28.04.2025

Taiwan Today

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Das Deutsche Kulturzentrum in Taipei

01.07.1998
In der Republik China gibt es keine deutsche Botschaft, aber das 1963 gegründete Deutsche Kulturzentrum übernimmt auch hilfskonsularische Aufgaben.

In der Republik China auf Taiwan existieren heute zwei Repräsentanzen der Bundesrepublik Deutschland: das Deutsche Kulturzentrum (DK) und das 1981 gegründete Deutsche Wirtschaftsbüro. Beide Büros sind zwar offiziell keine Botschaften, sind aber mit (inoffiziellen) Entsandten des Auswärtigen Amtes ausgestattet und nehmen sogenannte “hilfskonsularische” Tätigkeiten wahr, worunter beispielsweise der Visaservice fällt.

Die Aufgabenbereiche des DK und des Deutschen Wirtschaftsbüros -- das von Freies China in der Ausgabe vom November/Dezember 1994 in einem ausführlichen Bericht vorgestellt wurde -- sind relativ klar getrennt. Das Deutsche Wirtschaftsbüro ist eine Vertretung des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) und kümmert sich vornehmlich um bilaterale Wirtschaftskontakte. Die Visa-Abteilung stellt Touristenvisa für die zehn Unterzeichnerstaaten des Schengener Abkommens (Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien) aus. Das DK organisiert den Kultur- und Bildungsaustausch zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik China, bietet Sprachkurse DaF (Deutsch als Fremdsprache) und Lehrerfortbildung an und bearbeitet Anträge auf längerfristige Visa für Sprachschüler, Studenten und Akademiker. Beide Büros werden in Taiwan von Einheimischen als Informationsbörse über Deutschland genutzt.

Zur Zeit seiner Gründung war das DK als erste (und bis 1981 einzige) inoffizielle Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Taiwan nicht so sehr eine Quasi-Botschaft, obwohl es von Anfang an eine Visa-Abteilung gab. Da die Bundesrepublik Deutschland damals noch keine diplomatischen Beziehungen mit der VR China hatte, wäre die Einrichtung einer Botschaft in der Republik China damals leichter gewesen als heute, zumal die Republik China bis 1971 noch Mitglied der Vereinten Nationen war. Das DK wurde 1963 vielmehr als inoffizielle Vertretung des Goethe-Instituts (GI) eingerichtet.

Das GI (offiziell “Goethe-Institut zur Pflege der deutschen Sprache im Ausland zur Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit e. V.”) ist eine gemeinnützige Organisation, die im In- und Ausland Deutschunterricht erteilt und im Ausland Kulturveranstaltungen durchführt oder vermittelt. Nach der Gründung kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1932 machte das GI nach dem Zweiten Weltkrieg 1951 einen Neuanfang. 1959 begann das Auswärtige Amt, dem GI die bundeseigenen Kulturinstitute im Ausland zu übertragen, und das GI unterhielt zeitweise bis zu 170 Zweigstellen in rund 78 Ländern. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Entstehung neuer Republiken wurden dort mehrere neue Niederlassungen gegründet, aber aus finanziellen Gründen mußten in jüngster Zeit auch einige ausländische GIs geschlossen werden. In Deutschland bestehen heute 16 Institute, die Zentralverwaltung residiert in München.

Neben der Veranstaltung von DaF-Sprachkursen fallen auch Kultur- und Bildungsaustausch in das Ressort eines regulären GI im Ausland. Wegen des Fehlens einer deutschen Botschaft in der Republik China kamen beim DK in Taipei von Anfang an noch die hilfskonsularischen Aufgaben sowie die Interessenvertretung für Bundesbürger dazu: Hilfe bei Paßverlust oder -verlängerung, Beistand bei Unglücksfällen oder Rechtsbeistand. “Paßverlust und -verlängerung wird heute beim Deutschen Wirtschaftsbüro erledigt”, teilt Heidegert A. Hoesch mit, die scheidende Leiterin des Deutschen Kulturzentrums. “Wir waren früher zuständig für die deutschen Staatsangehörigen, aber wir mußten das abgeben, als das Wirtschaftsbüro 1994 mit den Entsandten vom Auswärtigen Amt ausgestattet wurde.”

