Lee Khan(李崗) hat vor kurzem ein Kochbuch herausgebracht, entspricht jedoch kaum dem üblichen Klischee eines Meisterkochs, sondern wirkt eher wie jemand aus der Renaissancezeit. Er hatte vorher auf einem Fischerboot malocht, als Hausierer, Geschenkartikelladenbesitzer und selbständiger Geschäftsmann gearbeitet, und heute schreibt er Drehbücher und moderiert eine Fernsehshow über Mode. Sich selbst bezeichnet er als "Zugvogel" und meint, er hätte zwar im Laufe seines Lebens alles mögliche ausprobiert, aber jetzt betrachtet er Schreiben und Kochen als die beiden Quellen seiner Zufriedenheit.

Lee gesteht, daß er nicht die geringste Ahnung vom Kochen hatte, als er seinen Bruder, den vor allem durch den Film Das Hochzeitsbankett bekannt gewordenen Filmregisseur Ang Lee(李安), in den USA besuchte. An Lee Khans ersten Abend in Amerika bereitete sein Bruder das Abendessen. "Er hatte in Taiwan nie gekocht, daher wußte ich vor dem Essen nicht so recht, was ich davon halten sollte", plaudert Lee. Doch das Essen schmeckte vorzüglich -- und zwar so vorzüglich, daß Lee spontan den Abwasch übernahm. Diese Erfahrung führte ihm vor Augen, daß Kochen und Geschirrspülen keineswegs nur Frauensache sind, sondern daß die häuslichen Pflichten aufgeteilt werden sollten.

Über sein Kochbuch mit dem Titel Kochen macht Spaß sagt Lee: "Mehr noch als für die Verbreitung von Rezepten werbe ich für die Idee, daß der Mann für seine Familie kocht. Außerdem möchte ich den Lesern meine Freude am Kochen mitteilen." Er erklärt seine Einstellung zum Kochen so: " Ich schöpfe mein persönliches Glück zwar in erster Linie aus meinem Familienleben, aber ich brauche dennoch Zeit und Raum für mich selber. Wenn ich allein in meinem Arbeitszimmer oder in der Küche bin, regiere ich sozusagen mein eigenes Reich. Schreiben und Kochen sind beides kreative Tätigkeiten, unterscheiden sich im Wesen aber grundsätzlich voneinander. Resonanz auf meine Schriften erhalte ich erst lange nach der Fertigstellung, die Reaktion meiner Familie auf meine Kochkunst bekomme ich dagegen sofort."

Ebenso wie bei Chen Hung ist das Kochbuch von Lee Khan weit mehr als nur eine reine Rezeptsammlung. Tatsächlich enthält es nur sechzehn Rezepte, allesamt gute alte Hausmannskost. Lee will dem Leser mit seinem Buch vor allem die inneren Hemmungen davor nehmen, in der Küche rührig zu sein. Da die Gerichte in seinem Kochbuch aber eine Vielzahl verschiedener Kochtechniken und fast das ganze Spektrum der handelsüblichen Zutaten erfordern, findet Lee, daß man mit der Lektüre eine solide Grundlage der wunderbaren chinesischen Küche erhält.

Lees Buch ist eigentlich eher eine Essaysammlung als ein Rezeptbuch. Er philosophiert darin über die kulturellen Unterschiede zwischen Ost und West und das sich wandelnde Verhältnis zwischen Mann und Frau. Lee argumentiert, daß Männer und Frauen bei den klaren biologischen Unterschieden nur dann wirkliche Gleichberechtigung erreichen können, wenn sie das gleiche tun dürfen. Männer sollten traditionell als Frauenarbeit eingestufte Aufgaben übernehmen können, so wie viele Frauen heutzutage auch für den Lebensunterhalt der Familie sorgen. Lee tritt also mit anderen Worten für die Gleichberechtigung ein und zögert auch nicht, den Beitrag seiner Frau zu seiner Karriere zu würdigen.

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"Wenn sie nicht arbeiten würde, könnte ich meinen Traumberuf als Drehbuchautor niemals ausüben", gesteht er ein. (Lee hat bereits zweimal den jährlich vom Regierungsinformationsamt verliehenen Preis für das beste Filmdrehbuch erhalten.) Seine Frau schafft sozusagen die Kohle heran -- aber Lee befeuert damit den Herd. "Ich bin schon viel besser geworden, nachdem ich Kochunterricht genommen habe", behauptet Lee. Eine Zeitlang spielte er sogar mit dem Gedanken, selbst ein Restaurant aufzumachen. "Den meisten Spaß macht mir das Kochen selbst, und es freut mich auch sehr, daß es meiner Familie schmeckt. Die Erfüllung, die das Kochen für die Familie bringt, ist einmalig. Die Hausarbeit wird heutzutage immer mehr zwischen Männern und Frauen aufgeteilt." Die Popularität seines Buchs läßt darauf schließen, daß seine Ansichten schnell wachsende Zustimmung finden.

