22.08.2025

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Taiwans Buchmesse mit deutschem Schwerpunkt

01.03.1998
Präsident Lee Teng-hui bei seiner Eröffnungsansprache zur TIBE '98 im Welthandelszentrum Taipei. Wegen des riesigen Interesses soll die TIBE von nun an jährlich stattfinden.

Zur Eröffnung der TIBE '98 war nicht nur der Präsident der Republik China, Dr. Lee Teng-hui, anwesend, sondern auch Vertreter der größten Buchmesse der Welt -- der Frankfurter Buchmesse. Mit 1409 Ständen und Vertretern aus 40 Ländern kann sich die TIBE '98 natürlich nicht mit der Frankfurter Buchmesse messen, doch das deutsche Pendant diente den Veranstaltern in Taiwan als Vorbild. Zum ersten Mal überhaupt bei einer Buchmesse in Taiwan erhielt die TIBE ein Schwerpunktthema -- ein Konzept, das in Frankfurt seit 1976 angewendet wird. Als Schwerpunktthema der TIBE '98 wurde "Deutschland" erkoren, woran sich die enge Verbindung zwischen den Buchmessen Frankfurt und Taipei sowie die Anerkennung der Veranstalter für das Engagement der deutschen Seite zur Förderung der TIBE erkennen läßt.

"Seit 1994 gibt es sehr enge Verbindungen zwischen der Frankfurter Buchmesse und der TIBE", berichtet Peter Weidhaas, Geschäftsführer der Ausstellungs- und Messe-GmbH des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Dem unermüdlichen Einsatz von Weidhaas und seinen Kollegen ist es mit zu verdanken, daß sich die TIBE in diesem Jahrzehnt von einem Bücherbasar zu einer echten Fachmesse entwickelte, bei der sich Verleger und Lektoren aus verschiedenen Ländern treffen, um sich über die Marktlage zu informieren und vor allem Urheberrechte zu kaufen bzw. zu verkaufen.

Organisiert wurde die TIBE '98 vom Regierungsinformationsamt ( Government Information Office, GIO) der Republik China. Bei der Eröffnungsveranstaltung definierte der Generaldirektor des GIO Chen Chien-jen(程建人) die Funktionen der TIBE: kultureller Austausch, Informationsfluß, Herstellung von Kontakten sowie Handel mit Büchern und Urheberrechten.

Da ein Buch ohne große technische Schwierigkeiten kopiert oder nachgedruckt werden kann, ist es für einen fruchtbaren Handel zwischen den Verlagen verschiedener Länder unerläßlich, daß sich alle Seiten an die Spielregeln des Urheberrechts halten. Leider waren Raubdrucke westlicher Bücher, vor allem wissenschaftlicher Werke, in Taiwans Buchläden lange Zeit keine Seltenheit, weswegen viele westliche Verlage nicht zu einer Zusammenarbeit mit Verlagen aus Taiwan bereit waren.

Seit Beginn der neunziger Jahre hat die Regierung der Republik China den "Piratenverlagen" jedoch den Krieg erklärt und 1994 ein Gesetz zum Schutz geistigen Eigentums erlassen; eine verbesserte Version dieses Gesetzes trat am 22. Januar dieses Jahres in Kraft. "Das neue Copyright-Gesetz erreicht ziemlich den internationalen Standard", lobt Micha Ramm von der Abteilung für Auslandsrechte des Ravensburger Buchverlages Otto Maier GmbH. Auch Peter Weidhaas bestätigt, daß Taiwan das internationale Copyright sehr strikt einhält. Das ist auch einer der Gründe dafür, daß immer mehr ausländische Verleger ihre Skepsis Taiwan gegenüber ablegen und die TIBE besuchen, um ihre Bücher vorzustellen, mit Lizenzen zu handeln und Kontakte mit einheimischen Verlegern anzuknüpfen. Laut Ansicht von Hans-Michael Fenderl, Projektreferent in der Internationalen Abteilung der Ausstellungs- und Messe-GmbH des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, bietet nur eine Buchmesse die Vielzahl von Begegnungsmöglichkeiten für Geschäftspartner aus verschiedenen Ländern, die sich noch nicht persönlich kennen. "Trotz Telefon, Fax und E-Mail sind persönliche Kontakte immer noch sehr wichtig", schrieb Fenderl in der am deutschen Pavillon der TIBE '98 ausliegenden Broschüre.