Kompliziert wird die immer noch breite Aufgabenpalette für die Mitarbeiter des DK dadurch, daß manche ihrer Funktionen nicht offiziell beim Namen genannt werden dürfen. Zwar ist das DK voll in die Struktur des GI eingebunden, darf sich aber nicht “Goethe-Institut” nennen, weil es keine diplomatischen Beziehungen zwischen der Republik China auf Taiwan und der Bundesrepublik Deutschland gibt. Aus dem gleichen Grund werden beim DK beantragte Visa mit “Bundesrepublik Deutschland” und nicht mit “Deutsches Kulturzentrum, Taipei” gestempelt. Eigentlich eine absurde Situation, denn das DK darf außer auf der offiziell-politischen Ebene aus dem Inhalt seiner Arbeit kein Geheimnis machen.

Die politisch erzwungene Diskrepanz zwischen Status und Realität hat ganz handfeste Auswirkungen bei Personal und Etat. Das DK -- das offiziell den Status einer “deutsch-ausländischen Kulturgesellschaft” hat -- beschäftigt nur eine Entsandte, nämlich die Leiterin Hoesch (bzw. ab Herbst 1998 ihre designierte Nachfolgerin, Sabine Hagemann-Ünlüsoy, die vorher das GI in Addis Abeba leitete). Der Stab umfaßt nicht mehr als acht Personen, die die gesamte kulturelle Programmarbeit, den Visa- und Bibliotheksservice sowie die Sprachkurse organisieren müssen. Mehr Personal wurde bisher nicht bewilligt. Die Zuschüsse vom Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut machen ohnehin höchstens zwanzig Prozent des Gesamthaushalts aus, der Rest muß mit Sprachkurs- und Visagebühren sowie von Sponsoren und sonstigen Spenden selbst aufgebracht werden.

Ein offizieller Status als Goethe-Institut muß auf der anderen Seite aber keineswegs eine Garantie für ideale Arbeitsbedingungen sein. Das Goethe-Institut in Peking beispielsweise hat zwar diesen Status, unterliegt jedoch im Gegensatz zum DK in Taipei einer Reihe unangenehmer Restriktionen. “Die Genehmigung für Ausstellungen und Theaterveranstaltungen muß das GI Peking jedesmal extra beantragen und darf noch nicht einmal die Höhe der Gebühren für die eigenen Sprachkurse selbst festlegen”, enthüllt Chang Ming-hua, eine studierte Germanistin, die als DK-Vertragslehrerin für die Organisation der Sprachkurse am DK zuständig ist. Im Vergleich zum GI Peking genießt das DK in Taipei eine relativ große Handlungsfreiheit, auch wenn der offizielle Name “Goethe-Institut” fehlt.

Die kulturelle Zusammenarbeit mit dem Gastland war seit jeher eine der zentralen Aufgaben der Goethe-Institute in aller Welt. Dabei gilt das Partnerschaftsprinzip: “Kulturelle Zusammenarbeit bedeutet automatisch, daß man mit einem Partner zusammenarbeiten muß”, weiß Hoesch. “Wir reagieren dabei meistens auf Anfragen, denn wir sind ja keine Missionare.” Die Arbeit des DK konzentrierte sich im Kulturbereich bisher auf Kunstausstellungen und Filmvorführungen sowohl im DK selbst als auch in Museen und Galerien in ganz Taiwan. Musik- und Literaturveranstaltungen spielen vergleichsweise eine geringere Rolle (siehe dazu auch das Interview mit Heidegert A. Hoesch ab Seite 52).

Das DK ist als Vermittler wichtig: Eine kürzlich vom DK mitorganisierte Ausstellung ging zum Beispiel auf eine Anfrage zurück, die vor mehreren Jahren an das DK gerichtet und in der Interesse am “Blauen Reiter” angemeldet worden war. Da die Gemälde aber nur unter großen Schwierigkeiten hätten ausgeliehen werden können, entschloß man sich zu einer in Taiwan bisher unerprobten Ausstellungsform: die Darstellung der Werke auf interaktiven Computerbildschirmen. An drei Computerterminals konnten Besucher nicht nur die auf CD ROM gespeicherten Bilder bewundern, sondern per Berührung am Bildschirm auch noch viele Zusatzinformationen über die Künstler erhalten. Das zweiwöchige Ausstellungsexperiment “Der Blaue Reiter in Cyberspace” fand im Mai dieses Jahres in der Galerie der Eslite-Buchhandlung in Taipei statt.

