Als Handelsmacht hat die Insel Taiwan naturgemäß viel Kontakt mit dem Ausland. Das Interesse der Taiwanesen am Ausland beschränkt sich aber nicht nur auf Handel und Waren, sondern erstreckt sich auch auf Kultur und Gastronomie. Aufgeschlossene Feinschmecker können in Taipei heute Speisen aus fast allen Ländern der Erde kosten.
In Taipei wurde in den letzten fünf Jahren ein knappes halbes Dutzend Restaurants mit deutscher Küche eröffnet. Den Anfang machte aber bereits im Jahre 1976 das Restaurant "Zum Faß" im Herzen des lebhaften Geschäftsviertels in Taipeis Norden.
Eigentlich war "Zum Faß" zuerst eher ein Treffpunkt, wo Ausländer gemütlich ein Glas Bier trinken und einen Happen essen konnten. Am Herd regierte einer der Mitbegründer des Restaurants selber: Anton "Toni" Grüninger, ein gelernter Koch aus Zürich. Die Gäste waren von dem guten Essen begeistert, und auch unter den Einheimischen sprach sich schnell herum, daß man bei Toni gut essen konnte.
"Anfangs waren die meisten der Gäste Ausländer, doch heute ist das Publikum gemischt", berichtet Mary Chen, die Managerin von "Zum Faß". Bedingt durch die Lage wird das Lokal vorwiegend von Geschäftsleuten frequentiert, aber auch Professoren und Angestellte lassen es sich dort schmecken. Einmal im Monat findet ein Stammtisch statt, bei dem sich Deutsche oder Leute, die sich für die Länder des deutschen Sprachraums interessieren, zum Plaudern (und zum Essen) treffen können.
Die Speisekarte von "Zum Faß" unterscheidet sich von der Speisekarte in einem normalen deutschen Restaurant in Deutschland oder der Schweiz eigentlich nur dadurch, daß sie dreisprachig gehalten ist: Deutsch, Englisch und Chinesisch. Der Speiseplan läßt nichts zu wünschen übrig: Neben der obligatorischen Schweinshaxe kann man auch Schnitzel, Sauerbra ten oder Forelle bestellen. Besonders stolz ist Chen auf ihr Rouladengericht: "Das bekommt man sonst nirgendwo in Taipei", glaubt sie. "Mit Rücksicht auf die einheimischen Gäste kochen wir die Speisen etwas weniger salzig, als es in Deutschland oder in der Schweiz üblich wäre", fährt sie fort. "Wem das Essen nicht salzig genug ist, der kann natürlich nach Geschmack Salz hinzufügen -- schließlich steht ja auf jedem Tisch ein kleiner Salzstreuer." Auch die Salatsaucen werden dem einheimischen Geschmack angepaßt, weil man in Taiwan weniger saure Dressings bevorzugt.
Keine Zugeständnisse gab es hingegen bei der Größe der Portionen. "Toni hat von Anfang an so gekocht wie in der Schweiz, und die Portionen waren entsprechend riesig", erinnert sich Mary Chen. Daran hat sich bis heute nichts geändert, auch nachdem Anton Grüninger 1993 an Leberkrebs starb. Ihre eigenen Kochkünste verbesserte Chen durch ein mehrmonatiges Praktikum in einem Freiburger Hotel.
Wer zur Mittagszeit seinen Hunger stillen möchte, steht bei "Zum Faß" außer sonntags jedoch vor verschlossenen Türen: Öffnungszeiten sind täglich von fünf Uhr nachmittags bis Mitternacht. "Das Restaurant liegt in einem Gebiet mit lauter engen Gassen, so daß man tagsüber keinen Parkplatz finden kann", begründet Chen. Da an diesem Mißstand nichts zu ändern ist, erwägt das Management die Eröffnung eines zweiten Restaurants. "Es gibt aber noch keine konkreten Pläne, und es hat auch keine Eile damit", beschwichtigt Chen.