Der deutsche Stand war wegen seiner Schwerpunktthemenfunktion der größte Einzelpavillon auf der Buchmesse. Eindrucksvollster Blickfang war eine eigens aus Deutschland eingeflogene Nachbildung der Gutenberg-Druckerpresse aus dem 15. Jahrhundert. In den Regalen lagen 1500 Bücher von etwa 200 Verlegern aus dem deutschsprachigen Raum. Davon war zwar nur ein kleiner Teil in chinesischer Übersetzung vorhanden, doch das Standmanagement hatte eine ausführliche Broschüre in chinesischer Sprache drucken lassen, um die Besucher über den Ablauf der Messe, den deutschen Veranstaltungsplan und die wichtigsten Inhalte zu informieren. "Es ist einfach ein Akt der Wertschätzung, den einheimischen Besuchern der Messe Material in ihrer Muttersprache anzubieten", erklärt Johann Hasreiter, selbständiger Verlagsberater und von der Geschäftsführung der Frankfurter Buchmesse mit dem Management des deutschen Standes auf der TIBE '98 betraut.

Der Schwerpunkt der ausgestellten deutschen Bücher lag bei Kinderbüchern, Kunst und Frauenliteratur. Der deutsche Kinderbuchautor Uwe Timm stellte auf der TIBE die chinesische Übersetzung seines Buches "Die Entdeckung der Currywurst" vor, und der in London lebende Kinderbuchillustrator Alexander Scheffler signierte von ihm bebilderte Bücher.

Von links: Dr. Hilmar Kaht, Generaldirektor des Deutschen Wirtschaftsbüros; Frederic P.N.Chang, Stellvertretender Generaldirektor des GIO; und Roland Ulmer, Aufsichtsratvorsitzender der Messe- und Ausstellungs-GmbH des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Wegen sprachlicher und kultureller Barrieren steckt der bilaterale Buchhandel noch in den Kinderschuhen. Der Verkauf von Kinderbüchern an ausländische Verlage ist dabei noch vergleichsweise unproblematisch, weil in illustrierten Kinderbüchern die Bilder und das Design wichtiger sind als die Geschichte und das Problem der Übersetzung nicht so sehr eine Rolle spielt. Um die Qualität eines Bilderbuchs zu erkennen, muß ein Lektor aus Taiwan also nicht unbedingt Deutsch können.

Beim Ausbau des Handels mit Büchern anderer Themenbereiche ist die Sprachbarriere dagegen ein ernstes Hindernis. Bevor ein taiwanesischer Verlag sich zum Kauf des Copyrights eines deutschen Buches und zur ebenfalls nicht billigen Übersetzung ins Chinesische entschließt, muß er erst einmal feststellen, ob das Buch inhaltlich für die taiwanesischen Leser interessant sein könnte. "Es besteht die Schwierigkeit, daß in Taiwan kaum Lektoren Deutsch lesen können", bedauert Micha Ramm. "Nur sehr wenige deutsche Verlage bereiten kurze Zusammenfassungen ihrer Bücher auf Chinesisch vor, und oft noch nicht einmal auf Englisch", ergänzt Hasreiter.

Ein weiteres Hemmnis für den bilateralen Buchhandel ist nach Ansicht von Peter Weidhaas, daß es zu wenig qualifizierte Übersetzer gäbe. Diese Ansicht wird von Helmut Martin, Professor für chinesische Sprache und Literatur an der Ruhr-Universität Bochum, nicht geteilt. "Das ist einfach nicht wahr", stellt er richtig. Martin sieht das Hauptproblem bei den Übersetzungen vielmehr darin, daß viele Verleger sich gar nicht erst die Mühe machen, Bücher direkt vom Chinesischen ins Deutsche übersetzen zu lassen, sondern sich lieber die englische Übersetzung des Buches besorgen und diese ins Deutsche übertragen lassen. Oft wird in der deutschen Fassung dann aber nicht erwähnt, daß es sich um eine Zweitübersetzung handelt, statt dessen steht dort nur "Deutsch von Soundso". Unter dem indirekten Verfahren der Zweitübersetzung leidet natürlich die Qualität und Genauigkeit der deutschen Fassung. "Das ist eine ganz üble Angelegenheit", kritisiert Prof. Martin. "Und umgekehrt läuft das auch so, wenn beispielsweise taiwanesische Verleger bei Interesse an deutschen Kinderbüchern den deutschen Verleger nach einer englischen Version fragen."

Der Umfang des Buchhandels zwischen der Republik China und der Bundesrepublik Deutschland ist noch relativ gering. "Wir stehen noch ganz am Anfang", bestätigt Peter Weidhaas. Wegen der Sprachbarriere soll auch gar nicht versucht werden, den Vertrieb deutschsprachiger Bücher nach Taiwan anzukurbeln. "Bei der Zusammenarbeit mit taiwanesischen Verlagen konzentrieren wir uns von vorneherein auf Übersetzungen aus dem Deutschen."