In der Regel werden in den vom DK organisierten Ausstellungen aber Kunstwerke im Original gezeigt. So waren etwa im Sommer 1993 Werke des Malers und Bildhauers Jörg Immendorff im renommierten Taipei Fine Arts Museum zu sehen, an gleicher Stelle 1994 eine umfangreiche Sammlung des mittlerweile verstorbenen Künstlers Horst Jansen und 1995 moderne Kunst aus Nordrhein-Westfalen. Im Spätsommer 1994 wurde im National Taiwan Art Education Institute die Max-Ernst-Sammlung der Deutschen Lufthansa präsentiert.

Das DK bevorzugt für Kulturveranstaltungen zur Förderung des Partnerprinzips externe Räumlichkeiten wie das Taipei Fine Arts Museum und andere. “Nur wenn alle Stricke reißen und wir wirklich niemanden finden, dann machen wir eine Veranstaltung auch mal im eigenen Haus”, sagt Hoesch. “Außerdem ist unser Auditorium nicht unbedingt so attraktiv, als daß man es als Galerie präsentieren könnte.” Trotzdem werden im DK selbst mindestens einmal pro Jahr Kunstwerke ausgestellt, etwa im April-Mai dieses Jahres die Ölbilder “Gemälde in gebrochenem Taiwanesisch” des Künstlers Thomas Jacobi.

Das DK stellt aber nicht nur deutsche Kunst in Taiwan vor, sondern vermittelt auf der anderen Seite auch einheimische KünstlerInnen nach Deutschland. So schuf etwa der Metallkünstler Kao Tsan-hsing im Rahmen eines internationalen Skulpturworkshops ein bizarres Stahlrohrgebilde mit dem Titel “Der Geist des Konfuzius”, das man heute noch in Katzow bei Greifswald bestaunen kann. “Die waren so begeistert davon, daß sie sich im Jahr darauf wieder einen Künstler aus Taiwan wünschten”, freut sich Hoesch.

Mitunter bergen die kulturellen Vermittlungsbemühungen des DK auch eine gewisse politische Brisanz: Im September dieses Jahres soll die Malerin Wei Shanshan(魏珊珊), die in Deutschland lebende Schwester des festlandchinesischen Regimekritikers Wei Jingsheng(魏京生), der unlängst nach insgesamt 18jähriger Haft ins US-amerikanische Exil entlassen wurde, in Taipei ausstellen. Im kommenden Frühjahr steht ein Besuch der Kölner Publizistin und Frauenrechtlerin Alice Schwarzer in Taiwan auf dem Programm.

Ein Mittelding zwischen Literatur und nonverbalen Kulturformen wie Malerei ist der Film. “Wir haben seit 1994 ziemlich viel Filmarbeit gemacht”, teilt Frau Hoesch mit. Es fanden Retrospektiven zu Reinhard Hauff und Werner Herzog mit Partnern wie der chinesischsprachigen Tageszeitung Minsheng Daily oder dem Nationalen Filmarchiv Taiwan statt. Gezeigt wurden unter anderem auch verbotene Filme der DDR und Streifen mit Klaus Kinski.

Wegen der großen Entfernung zwischen Taiwan und Deutschland werden viele vom DK mitorganisierte Kulturveranstaltungen nicht nur auf Taiwan beschränkt: Künstler werden bei ausreichendem Interesse in mehreren Ländern quasi durch die ganze ostasiatische Region “weitergereicht”. “Das DK ist voll in die Region mit einbezogen”, berichtet Hoesch. “Jörg Immendorff war zum Beispiel erst in Ôsaka gezeigt worden und kam dann auf dem Rückweg von Japan hierher. Wir haben eine Reihe von Künstlern hier gehabt, die durch die ganze Region gereist waren.”

