Die Frankfurter Buchmesse kann auf eine über 500jährige Geschichte zurückblicken und ist mit 107 teilnehmenden Ländern und über 9500 Ständen heute unangefochten die größte Buchmesse der Welt. Als Fachmesse steht bei ihr nicht der Verkauf von Büchern im Vordergrund, sondern der Handel mit Urheberrechten und Lizenzen für Übersetzungen. Weltweit laufen über 75 Prozent aller Transaktionen dieser Art über die Frankfurter Buchmesse.
Peter Weidhaas, Jahrgang 1938, ist Geschäftsführer der Messe- und Ausstellungs-GmbH des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Seit dreißig Jahren pflegt er den Kontakt der Frankfurter Buchmesse mit entsprechenden Veranstaltungen in Ländern auf der ganzen Welt und gibt den jeweiligen Veranstaltern Tips zur Verbesserung der Organisation. Für die Frankfurter Buchmesse erfand er 1976 das Konzept des Schwerpunktthemas, das in Taipei erstmals auf der diesjährigen Buchmesse angewendet wurde. Peter Weidhaas gilt in Expertenkreisen unbestritten als der Vater der modernen Buchmesse.
Auf der TIBE '98 fand Weidhaas trotz seines vollen Terminkalenders die Zeit für ein Gespräch mit Freies China. Es folgen Auszüge.
Freies China: Herr Weidhaas, wieso stehen bei dem deutschen Pavillon auf der TIBE '98 Kinderbücher im Vordergrund?
Peter Weidhaas: Wir haben in Deutschland allgemein eine Jahresproduktion von 75 000 Titeln. Mit einer solch kleinen Kollektion in dem Pavillon hier [1500 Titel, Red.] kann man natürlich nur schwer eine Übersicht geben. Wir haben uns mit auf Kinderbücher konzentriert, weil Kinderbücher wichtig für die gesamte Bevölkerung sind: Wenn die Kinder nicht an Bücher herangeführt werden, dann werden sie später auch nicht lesen. Man hätte sich natürlich auch auf Wissenschaft und Technik oder ähnliches konzentrieren können, aber ich denke, das macht man später. Bei einer allgemeinen Ausstellung ist es immer besser, allgemein interessierende Themen anzusprechen.
Gibt es Veranstaltungen wie die TIBE oder die Frankfurter Buchmesse auch auf dem chinesischen Festland?
Ich selbst arbeite mit den Festlandchinesen seit 1975 zusammen, als ich das erste Mal dort war. Wir sind an der Pekinger Buchmesse beteiligt und haben auch schon in Kanton, Shanghai und Nanking einige Ausstellungen gemacht. Es ist immer ein Bemühen da, ins Gespräch zu kommen.
Hat Taiwan sozusagen eine Sprungbrettfunktion?
Darüber wird gegenwärtig sehr viel diskutiert, das muß sich erst einmal erweisen. Ich weiß, daß taiwanesische Verlage -- auch über Hongkong -- sehr viel in Rotchina machen, aber wie gesagt, es wird viel darüber geredet, ich habe noch keine richtigen Beweise dafür.
Zum Urheberrecht. Taiwan hatte ja lange Zeit nicht gerade den besten Ruf beim Urheberrecht.
Deswegen hatten wir bis 1994 kaum eine nennenswerte Verbindung hier. Taiwan zählte zu den "Piratenländern", aber nach unserem Kenntnisstand hat sich die Situation sehr zum Positiven geändert. Man hat hier ein nationales Copyright eingeführt und hält das internationale Urheberrecht sehr strikt ein, obwohl Taiwan ja in keiner internationalen Konvention Mitglied ist. Jedenfalls ist die Situation hier viel besser als auf dem Festland. Als ich 1975 mit einem Verleger durch die Volksrepublik China gereist bin, habe ich in jeder Buchhandlung dessen Bücher in Übersetzung gefunden, wovon er überhaupt nichts wußte.