Obwohl der Verkauf von deutschen Büchern nach Taiwan schon bescheiden ist, so läuft in umgekehrter Richtung aber noch weniger. "Das Geschäft ist bisher eine Einbahnstraße", räumt Micha Ramm ein. "Der Ravensburger Verlag hat noch keine Bücher aus Taiwan in seinem Programm." Die Zukunftsaussichten sind ebenfalls nicht besonders gut. "Taiwans Literatur hat in Deutschland nur sehr schlechte Vermarktungschancen", urteilt Johann Hasreiter. "Taiwan tut aber auch selbst zu wenig. Die Literaturverleger machen im Ausland zu wenig Werbung."

Auch Prof. Martin ist im Hinblick auf die Verkaufsaussichten von Taiwan-Literatur in Deutschland nicht besonders optimistisch. Dabei sah es noch vor zehn Jahren recht gut aus. "In den achtziger Jahren gab es in Deutschland viel Interesse für China, Taiwan befand sich dabei quasi im Schleppzug", erinnert er sich. "Wegen der politischen Ereignisse hat das Interesse aber stark nachgelassen, und dann zogen sich auch die Verlage zurück." Das betraf die chinesische Literatur vom Festland und aus Taiwan gleichermaßen. Zwar gibt es immer noch Veröffentlichungen, "aber die erreichen keine großen Leserkreise", bemerkt Prof. Martin. Die Zahl der in Deutschland veröffentlichten Bücher aus ganz China war Anfang der neunziger Jahre katastrophal niedrig, obwohl die Universitätsverlage sich dafür mehr engagieren. Zu der Flaute kommt noch erschwerend hinzu, daß in Deutschland der allgemeine Kenntnisstand über Taiwan mangelhaft ist. "In Deutschland fehlt das Grundwissen über Taiwan", sagt Johann Hasreiter. "China lebt noch von seinem Mythos, den Taiwan nicht hat."

Zur Belebung des bilateralen Buchhandels schlägt Prof. Martin vor, daß sich vor zukünftigen Buchmessen eine Kommission von einheimischen Verlegern trifft, von den seit der letzten Buchmesse auf dem Inlandsmarkt erfolgreichsten Büchern Kurzzusammenfassungen in englischer Sprache erstellt und diese Werke in einer Broschüre vorstellt. Auf der Buchmesse könnte man diese Werke dann auf einer eigenen Veranstaltung ausländischen Verlegern vorstellen und ihnen so den Zugang sehr erleichtern. "So kann man beweisen, daß auf dem taiwanesischen Buchmarkt eine Menge los ist", versichert er.

Angesichts des geringen Interesses deutscher Verleger an Literatur aus Taiwan und des als nahezu ausgeschöpft erachteten Entwicklungspotentials des Buchmarktes in Taiwan mag man sich natürlich über das Engagement der deutschen Verleger und der Geschäftsführung der Frankfurter Buchmesse auf der TIBE wundern. Eine Erklärung könnte sein, daß Taiwan von vielen Verlegern als "Sprungbrett" zum chinesischen Festland betrachtet wird.

Tatsächlich sind die Entwicklungsmöglichkeiten des Buchmarktes auf dem Festland gigantisch. Zwar leben in der Volksrepublik China über 50mal mehr Menschen als in Taiwan, aber das Volumen des Buchmarktes ist auf dem Festland noch nicht einmal doppelt so groß wie in Taiwan. Ein direktes Engagement deutscher Verleger auf dem Festland ist zwar möglich und findet auch statt, wird aber durch verschiedene Faktoren erschwert. Zum einen ist die Sprachbarriere auf dem Festland noch höher, weil sehr viele Verleger dort kein Englisch sprechen. Zum zweiten ist die Verlagslandschaft auf dem Festland weniger diversifiziert als in Taiwan, und zum dritten wird der Handlungsspielraum zumindest auf dem Gebiet der Literatur durch die Gefahr politischer Repressionen eingeschränkt. "Weil die deutschen Verleger aber einen Fuß in der Tür haben wollen, ist eine Teilnahme an der Buchmesse in Peking immer ein Muß", stellt Johann Hasreiter fest. Auch nach Prof. Martins Ansicht muß ein Engagement deutscher Verleger auf dem Festland nicht unbedingt über Taiwan laufen, und er weist darauf hin, daß der Bertelsmann-Verlag in Shanghai einen großen Buchclub aufbaut. "Die veröffentlichen zwar nicht, aber dieses Instrument kann später trotzdem eine ganz andere Relevanz bekommen", prophezeit er.