Auf diese Weise kam auch der Besuch der Choreographin und Leiterin des Wuppertaler Tanztheaters Pina Bausch mit ihrer Truppe in Taipei zustande. Als Pina Bausch im Oktober 1996 in Hongkong gastierte, erreichte Hoesch nach Gesprächen dort eine Ausdehnung des Tourneeplans auf Taipei. Bauschs drei Aufführungen des Stückes “Nelken” im März 1997 waren ein überwältigender Erfolg: “Die Leute haben auf den Stühlen gestanden und ‘Da capo!’, ‘Encore!’ gerufen”, erinnert sich Hoesch. “Pina Bausch war zwar bekannt in Taiwan, aber vorher noch nie hier gewesen. Als sie dann nach fünf Tagen abreiste, sagte sie in einem Interview mit Blick auf die Veranstalter vom National CKS Cultural Center, ‘It’s hard to leave Taipei’.”

Das Organisieren solcher Veranstaltungen ist aufwendig und erfordert viele internationale Telefonate, Faxe und natürlich Geduld und Beharrlichkeit. “Wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich nicht alle so hingebungsvoll und engagiert einsetzen würden, könnten wir nicht so viel schaffen”, lobt Patricia Kortmann, die seit vier Jahren als Koordinatorin des Kulturprogramms im DK für die Kulturarbeit zuständig ist.

Ein weiteres Tätigkeitsfeld des DK ist der akademische Austausch zwischen der Republik China und der Bundesrepublik Deutschland. In diesem Bereich arbeitet das DK eng mit dem DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) zusammen. Gewöhnlich operiert der DAAD im Ausland über ein DAAD-Regionalbüro oder die deutsche Botschaft im jeweiligen Land, doch weil es in Taiwan keine deutsche Botschaft gibt, dient das DK seit seinem Bestehen dem DAAD als Anlaufstelle.

Bei dieser Kooperation steht die Auswahl von Stipendiaten und der weitere Akademikeraustausch im Mittelpunkt. “Der DAAD ist der Ansprechpartner für Akademiker, die sich in irgendeiner Form für Deutschland interessieren und an deutscher Forschung und Wissenschaft teilhaben wollen”, erläutert Hoesch. Für qualifizierte taiwan-chinesische Wissenschaftler gibt es eine Reihe von Stipendienmöglichkeiten. “Wir haben die Aufgabe, in Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium der Republik China und dem DAAD alles vorzubereiten, die Auswahl vorzunehmen, mit den DAAD-Lektoren die Sprachkenntnisse der Bewerber zu prüfen, die Fachprofessoren auszuwählen, die Interviews durchzuführen und dann am Ende das Resultat dem DAAD zuzusenden.”

Über das DK organisiert der DAAD zum Teil auch Austauschaktivitäten wie das “Projektbezogene Personenaustauschprogramm” (PPP). “Dieses Programm bezieht sich auf Projekte, bei denen junge Forscher und Wissenschaftler gemeinsam arbeiten, sich gegenseitig in ihren Ländern besuchen, unterstützen und dann wissenschaftlich dieses Projekt zu Ende führen”, erklärt Hoesch. Daran wie auch an Hochschul-Sommerkursstipendien sind nicht nur der DAAD und das DK auf der einen Seite beteiligt, sondern auch der Nationale Wissenschaftsrat der Republik China ( National Science Council, NSC) auf der anderen Seite.

Für eine signifikante Ausdehnung des bilateralen Bildungsaustausches ist das DK allein natürlich nicht stark genug; auch die Bildungseinrichtungen in Deutschland planen nun die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen. Bisher war die Bundesrepublik Deutschland als Bildungsstandort für viele Taiwanesen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und den USA wegen der Sprachbarriere und der langen Studiendauer nicht sehr attraktiv. Doch mittlerweile scheint ein wenig Bewegung ins starre deutsche Bildungssystem gekommen zu sein: “In den neuen Bundesländern haben jetzt schon viele Universitäten Bachelor- und Magisterkurse auf Englisch eingeführt”, weiß Hoesch. “Das reicht aber nicht, und außerdem ist das Wissen darüber im Ausland noch nicht sehr verbreitet.” Hoesch wünscht sich daher ein verstärktes Engagement und mehr Werbung der deutschen Seite bei Bildungsmessen (educational fairs) in Taiwan.

