25.04.2025

Taiwan Today

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Christliche Missionare in China

01.09.1997
Der italienische Jesuitenpartner Matteo Ricci(1552-1610) erhielt 1601 vom chinesischen Kaiserhof der Ming die Erlaubnis zu missionarischer Tätigkeit. Seine wissenschaftlichen Kenntnisse teilte er mit chinesischen Gelehrten.
Seit langer Zeit bemühen sich christliche Missionare in China um die Verbreitung ihres Glaubens. Die erste Franziskanermission traf Ende des 13. Jahrhunderts während der mongolischen Fremdherrschaft über China (Yuan-Zeit, 1279-1368) in Peking ein.

Eine frühe Blütezeit erlebte die katholische Mission in der Ming-Zeit (1368-1644). Im Jahre 1534 hatte Ignatius von Loyola den Jesuitenorden gegründet. Die Societas Jesu wurde bald für ihre vielseitige wissenschaftliche Tätigkeit sowie für die Missionsarbeit bekannt. Bereits 1601 erhielt der italienische Jesuitenpater Matteo Ricci (1552-1610) vom chinesischen Kaiserhof die Erlaubnis zu missionarischer Tätigkeit in Peking. Der Hof war allerdings mehr an den wissenschaftlichen Kenntnissen der Jesuiten interessiert: Ricci selbst hatte nicht nur Theologie, sondern auch Rechtswissenschaften und vor allem Mathematik, Physik, Astronomie und Kalenderwesen studiert.

Riccis Nachfolger wurde der deutsche Jesuit und Astronom Johann Adam Schall von Bell (1591-1666). Nach geschicktem diplomatischen Manövrieren erhielt er 1650 die Erlaubnis, die erste katholische Kirche in Peking bauen zu dürfen. Auch er beschränkte sich nicht auf die Mission, sondern arbeitete ab 1622 am Kaiserhof fruchtbar mit chinesischen Gelehrten zusammen.

Neben den Jesuiten waren während der Ming-Zeit und in der nachfolgenden Qing-Zeit (1644-1911) auch die Franziskaner, Dominikaner und Augustiner sowie zahlreiche protestantische Missionare in China aktiv. Das Wohlwollen der kaiserlichen Herrscher kühlte sich aber wegen des Streits der verschiedenen christlichen Gruppierungen untereinander merklich ab. Vor allem über die richtige Haltung gegenüber dem Konfuzianismus und dem Ahnenkult waren sich die Missionare uneins. Für die vergleichsweise toleranten Jesuiten galt der Ahnenkult nicht als Religion und stellte somit auch keine Konkurrenz zum Christentum dar. Im Jahre 1705 untersagte der Vatikan den Missionaren jedoch jede Toleranz gegenüber dem Ahnenkult und der Verehrung des Konfuzius und zog sich dadurch den berechtigten Unmut des chinesischen Kaisers zu. Hatte Kaiser Kangxi (Regierungszeit 1662-1723) die Jesuiten wegen ihrer naturwissenschaftlichen Kenntnisse noch sehr geschätzt, so wurde der Katholizismus bereits unter Kaiser Yongzheng (Regierungszeit 1723-1736) als Irrlehre verurteilt. In der Folgezeit kam es unter den späteren Mandschu-Kaisern wiederholt zu Christenverfolgungen. Immerhin rückte die katholische Kirche im Jahre 1971 von ihrer irrigen Verurteilung der traditionellen chinesischen Gebräuche ab.

Am ungemütlichsten wurde es für die Missionare in China während des "Boxeraufstandes" im Jahre 1900. Die Demütigungen Chinas durch Europa und die USA im imperialistischen Zeitalter des 19. Jahrhunderts lösten bei den Chinesen eine nationalistische und fremdenfeindliche Gegenbewegung aus. Die Missionare wurden zum Hauptangriffsziel der Boxer, die unter den chinesischen und ausländischen Christen entsetzliche Massaker verübten.

Derlei Unbill wurde den Missionaren in Taiwan glücklicherweise nicht zugemutet. Die katholische Mission in Taiwan begann aber auch erst viel später als in China, nämlich während der japanischen Kolonialzeit (1895-1945). In den fünfziger Jahren schickten viele katholische Orden Missionare nach Taiwan, die sich neben der Glaubensverbreitung auch karitativ und wissenschaftlich sehr engagieren. Zahlenmäßig vergleichsweise stark vertreten ist auch hier wieder der Jesuitenorden, der 1951 erstmals auf Taiwan aktiv wurde. Die ersten Steyler Missionare trafen 1954 in Taiwan ein, die Dominikaner folgten ein Jahr später.

Auch wenn heute auf dem kommunistisch regierten chinesischen Festland die christliche Mission trotz angeblicher Religionsfreiheit verschiedenen Schikanen ausgesetzt ist, führen dennoch viele Missionare die lange Tradition fort, und zwar nicht nur die Tradition der Glaubensverbreitung, sondern auch die Tradition der wissenschaftlichen Arbeit und der Weitergabe von Know-how. Die Entwicklungshilfe christlicher Missionare hat in Taiwan nach dem Zweiten Weltkrieg auch mit zum Aufschwung der Insel beigetragen.

Sinn und Zweck der Bekehrung zu einem anderen Glauben sind zwar bis heute bei Nicht-Missionaren und Laien nicht unumstritten, die wissenschaftlichen und karitativen Leistungen der christlichen Missionare stehen jedoch außer Frage. Zudem waren sie die ersten, die einen echten Kulturaustausch praktizierten: Sie teilten ihre hervorragenden wissenschaftlichen Kenntnisse mit chinesischen Gelehrten und nahmen gleichzeitig die Kultur Chinas in sich auf. Den Missionaren ist es zu verdanken, daß man in Europa nach Ende des Mittelalters mehr als je zuvor über China erfuhr, und sie sind auch die Gründerväter der Sinologie: Neben eigenen erfolgreichen Sprachstudien übersetzten sie viele klassische chinesische Schriften in westliche Sprachen und erstellten die ersten fremdsprachigen Wörterbücher für Chinesisch, die an den Universitäten teilweise sogar heute noch verwendet werden.

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