Brechen nun also die Männer rücksichtslos in die kulinarische Szene Taiwans ein? Mitnichten. In gewisser Weise ist jedes auf der Insel veröffentlichte Kochbuch eine Huldigung an eine Frau, die Standards gesetzt hat: Fu Pei-mei. Sie ist eine der bekanntesten und produktivsten Kochbuchautorinnen und Fernsehmoderatorinnen und moderiert seit 35 Jahren ihre beliebte Fernsehsendung Fu Pei-meis Kochstunde . In der Sendung wurden bereits mehr als 4000 Rezepte vorgestellt, und sie gilt als die am längsten laufende Kochsendung der Welt.

Nach dem ersten Erfolg ihrer Sendung hatte man flugs ihr erstes Kochbuch mit dem schlichten Titel "Die Fernsehrezepte" herausgegeben. Es folgten etwa dreißig weitere Bücher, die auch ins Japanische und Englische übersetzt wurden, und heute hat sie sogar ihren eigenen Verlag. Studiert man die Buchtitel, bekommt man einen Eindruck von Fus Vielseitigkeit: Vorstellungen regionaler Spezialitäten auf dem chinesischen Festland, chinesische Hausmannskost, chinesische Snacks und Nachspeisen, Rezepte für den Henkelmann, vegetarische Rezepte, "Mini"-Kochbücher und Rezeptkarten.

Viele Rezepte hat Fu selbst kreiert, aber sie berücksichtigt auch sehr die traditionellen Aspekte der chinesischen Kochkunst. Bevor sich in neuerer Zeit im Riesenreich China die Reisemöglichkeiten verbesserten, kochte man in jeder Region nur mit den jeweils vor Ort verfügbaren Zutaten. So entstanden viele verschiedene Varianten der chinesischen Küche, die man heute allgemein in fünf Hauptgruppen einteilt: Peking, Hunan, Shanghai, Szechuan und Kanton. In ihrer ersten Serie chinesischer Kochbücher versuchte Fu die wichtigsten Rezepte dieser Regionalküchen zu erfassen.

Schon das Durchblättern von Fus Kochbüchern ist ein großes Vergnügen. Vollständige Listen der nötigen Zutaten und klare, bündige Anweisungen für die Zubereitung sind mit schönen Fotografien köstlicher Gerichte garniert. Die Autorin bietet auch häufig hilfreiche Anregungen für die Auswahl frischer Zutaten oder passender Alternativen: In einem jahrhundertealten Rezept beispielsweise schlägt sie die Verwendung von Alufolie anstelle von Lotusblättern vor.

Fus zahlreiche Bücher haben alle eines gemeinsam: Sie sind absolut idiotensicher. Jedes Buch hat einen Abschnitt mit Abbildungen von sämtlichen im Buch verwendeten Zutaten und den wichtigsten Kochgeräten. Ein zusätzliches Plus ist, daß jede ihrer Publikationen mittlerweile zweisprachig (Chinesisch-Englisch) gedruckt wird. Eines hat Fu aber komischerweise versäumt: Zur Zubereitung ihrer berühmten Gerichte hat sie noch nie einen Mikrowellenherd benutzt. Zwar betrachtet sie Mikrowellenherde zum Aufwärmen von Speisen als praktisch, aber die vielen verschiedenen Kochtechniken der chinesischen Kochkunst werden sie nach Fus Ansicht bestimmt nicht ersetzen können. Das unverwechselbare Aroma von im Wok gebrutzelten Frühlingszwiebeln und Knoblauch ließe sich mit einer Mikrowelle wohl kaum erreichen.

Hsiao Yi-chuan(蕭義娟) hat mit dem Mikrowellenherd dagegen gar keine Probleme. Seit Ende der achtziger Jahre hat Hsiao neun Mikrowellen-Kochbücher veröffentlicht, eine Kochsendung im Kabelkanal TVBS moderiert und für zwei einheimische Radiostationen Lehrkurse für das Kochen mit der Mikrowelle veranstaltet. Sie wurde 1954 in Hsinchu (südlich von Taipei) geboren und schrieb ab 1989 Mikrowellen-Rezepte für die chinesischsprachige Zeitschrift Family Monthly. Später verfaßte sie auch regelmäßig Artikel für die Taiwan-Ausgabe von Marie Claire.

Hsiaos erster Kontakt mit Mikrowellenherden war dabei alles andere als spektakulär. Eine ihrer Freundinnen verkaufte die Geräte, und Hsiao wollte ihr helfen. Zuerst erlernte sie selbst einige Mikrowellen-Kochtechniken. Nach zahlreichen Experimenten und Mißerfolgen hatte sie schließlich genügend Erfahrung gesammelt, um spezielle Mikrowellen-Kochkurse an verschiedenen Orten auf der ganzen Insel anbieten zu können.

Anfangs erforderte das zähe Aufklärungsarbeit: Die meisten Hausfrauen beäugten die Mikrowellenherde voller Argwohn und zweifelten an der Sicherheit dieser neumodischen Dinger. Viele sahen auch keine Anwendungsmöglichkeiten beim Kochen traditioneller chinesischer Gerichte. Zur Zerstreuung dieser Vorbehalte findet man in jedem von Hsiaos Kochbüchern eine erklärende Einleitung, wie man den richtigen Mikrowellenherd auswählt, welches Geschirr man darin verwenden kann, über Fragen der Sicherheit, über Grundprinzipien des Kochens mit der Mikrowelle und welche besonderen Tricks es in diesem Fach gibt.