In Taipei ist "Zum Faß" schon fast eine Institution. Das liegt nicht nur daran, daß es einer der wenigen Orte ist, wo man gutes deutsches Bier vom Faß bekommen kann, sondern vor allem an der gemütlich-rustikalen Atmosphäre, die sehr an einen typischen deutschen Altstadt-Ratskeller erinnert. Zudem steht das Lokal, welches das erste (und bis vor kurzem auch das einzige) deutsche Restaurant der Stadt ist, für Beständigkeit. Mary Chen arbeitet seit 18 Jahren dort, und der Barkeeper Jack Hsu ist sogar schon seit zwanzig Jahren dabei. Das wissen auch die Kunden zu schätzen, die nach jahrelanger Abwesenheit Taipei wieder besuchen: "Zum Faß" ist immer noch da.
Inzwischen sind in der Millionenstadt Taipei aber auch mehrere andere deutsche Restaurants da. Mary Chen hat damit keine Probleme. "Warum sollen nicht auch andere Leute, die Geld verdienen wollen, ein deutsches Restaurant aufmachen?" Ihrem Restaurant hat die Konkurrenz bisher nicht geschadet und stört sie auch nicht.
Das Restaurant “Schwarzwald—Deutsche Spezialitäten” wurde im Januar 1996 gegründet und liegt im Süden Taipeis. Neben guter deutscher Hausmannskost gibt es dort auch Kuchen und anderes Gebäck deutscher Art.
Mit den Inhaberinnen der im Juli 1996 gegründeten "Haxen-Gaststätte" versteht sich Mary Chen sehr gut. Man kennt sich -- Anita Lin und Kero Chen hatten lange in " Zum Faß" gearbeitet, bevor sie den Sprung in die Selbständigkeit wagten. Die "Haxen-Gaststätte" ist relativ klein und bietet 36 Personen Platz. Serviert wird traditionelle deutsche Küche, darunter auch selbstgeriebene Käsespätzle, Zürcher Geschnetzeltes, bayerischer Wurstsalat oder Forellenfilet auf Mandeln. Auch modernere Speisen fehlen nicht: Die Riesengarnelen auf Chilibutter mit Salat sind vor allem bei jüngeren Gästen beliebt. Am häufigsten wird aber immer noch Haxe oder Eisbein bestellt: Der Name verpflichtet. Bemerkenswert ist bei der "Haxen-Gaststätte" noch die Weinkarte mit erlesenen Tropfen aus Deutschland, Frankreich und Italien.
Die Hauptzutaten vieler deutscher Fleischgerichte wie Eisbein, Sauerbraten oder Bratwurst kann im Prinzip nur ein Spezialist in Fleischverarbeitung liefern. Diese Funktion erfüllt Uli Lengenberg, ein 1958 in Siegen geborener Fleischermeister, der im Norden Taipeis eine deutsche Fleischerei und Delikatessengeschäft betreibt. Es war wohl auch Abenteuerlust, die den Hünen (1,98 m) im Jahre 1988 nach Fernost verschlug. Zuerst arbeitete er als Angestellter in einer Fleischfabrik und verkaufte ab Mai 1991 nebenher in einem kleinen angemieteten Ladenlokal eigene Fleischwaren.
Der Anfang war bescheiden. "Ich hatte nur einen Laden mit einer Fläche von knapp 45 Quadratmetern -- die Küche hinten mit eingerechnet", erinnert sich Lengenberg, der sich von allen "Uli" nennen läßt, so daß viele Leute seinen Familiennamen gar nicht kennen. Zuerst verkaufte er nur nach seinem Feierabend, stellte dann aber bald nacheinander zwei Verkäuferinnen ein, um auch tagsüber verkaufen zu können.