Da akademisches Wissen über Deutschland in Taiwan vor allem über die Universitäten vermittelt wird, arbeitet das DK eng mit den Germanistikabteilungen der Universitäten und Fremdsprachencolleges zusammen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Lehrerfortbildung. “Unsere Zusammenarbeit mit den Germanistikabteilungen ist sehr eng in Bezug auf Lehrerfortbildung in Deutschland und auch durch unsere regelmäßig im DK stattfindenden Fortbildungsseminare zu verschiedenen didaktischen und methodischen Fragen”, berichtet Hoesch. Fortbildungsseminare im DK zu Themen wie “Fertigkeit Schreiben”, “Textbuchanalyse” oder “Qualifikation zum Hilfsprüfer für die Prüfung ‘Zertifikat Deutsch als Fremdsprache’” werden allerdings nicht nur von einheimischen Deutschlehrern besucht, sondern locken auch Muttersprachler an, die als Dozenten an Lehranstalten in Taiwan beschäftigt sind. Das Interesse an diesen Seminaren im DK wird in Zukunft mit Sicherheit noch zunehmen, weil man an einigen Oberschulen Taiwans seit Herbst 1996 auch Deutsch als zweite Fremdsprache wählen kann und daher mehr Deutschlehrer beschäftigt werden.

Von Anfang an verfügte das DK über eine Visaabteilung, eine Bibliothek -- und natürlich auch über eine Sprachkursabteilung, in der Einheimischen Deutschkurse der verschiedenen Schwierigkeitsgrade angeboten werden. Die Staffelung nach Grundstufe, Mittelstufe und Oberstufe ist mit dem System des Goethe-Instituts in Deutschland identisch, damit Sprachschüler, die am DK etwa die Grundstufe I erfolgreich abgeschlossen haben, bei Interesse nahtlos an jedem GI der Welt mit einem Kurs der Grundstufe II anknüpfen können.

Genau wie beim GI ist das Studienjahr des DK in vier Quartale unterteilt, und die in einem Quartal angebotenen Kurse haben je nach Wochenstundenzahl verschiedene Intensivgrade. Durchschnittlich sind immer zwischen 500 und 1000 Deutschlernende an der Sprachkursabteilung angemeldet, wobei im Sommer mehr los ist als im Winter. Die Tendenz der Anmeldungen ist zwei Jahren allerdings fallend: “Der Höhepunkt der Euphorie über Deutschlands Wiedervereinigung ist vorüber, und das positive Image Deutschlands in Taiwan hat sich nach Einsetzen der Wirtschaftskrise und den ausländerfeindlichen Ausschreitungen getrübt”, interpretiert Chang Ming-hua.

In der Regel hat eine Klasse 10 bis 20 Schüler. “Bei höheren Kursstufen richten wir aber schon bei acht oder neun Anmeldungen einen Kurs ein, weil wir als DK die Verantwortung haben, auch den Fortgeschrittenen Kurse anzubieten”, sagt Chang. Die Anmeldungen für Kurse der Mittel- und Oberstufe sind nicht besonders zahlreich, dafür hat die Sprachkursabteilung nach Angaben von Hoesch einen sehr breiten Grundstufenlevel. Besucht werden die Kurse sowohl von Berufstätigen als auch von UniversitätsstudentInnen, wobei die Zahl der letzteren überwiegt.

Kürzlich führte das DK unter den Sprachschülern eine Fragebogenaktion durch. Es zeigte sich, daß die Motive fürs Deutschlernen ebenso verschieden sind wie die Sprachkursteilnehmer. Berufstätige besuchen die Kurse, weil sie beruflich Deutschkenntnisse benötigen, oder auch aus privatem Interesse. Universitätsstudenten sind meist Germanist/inn/en, denen der Sprachunterricht an den Unis nicht ausreicht. Die meisten Sprachkursteilnehmer wollen aktiv sprechen lernen -- mit Ausnahme der Jurastudenten: Da sich das teilweise noch im Aufbau befindliche Rechtssystem der Republik China auf Tai wan am deutschen Rechtssystem orientiert, müssen Jurastudierende in Taiwan ständig deutsche Gesetzestexte lesen. Für diese Gruppe steht daher der Erwerb von Lesefähigkeiten im Vordergrund.