Weil manche Kochrezepte für die Mikrowelle ungeeignet sind, können Mikrowellenrezepte nicht uneingeschränkt auf die verbreitetsten Hauptrichtungen der chinesischen Küche angewendet werden -- darin unterscheiden sich Hsiaos Kochbücher auch von denen Fu Pei-meis. Trotzdem sind Hsiaos im Standardformat gedruckten Bücher mit vielen Hochglanzaufnahmen ebenso schön wie praktisch.

"Es gibt nichts, was man nicht in einem Mikrowellenherd zubereiten könnte", beharrt Hsiao. "Es kommt nur auf die richtigen Utensilien an." Zum Braten, Backen und Fritieren empfiehlt sie eine Kasserolle. "Das Metall ist speziell für die Speicherung der Wärme und die Verkürzung der Kochzeit vorgesehen", erläutert sie.

Überraschenderweise hat Hsiao sogar eine Methode gefunden, das Aroma von Knoblauch und Schalotten in der Mikrowelle zu bewahren. "Dazu gebe ich Öl und gehackten Knoblauch, Ingwer oder Schalotten in eine Porzellan- oder Keramiktasse", beschreibt sie. "Danach koche ich ohne Abdeckung bei großer Hitze für drei Minuten. Die Tasse muß sauber und trocken sein, damit nichts danebengeht."

Sie benutzt den Mikrowellenherd auch gerne zum Dämpfen. "Außer bei Brot und Mehlspeisen muß man die Zutaten nicht auf einem Gestell über kochendem Wasser plazieren", versichert sie. "Sie dürfen nur nicht vergessen, die Speisen in Frischhaltefolie einzuwickeln oder zu bedecken. Sie können die Speisen auch in einen hitzebeständigen Behälter geben."

Doch wie kann man den Mikrowellenherd mit den chinesischen Traditionen in Einklang bringen? Viele Menschen in Taiwan glauben beispielsweise, daß man den taoistischen Gottheiten und den Ahnen nur ganze Hühner als Opfer darbringen darf. Hsiao hat dafür Verständnis, empfiehlt aber selbst in diesem Fall den Gebrauch der Mikrowelle. "Das hat gegenüber dem Kochen in Wasser einen Vorteil", begründet Hsiao. "Im Wasser verliert ein Huhn oft sein ganzes Aroma. Ein ganzes Huhn in der Mikrowelle zu dämpfen dauert je nach Größe des Vogels nicht länger als zwanzig bis dreißig Minuten. Man muß es lediglich in mikrowellenbeständige Plastikfolie einwickeln."

Hsiao räumt ein, daß Mikrowellenherde nicht für alle Kochtechniken geeignet sind. Einen Kuchen backt man besser in einem herkömmlichen Ofen, in dem man den Vorgang besser unter Kontrolle hat, und viele Speisen fritiert man besser in einem Wok über einer leicht einstellbaren Flamme. Nichtsdestotrotz denkt Hsiao nicht daran, das Kochen mit dem Mikrowellenherd aufzugeben. "In einer Mikrowelle entsteht kein dicker Dampf oder Ölqualm", gibt sie zu bedenken. "Das macht es dem Koch leichter. Mein Motto: Ein glücklicher Koch kocht leckere Speisen. Für Leute wie mich, die das Putzen einer schmierigen Küche nach dem Kochen anwidert, ist ein Mikrowellenherd unentbehrlich."

In puncto Hygiene hat Hsiao auch das Problem vieler Leute gelöst, daß ein Mikrowellenherd immer gut riechen soll. "Um schlechten Geruch zu vermeiden, stellen Sie ein Glas mit kaltem Wasser und frischen Teeblättern oder Zitronenscheiben in den Mikrowellenherd und kochen Sie dann bei großer Hitze etwa fünf bis zehn Minuten. Lassen Sie den Dampf eine Weile im Herd stehen und wischen Sie ihn dann innen mit einem sauberen Lappen aus. Wenn Sie den Herd schon länger nicht mehr gereinigt haben, dann lassen Sie die Tür mehrere Stunden lang zu, damit der schlechte Geruch vollständig vom Tee oder dem Zitronenwasser absorbiert werden kann."

Taiwans kulinarische Fundamentalisten, mit Mutterns Hausmannkost und inhaltlich unantastbaren Rezepten gepäppelt, werden ob der neuesten Entwicklungen wohl konsterniert ihre Häupter wiegen. Hat man so etwas schon gesehen -- ganze Hühner, für die Götter in Mikrowellenherden gedämpft; Männer bekochen ihre Familien und sind auch noch stolz darauf; Chen Hung betört Möchtegernköche mit Gedichten... Sonst noch was? Soviel ist sicher: Die einstmals so geheimnisvolle Welt der chinesischen Kochbücher wird nie mehr ganz so sein wie früher.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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