Die Nachfrage war von Anfang an blendend, denn zum einen waren die Chinesen den neuen Produkten gegenüber neugierig und aufgeschlossen, und zum anderen produziert Uli seine Fleisch- und Wurstwaren konsequent nach den strengen deutschen Richtlinien und Leitsätzen für Fleisch- und Wurstwaren. Mit Chan Ching-ling, einem einheimischen Fachmann für Nahrungsmitteltechnik, gründete er dann 1992 die Firma "Uli's Euro-Deli" und gab seine Arbeit als Angestellter auf, um sich voll dem eigenen Geschäft widmen zu können. Da die Firma in der Anfangsphase noch kein zusätzliches Personal beschäftigte, war die Arbeitsbelastung enorm, denn Uli mußte neben der Produktion auch Verkauf und Werbung organisieren.
Verkauft wurden zuerst nur Fleisch- und Wurstwaren, doch schon bald erweiterte Uli die Produktpalette und begann, importierte Lebensmittel wie etwa Käse anzubieten. Das war nicht weiter schwierig, da Uli von Anfang an mit Importeuren Geschäftsbeziehungen unterhielt: "Die ganzen Zutaten, Gewürze usw. für die Wurstherstellung müssen alle aus Deutschland und anderen Ländern importiert werden, weil es die hier in Taiwan nicht gibt", stellt Uli fest. "Die Därme für die Würste kann ich in Singapur bekommen."
Das Fleisch selbst wird -- wenn möglich -- vor Ort eingekauft. Dabei stellte sich heraus, daß Schweinefleisch aus Taiwan qualitativ besser ist als deutsches Schweinefleisch. "Das Schweinefleisch hier ist fester, verliert weniger Flüssigkeit und ist leichter zu verarbeiten. Außerdem hält es länger", lobt Uli, der 1983 in Deutschland die Meisterprüfung ablegte. Nachdem der erste Laden zu klein geworden war, zog "Uli's Euro-Deli" in ein größeres Ladenlokal im nördlichen Stadtteil Tienmu um und unterhält außerdem eine Fleischfabrik in Taoyuan (ungefähr eine Autostunde von Taipei entfernt).
In der Fleischfabrik sind zwar nur drei Arbeiter beschäftigt, aber der monatliche Ausstoß liegt derzeit bei fünf Tonnen. Den Löwenanteil machen dabei mit 500 Kilogramm Schweinshaxen aus. Auch Weißwürste gehen reißend weg, jeden Monat verlassen 300 Kilo Weißwurst Ulis Fabrik. Mit Rücksicht auf die Marktbedürfnisse in Taiwan -- es leben deutlich mehr US -Amerikaner als Deutsche auf der Insel -- beschränkt Uli sich aber nicht nur auf rein deutsche Produkte, sondern stellt auch Fleischwaren amerikanischer Art her, etwa Truthähne zum Erntedankfest ( "Thanksgiving").
Um die deutschen Qualitätsstandards erfüllen zu können, mußte Uli für seine Fabrik eine Reihe von ausländischen Maschinen einkaufen; nur ein Ofen ist "Made in Taiwan". Die Kontrolle der Arbeiter zur Einhaltung der Hygienevorschriften erwies sich aber als leichter als erwartet. Mit seinem Kauderwelsch aus Englisch und ein paar Brocken Chinesisch kann sich Uli bei der täglichen Kontrolle problemlos verständlich machen. "Irgendwie geht das immer, notfalls auch mit Händen und Füßen", erzählt er. So gibt es bei Qualität und Hygiene nur ganz selten Schwierigkeiten -- hundertprozentige Sicherheit gibt es durch den Faktor Mensch sowieso nie, doch Uli sorgt mit seinen täglichen Kontrollen für die Einhaltung seiner strengen Standards.
Seit 1992 produziert die Firma “Uli’s Euro-Deli” im Norden Taipeis Fleischwaren deutscher Art. Neben dem Verkauf im eigenen Laden liegt der Schwerpunkt der Firma auf der Belieferung von Großabnehmern wie Restaurants, Hotels usw.