Das DK beschäftigt derzeit auf Honorarbasis 15 Deutschlehrkräfte, davon acht Muttersprachler. Einstellungsbedingung für die Muttersprachler ist Lehrerfahrung im Fach DaF, die Qualifikation wird auch in einer Lehrprobe überprüft. Im Kollegium herrscht Teamgeist; die Lehrer tauschen sich häufig darüber aus, wie bestimmte Übungen aus dem Lehrbuch im Unterricht praktisch gelaufen sind, und geben einander Tips über ergänzendes Lehrmaterial. Gerade in der Grundstufe konzentriert sich der Unterricht auf das Üben der für Taiwanesen oft schwierigen deutschen Aussprache und Anwendungsübungen der komplizierten deutschen Grammatik. Statt eines altmodischen Sprachlabors verwenden viele Lehrer im Unterricht bei Bedarf Overheadprojektoren oder Videos und demnächst, so hofft Hoesch, auch PCs und CD ROMs.

Die Prüfung zum “Zertifikat Deutsch als Fremdsprache” (ZDaF) markiert das Ende der Grundstufe und wird am Ende jedes Quartals im DK abgenommen. Als Ansporn winkt dem Prüfungsbesten ein einmal pro Jahr vergebenes Vollstipendium für einen maximal zweimonatigen Sprachkurs an einem GI in Deutschland inklusive Flug, Unterkunft und allem Drum und Dran. Pro Jahr nehmen durchschnittlich 40 bis 60 Grundstufenabsolventen an der Prüfung im DK teil. Da die ZDaF-Prüfung ein vom Goethe-Institut vorgegebener Standard ist, haben in Taiwan die Germanistikabteilung der Fu Jen Catholic Univer sity sowie das Fremdsprachencollege Wen-Tzao Ursuline Junior-College of Modern Languages in Kaohsiung diese Prüfung als Zwischenprüfung fest in ihre Curricula eingebaut. Die Studierenden dieser Lehranstalten müssen zur Prüfung daher nicht extra beim DK antreten, sondern die Prüfung wird von offiziell Prüfungsberechtigten vor Ort abgenommen.

Die Sprachausbildung ist aber nicht nur für Schüler, Studenten und Privatpersonen gedacht, sondern auch für einheimische Deutschlehrer. In diesem Bereich überschneidet sich die Arbeit der Sprachabteilung mit den Bildungsaustausch-Aktivitäten des DK: Jedes Jahr vergibt das DK drei Vollstipendien für einheimische Deutschlehrer, die so zwei Wochen bis vier Monate an einer Lehrerfortbildung in Deutschland teilnehmen können. “Die Stipendiendauer ist flexibel, weil nicht alle Deutschlehrer vier Monate von Taiwan wegbleiben wollen oder können, und es hängt auch von den Seminarthemen am GI ab”, begründet Chang Ming-hua. Ein solcher Studienaufenthalt in Deutschland vermehrt nicht nur das Fachwissen der taiwanesischen Deutschlehrer, sondern frischt auch ihre zuweilen eingerosteten Deutschkenntnisse wieder auf.

Die Einnahmen durch die Sprachkursgebühren sind übrigens nicht so üppig, wie man meinen möchte, sondern reichen eben für die Bezahlung der Lehrer und gelegentliche Anschaffung von zusätzlichen Lehrmaterialien. “Der materielle Gewinn soll auch nicht das Hauptziel sein”, sagt Chang mit besonderem Nachdruck. “Die Sprachkursabteilung ist keine Geldmaschine für das DK und soll auch keine sein. Ich sehe vor allem die Aufgabe, den Standard der DaF-Sprachkurse auf einem hohen Niveau zu halten.” Rein kommerzielle Ziele widersprächen auch dem gemeinnützigen Geist des dem DK zugeordneten Goethe-Instituts.