 

Taiwans Verleger sind auf dem chinesischen Festland sehr aktiv. Ihren eigenen Markt betrachten die taiwanesischen Buchhändler als gesättigt, doch der Markt auf dem Festland expandierte laut Auskunft von Prof. Martin 1995 um 35 Prozent und 1996 um 44 Prozent. Sprachliche Barrieren bestehen nicht, und auf dem Festland herrscht ein großes Inter esse an dem planerischen und verlegerischen Know-how aus Taiwan, auch wenn die Festlandsverlage so rückständig gar nicht sind: "Sie haben modernste Arbeitsmethoden", weiß Prof. Martin. Da es in vielen Bereichen wie Wissenschaft oder Kinderbüchern auch keine ideologischen Differenzen gibt, gestaltet sich dort die Zusammenarbeit unkompliziert. Es ist bereits ein übliches Verfahren, daß taiwanesische Verlage auf dem Festland die Urheberrechte anspruchsvoller wissenschaftlicher Publikationen erwerben und in Taiwan auf den Markt bringen.

Das Interesse deutscher Verleger für taiwanesische Verlage mit guten Verbindungen zum Festland ist verständlich, weil die Taiwanesen den Deutschen den Einstieg erleichtern und beim Aufbau von Verbindungen helfen könnten. Allerdings gab es auf der TIBE '98 noch keine Gelegenheit zum Aufbau von Kontakten mit festlandchinesischen Verlegern, weil diese auf der Messe in Taipei -- zumindest offiziell -- nicht vertreten waren, also keine Stände errichtet hatten.

Das Fehlen der festlandchinesischen Verleger auf der TIBE '98 hatte politische Gründe. 450 inländische und 20 ausländische Anträge auf einen Messestand mußten die Veranstalter jedoch aus Platzgründen ablehnen -- so groß war das Interesse. Laut Schätzung der Senseio Business Group, einem Mitveranstalter der Messe, war der Ausstellungsraum um 34 Prozent (!) zu klein. Im Welthandelszentrum Taipei scheint die TIBE dieses Mal an ihre Grenzen gestoßen zu sein. Auch für die Besucher wurde es zumindest am Wochenende eng; insgesamt frequentierten über 300 000 Menschen die Messe. Damit war die TIBE '98 übrigens genauso gut besucht wie die Frankfurter Buchmesse.

Eine der Maßnahmen, mit der das steigende Interesse in Zukunft besser bewältigt werden soll, wurde während der Messe von GIO-Generaldirektor Chen Chien-jen bekanntgegeben: Ab 1999 soll die TIBE nicht mehr alle zwei Jahre, sondern jährlich stattfinden. Außerdem soll sich das GIO, das die Buchmesse finanziert, in Zukunft allmählich von der Organisation zurückziehen und diese in private Hände übergeben. Mit diesem Strukturwandel will das GIO die Buchmesse in Taiwan an den von der Frankfurter Buchmesse vorgegebenen internationalen Standard anpassen.

Die diesjährige Buchmesse in Taipei war die größte Veranstaltung dieser Art in ganz Asien -- und nach Ansicht von Johann Hasreiter auch die professionellste. "Im Vergleich zu den anderen asiatischen Messen ist die TIBE mit führend", kommentiert er. Im Vergleich zu Taipei habe die Buchmesse in Hongkong weder internationalen noch Fachmessencharakter und sei nur von lokaler Bedeutung. An dem organisatorischen Ablauf der TIBE '98 findet auch der seit dreißig Jahren für die Frankfurter Buchmesse tätige Peter Weidhaas nichts auszusetzen. "Da kann man nichts kritisieren, das ist alles sehr positiv", lobt er.

Ein Manko der Messe wird von Prof. Martin aufgezeigt. "Für die internationale Presse gab es nicht eine einzige Kabine, in der man sich zum Arbeiten hätte hinsetzen können, und für Journalisten stand nur ein einziger Computer mit Drucker und ein Kopiergerät zur Verfügung", tadelt er. Bei einer internationalen Messe müsse man auch Journalisten aus aller Welt einladen und ihnen Arbeitsmöglichkeiten bieten. "Da kann man nicht sagen, man habe nicht genug Geld", fügt Martin hinzu.

Der Verlauf der Messe und die Kommentare der Fachleute haben gezeigt, daß die Entwicklung mit der TIBE '98 noch lange nicht abgeschlossen ist. Wenn sich der Ruf der Professionalität weiter verbreitet, die Raumprobleme der Aussteller gelöst werden und die Veranstaltung international mehr Beachtung findet, dann dient das auch der Steigerung des Ansehens der Republik China in aller Welt.

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