Bei der Einschätzung der Verkaufschancen von Produkten gibt es zuweilen Überraschungen. "Ich hatte einmal Salami nach französischem Rezept hergestellt, mit dem echten charakteristischen Geruch", plaudert Uli. "Die Franzosen hier waren begeistert. Die Chinesen rümpften dagegen die Nasen und hielten die Wurst für verdorben." Weil sich die Produktion nur für die in Taiwan wohnenden Franzosen allein nicht gerechnet hätte, nahm Uli die französische Salami aus dem Programm.
Der Direktverkauf an Endverbraucher macht heute nur noch einen eher unbedeutenden Teil von Ulis Geschäft aus. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Warenversand und der Versorgung von Großabnehmern wie Hotels, Restaurants usw. Uli beliefert Kunden dieser Art in allen größeren Städten Taiwans: Taipei, Kaohsiung, Taichung, Hualien und Taitung.
Der zweite wichtige Zweig von "Uli's Euro-Deli" ist der Import und Weiterverkauf von ausländischen Spezialitäten: Dosenwaren, Sauerkraut, Essiggurken und anderes. Natürlich ist Uli nicht der einzige Importeur, doch der Konkurrenz begegnet er mit Diversifizierung. "Es hat doch keinen Zweck, wenn ich genau das gleiche verkaufe wie die anderen Importeure", erläutert Uli. "Das würde zu einem Preiskampf und folglich zu Profitminderung führen. Das vermeide ich, indem ich andere Sachen anbiete." Zu diesen anderen Sachen gehören auch hochwertige Mehlmischungen aus Deutschland, die Uli zu einem Teil zu verschiedenen deutschen Brotsorten backen läßt, der Rest geht an Großkunden. Im Wissenschafts-Industriepark Hsinchu ist die Eröffnung eines Supermarktes mit Schwerpunkt auf Fleisch- und Importwaren geplant, es sollen aber auch andere, in jedem normalen Supermarkt erhältliche Dinge des täglichen Bedarfs angeboten werden.
Ein weiterer Trend ist die Einrichtung kleiner Filialen mit einer Kombination von Verkauf und Imbiß. Beispielsweise im Taipeier Far-Eastern-Kaufhaus kann man sich die in Ulis Verkaufstheke ausliegenden Bratwürste sofort an Ort und Stelle brutzeln lassen. Ein Partyservice rundet Ulis geschäftliche Aktivitäten ab.
Neben "Zum Faß", der " Haxen-Gaststätte" und "Uli's Euro-Deli" im Nordteil Taipeis gibt es im Süden der Stadt noch das Restaurant "Schwarzwald -- Deutsche Spezialitäten". Zu seiner Gründung im Januar 1996 war es ursprünglich nur ein kleines Imbißlokal, in dem auch selbstgebackenes Vollkornbrot verkauft wurde. Doch das Geschäft lief so gut, daß das Lokal in eineinhalb Jahren gleich mehrmals vergrößert werden mußte und heute rund 60 Gästen Platz bietet.
"Bei mir fühlen sich die deutschen Gäste wie zu Hause, weil das Restaurant nicht übertrieben piekfein ist, sondern eine anheimelnd-gemütliche Atmosphäre hat", meint Qiu Daiyu, die Gründerin von "Schwarzwald". "Sowohl unsere Atmosphäre als auch die Speisen sind anders als bei den teuren, edlen Restaurants. Nirgendwo sonst in Taipei gibt es original deutsche Hausmannskost nach Großmutters Rezepten." Das Essen schmeckt westlichen wie einheimischen Gästen gleichermaßen, so daß man zu den Stoßzeiten mitunter eine Weile warten muß, bevor man einen Platz bekommt.