In der Anfangszeit des DK in den sechziger Jahren war die Bibliothek eigentlich nichts weiter als eine Leihbücherei. Deutsche Bücher gab es damals außer vielleicht in Privatbesitz nirgends, und deutsche Zeitschriften oder Zeitungen gab es in Taiwan erst recht nicht. Der Aufgabenbereich der Bibliothek hat sich in den letzten Jahren aber beträchtlich erweitert: Heute ist sie eine Anlaufstelle für Einheimische mit Informationen aller Art über Deutschland.

Dieses Angebot wird von den Einheimischen weidlich ausgenutzt. “Die Bearbeitung von Auskunftsersuchen nimmt sechzig bis siebzig Prozent meiner Arbeitszeit in Anspruch”, bemerkt Eva Triendl, seit fünf Jahren Bibliothekarin im DK. Die Fragen drehen sich häufig um das Bildungssystem und die Studienbedingungen in Deutschland; Triendl macht mit anderen Worten viel Studienberatung -- meist auf Chinesisch, denn viele Besucher des Informationszentrums sprechen kein oder nicht ausreichend Deutsch.

Oft kommen die Auskunftssuchenden gar nicht mehr persönlich ins DK, sondern stellen ihre Fragen telefonisch, per Fax oder E-Mail. Dem vertrauteren Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln entspricht auch ein gewachsenes Selbstbewußtsein: Mit allgemeinen Auskünften lassen sich die Fragenden heute nicht mehr abspeisen, sondern wollen alles ganz genau wissen. Triendl hat deswegen immer die genauen Adressen von allen höheren Lehranstalten in der Bundesrepublik Deutschland parat oder kann auch per CD ROM oder Internet Auskunft darüber erteilen, um wieviel Uhr beispielsweise der ICE von Hannover nach Hamburg fährt oder wann zum nächsten Münchner Oktoberfest der Bieranstich stattfindet.

Der Bestand der Bibliothek ist ganz auf die Bedürfnisse der einheimischen Benutzer zugeschnitten. In dem mit gut 100 Quadratmetern relativ kleinen, langgestreckten Raum füllen 3000 Bücher die Regale, daneben gibt es noch 15 Zeitschriften und 2 Zeitungen (die Frankfurter Allgemeine und die Zeit). Wegen des begrenzten Raumes erfolgt die Auswahl der Bücher nicht aufs Geratewohl. Klassiker und moderne deutsche Literatur sind zwar vorhanden, bilden aber nicht den Schwerpunkt, weil die überwiegende Mehrheit der Besucher sowieso nicht sehr gut Deutsch kann und nicht zum Schmökern herkommt. Dagegen gibt es allgemeine Nachschlagewerke, landeskundliches Material und viele Lehrbücher für DaF.

Veraltetes Material wird systematisch ausrangiert. “Bücher über die aktuelle Situation in Deutschland veralten schnell”, betont Triendl. Bei Neuanschaffungen ist man wegen des Platzmangels ebenfalls sehr wählerisch -- Exotisches kommt nicht ins Regal. Neuaufnahmen müssen immer einen Deutschlandbezug haben, wobei neben Printmedien neue Medien wie Vid eos, CDs, Dias, Audio-Cassetten sowie CD ROMs eine immer größere Rolle spielen. “Das ‘Verzeichnis lieferbarer Bücher’ nimmt in Buchform zwei Regalreihen ein, paßt aber auf eine CD ROM”, verrät Triendl. “Die Anschaffung von CD ROMs ist zwar teuer, aber trotzdem manchmal besser als 2000 neue Bücher.”

Die Inhalte der visuellen Medien sind recht breit gefächert. Es gibt Dias über Landeskunde, Gesellschaft und Geschichte sowie Videos über Literatur und Kunst -- überraschenderweise aber wenig Spielfilme, was eine Kostenfrage ist: “Deutsche Institutionen können Filme nur dann anbieten, wenn sie auch die Lizenzen kaufen”, klärt Triendl auf.