Der Handel mit Urheberrechten ist auch das Hauptgeschäft auf der Frankfurter Buchmesse. Die Verlage kommen dort hin und bieten ihre Titel anderen Verlagen von anderen Ländern zur Übersetzung an. Von einem guten Roman kann man 14, 15, 20 Übersetzungen verkaufen. Die Mainstream-Länder wie USA machen dann Auktionen und kriegen auch für gar nicht so gute Bücher enorme Preise bezahlt -- das liegt bei 500 000, manchmal bei zwei oder drei Millionen US$. Dieser Rechteaustausch ist ein richtiger Handelsmarkt geworden.
Sollte man mehr Augenmerk auf die Qualität der Übersetzungen richten?
Übersetzen ist eine der schwierigsten aber schlechtbezahltesten Aufgaben, die es überhaupt gibt. Man muß die Kultur und die Hintergründe kennen, und für bestimmte Begriffe gibt es auch gar keine ähnlichen Ausdrücke in der anderen Sprache. Die Frage nach der Übersetzungsqualität ist wichtig, weil die Übersetzungen -- wenn sie schlecht sind und nicht das rüberbringen, was das Buch eigentlich beinhaltet -- dann auch verhindern, daß man sich weiter für deutsche Literatur interessiert.
Wie kommt es, daß Taiwan und das Festland trotz des Konkurrenzkampfes auf der internationalen Bühne beide auf der Frankfurter Buchmesse ausstellen können?
Sie stellen nicht gemeinsam, sondern getrennt aus, aber sie können dadurch beide an der Buchmesse teilnehmen. Ich muß Ihnen eins erzählen: Ich habe sozusagen China als erster "vereinigt", nämlich 1975. Da kam Rotchina nach Frankfurt und wollte wieder ausstellen -- die waren mal in den fünfziger Jahren dagewesen und dann die ganze Zeit nicht. 1975 wollten sie ausstellen, aber nur unter der Bedingung, daß wir Taiwan ausschließen. Das entsprach weder damals noch heute unserer Politik, und dann bin ich nach Peking gefahren und habe nach langen Verhandlungen eine, wie ich finde, sehr chinesisch-pragmatische Lösung gefunden: Ich habe nämlich beide Partner überzeugen können, auf ihren Staatsnamen zu verzichten. Und so steht in unserem Katalog nur "China", darunter im ersten Alphabet die festlandchinesischen Verlage und im zweiten Alphabet die taiwanesischen Verlage. So machen wir das seit 1975 bis heute.
Welche Bilanz ziehen Sie nach der TIBE '98?
Wir sind bei den Verlagen und dem Publikum auf sehr großes Interesse gestoßen, und ich denke, daß man das ausbauen kann. Aber so eine Verbindung entsteht nicht in vierzehn Tagen, daran muß man mehrere Jahre arbeiten. Das läuft immer so von Buchmesse zu Buchmesse, dazwischen sollen dann natürlich die aufgebauten Verbindungen wirksam werden. Aber ein Anfang ist gemacht, und ich denke, daß es weitergehen wird.
In welcher Hinsicht könnte die Organisation der TIBE verbessert werden?
Da führen wir ja sehr enge Gespräche mit den Kollegen hier. Ich habe die Entwicklung der letzten drei Messen mitverfolgt, und meiner Meinung nach machen sie eine hervorragende Arbeit. Der jetzt unternommene Schritt zur Privatisierung der Messeorganisation ist sicherlich ein richtiger Schritt. Die Finanzierung kam bisher vom Regierungsinformationsamt, die Organisation haben immer einzelne Verlage übernommen. Das geht jetzt über die Kraft dieser Verlage hinaus, und außerdem ist es wichtig, ein permanentes Management zu haben. Solche Messen -- gerade wenn sie international eine Bedeutung haben sollen -- brauchen permanente Relationen zu den nationalen Verlagen. Da kann man nicht immer wechseln, denn dann geht viel an Know-how und Verbindungen verloren. Aber in dieser Richtung ist schon alles eingefädelt. An dem organisatorischen Ablauf hier kann man nichts kritisieren, das ist alles sehr positiv. Wichtig ist, was ich vorhin sagte, nämlich die neue Organisationsstruktur der TIBE.