Daß Qiu einmal ein deutsches Restaurant in Taipei eröffnen würde, war in ihrer Lebensplanung früher eigentlich nicht vorgesehen gewesen. Im Jahre 1990 hatte sie an der Fu Jen Catholic University in Hsinchuang (Kreis Taipei) einen Magister in Neuerer Europäischer Geschichte erworben und anschließend über vier Jahre in Deutschland gelebt. In Dortmund lernte sie von ihrer Sprachlehrerin Heidi Gebauer nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch viele Rezepte der westfälischen Küche. Das Kochen liegt Qiu Daiyu im Blut; ihre Mutter hatte in Neipu (Kreis Pingtung, Südtaiwan) viele Jahre lang erfolgreich ein chinesisches Restaurant betrieben. "Ich habe immer schon sehr gern gekocht, und deswegen habe ich in Deutschland immer genau aufgepaßt, wenn meine Freunde oder meine Schwiegermutter deutsches Essen zubereitet haben", verrät sie.
Bei der Rückkehr nach Taiwan 1994 nahm Qiu aus Deutschland einen Elektro-Backofen mit und buk zuerst nur für den Eigenbedarf gutes, schweres Vollkornbrot. Als aber immer mehr ihrer Bekannten an ihrem Brot Gefallen fanden ( "Kann ich mal eins mitnehmen?"), kam ihr der Gedanke, sich mit Brotverkauf ein Zu-Brot zu verdienen. Von dort bis zu der Eröffnung eines eigenen Restaurants war es kein großer Schritt mehr.
Das erste Jahr nach der Gründung des Restaurants war sehr hart. "Ich konnte mir kaum Personal leisten und habe jeden Tag vierzehn Stunden gearbeitet", erinnert sich Qiu. Ihr deutscher Ehemann half hingegen nur am Anfang mit, um, wie Qiu es lachend ausdrückt, "Bestellungen zu verwechseln, Kaffee zu verschütten und Geschirr zu zerbrechen".
Nach einem halben Jahr war Qiu schon drauf und dran, wegen Überarbeitung den Laden zu verkaufen, doch dann trat ihr Vetter Roger Qiu als Mitarbeiter, Partner und Teilhaber in das Geschäft ein. "Ich war vorher Manager in einer Computerfirma und hatte die Monotonie und das Mobbing in meiner Firma gründlich satt", sagt Roger Qiu. "Ich wollte gerne im gastronomischen Bereich arbeiten, und als ich sah, daß meine Cousine jemanden brauchte, bot ich ihr meine Hilfe an, die sie sofort annahm." Im Sommer 1997 nahmen die beiden Qius einen dritten Partner in das Geschäft hinein.
Zwar spielt Weihnachten im buddhistischen Taiwan längst nicht eine so große Rolle wie in Europa, aber Christstollen und anderes deutsches Weihnachtsgebäck waren bei “Schwarzwald” dennoch ein Verkaufsschlager.
Das "Schwarzwald" ist heute nicht mehr der kleine Imbiß von ehedem: Der Restaurantteil wurde beträchtlich erweitert und die Küche modernisiert. "Neben unseren regulären Gerichten auf der Speisekarte bieten wir jeden Tag ein bis drei besondere Tagesmenüs an, komplett mit Suppe, Kaffee und Kuchen", sagt Chou Shu-ying, die dritte Partnerin, nicht ohne Stolz. "Ich koche die Speisen nach original deutschen Rezepten und passe sie nicht dem einheimischen Geschmack an", fügt Qiu Daiyu hinzu.
Da der chinesische und der deutsche Geschmack verschieden sind, sucht man manche typisch deutschen Gerichte auf der Speisekarte von "Schwarzwald" allerdings vergeblich. "Ich habe feststellen müssen, daß die meisten einheimischen Gäste beispielsweise für Knödel oder Rotkohl kaum zu begeistern sind", räumt Qiu Daiyu ein. Trotzdem ist das Angebot überaus reichhaltig und umfaßt neben Gulasch, Bratwurst, Eisbein, Schnitzel und verschieden zubereiteten Schweinebraten auch in Taiwan bisher weniger bekannte Gerichte und regionale Spezialitäten wie Kassler mit Kartoffelpüree und Sauerkraut, Königsberger Klopse oder Reibekuchen mit Apfelkompott. "Meine Schwiegermutter schickt mir aus Deutschland oft Kochbücher nach Taipei, und mein Mann muß oft als 'Versuchskaninchen' neue Gerichte vorkosten. Er hat sich aber bisher nie darüber beklagt, im Gegenteil", erzählt Qiu Daiyu.
Für neue Speisen ist Qiu Daiyu ebenso zuständig wie für das Backen von Kuchen. Ständig hat sie verschiedene Kuchen und Torten im Angebot, etwa Streuselkuchen, Rheinischen Apfelkuchen, Marmorkuchen oder die besonders beliebte Schwarzwälder Kirschtorte. Der Kuchen im " Schwarzwald" unterscheidet sich auffällig von den Backwaren, die man normalerweise in taiwanesischen Konditoreien erhalten kann, da er streng nach deutschen Rezepten gebacken und die Verwendung von Zucker und Sahne nicht übertrieben wird. Zur Verfeinerung ihrer Backkunst machte Qiu Daiyu im Sommer 1996 ein Praktikum bei einem Dortmunder Konditormeister. In der Weihnachtszeit sind verschiedene Sorten Weihnachtsplätzchen, Makronen und Christstollen der große Renner.
Mit deutschem Vollkornbrot hatte das Geschäft begonnen, und Brot wird auch jetzt noch regelmäßig gebacken. Zur Deckung der gewaltigen Nachfrage nach Kuchen und Brot wurde bereits Anfang 1996 ein mannshoher, dreistöckiger Backofen angeschafft. Da man in Taiwan in zunehmendem Maße Wert auf gesunde Ernährung legt, kaufen auch immer mehr Einheimische das schwere, köstliche Vollkornbrot von " Schwarzwald". Und der Kuchen von Qiu Daiyu ist inzwischen so berühmt, daß die Leute von weit her angereist kommen, um im "Schwarzwald" Kuchen zu essen.
Die Abwechslung bei Speisen und Gebäck ist eine der Ursachen für den Erfolg von "Schwarzwald". Hier zahlt sich auch der akademische Hintergrund der Gründerin aus, weil sie dank ihrer Deutschkenntnisse die deutschen Kochbücher lesen kann. Daß sie fließend Deutsch spricht, freut natürlich auch die deutschen Gäste. "Viele der deutschen Gäste können kein Chinesisch. Wenn sie beim Bestellen in ein chinesisches Gesicht blicken, sind sie aus Sorge, nicht verstanden zu werden, oft ziemlich nervös", weiß Qiu Daiyu. "Ein paar Worte auf Deutsch wirken da Wunder."
Aber auch das Restaurant selbst und seine Lage ziehen viele Gäste an. In der Nähe befinden sich die National Taiwan University (NTU) und die Pädagogische Hochschule Taiwans. "Wir halten unsere Preise bewußt niedriger als die meisten schicken Restaurants mit ausländischer Küche", erklärt Roger Qiu. "So können sich auch Studenten unser Essen leisten. Und die Portionen sind mit Rücksicht auf die hungrigen deutschen Gäste groß." Vielen Gästen gefällt auch, daß man im "Schwarzwald" in einer Art Vorgarten draußen sitzen kann. Eine ausfahrbare Markise schützt im Sommer vor der subtropischen Sonne -- und auch vor plötzlichen Regenschauern. Eine solche Gelegenheit zum Draußensitzen in Café-Atmosphäre bieten in Taipei nur sehr wenige Restaurants.
Der Erfolg der deutschen Restaurants in Taiwan belegt nicht nur den relativen Wohlstand der Einheimischen, sondern ist auch ein Indiz dafür, daß die Taiwanesen ausländischen Dingen gegenüber immer aufgeschlossener werden. Zwar soll am deutschen Wesen nicht die Welt genesen, aber die deutschen Restaurants tragen auch zur kulinarischen Vielfalt in Taipei bei und bieten neue Möglichkeiten, sich herzhaft und gesund zu ernähren.