Abgesehen von den Nachschlagewerken können alle Printmedien ausgeliehen werden. Diebstähle kommen in der werktags (außer montags) von 14.30 bis 21 Uhr geöffneten Bibliothek zwar nur ganz selten vor, aber die Rückgabe entliehener Bücher muß schon mal angemahnt werden. “Die Leute vergessen das einfach, aber nicht aus böser Absicht”, beschwichtigt die Bibliothekarin.

Der Trend zu neuen Medien wird von der Bibliothek bewußt gefördert. Man arbeitet an der Erstellung einer Internet -Website der Bibliothek, und demnächst soll auch der Katalog der Bibliothek übers Netz abrufbar sein. Triendl: “Die meisten Goethe-Institute haben ihre Bibliotheken mittlerweile auch online.”

Zur Zeit wird die Bibliothek umgeräumt. Als früher mehr Leute persönlich in die Bibliothek kamen, war der Sitzplatzbedarf größer. Mindestens zwei der Tische werden nun mit Computerterminals ausgestattet, an denen Besucher CD ROMs aus Bibliotheksbeständen einsehen können.

Viele Verbesserungswünsche der Bibliothekarin lassen sich aber aus Geld- und Personalmangel noch nicht verwirklichen. Eine Öffnung der Bibliothek an Vormittagen, die Anschaffung neuer Medien, die komplette Modernisierung der vorhandenen Ausstattung und die räumliche Erweiterung der Bibliothek sind bis auf weiteres noch auf der Wunschliste.

Die organisatorische Trennung zwischen dem DK und dem Deutschen Wirtschaftsbüro ergibt sich aus den unterschiedlichen Arbeitsbereichen der beiden Büros. Dennoch wird immer wieder diskutiert, ob man die beiden deutschen Repräsentanzen räumlich nicht zusammenlegen soll. Im DK selbst ist man sich in dieser Frage nicht völlig einig. “Wir haben nichts dagegen”, meint Hoesch. “Eine Zusammenlegung würde zweifellos bestimmte synergetische Effekte und Einsparungen ermöglichen. Nach außen müßten wir dann aber wahrscheinlich unsere Selbständigkeit aufgeben.”

Praktische und finanzielle Gründe sprechen eher gegen eine Zusammenlegung. Das Deutsche Wirtschaftsbüro residiert im Norden Taipeis in einem Viertel, wo viele internationale Firmen ihre Niederlassung haben und die gewerblichen Mieten entsprechend hoch sind. Das DK dagegen liegt im Süden der Stadt in einer preiswerteren Gegend, nicht weit von der Pädagogischen Hochschule und der National Taiwan University (NTU) entfernt. Die Lage im Geschäftsviertel ist für das Deutsche Wirtschaftsbüro ideal, und die Uninähe ist für das DK wegen der vielen studentischen Sprachkursteilnehmer besonders günstig. “Da will keiner umziehen”, findet Triendl. Auch Chang Ming-hua hält einen Umzug des DK in das Geschäftsviertel nicht für realisierbar, weil die Mieten dort für das DK unbezahlbar wären.

Statt dessen wird der Aus- und Umbau des DK geplant. Im Gebäude, das das DK beherbergt, wurden bereits 1996 Büroräume angemietet, die zu Klassenräumen umgebaut werden sollen. Die Mittel dafür sind bewilligt, und im kommenden Winter -- wenn wegen der niedrigeren Sprachschülerzahlen bessere räumliche Ausweichmöglichkeiten bestehen -- wird der Umbau endlich über die Bühne gehen.

Eine Verbesserung der Unterbringung entspricht auch den Wünschen der Leiterin des DK. Darüberhinaus befürwortet Hoesch aber auch personelle und materielle Verbesserungen für das DK: “Das Institut sollte seinen Fähigkeiten und seiner Umgebung entsprechend ausgestattet werden, und zwar sowohl personell als auch finanziell”, fordert sie. “Dann könnte man beispielsweise auch die akademische Präsenz in Taiwan intensivieren. Allein die Franzosen haben jetzt 32 Entsandte, und die Briten sind hier inzwischen mit dem British Council vertreten.”

Das verstärkte Engagement Frankreichs und Großbritanniens unterhalb der Schwelle der völkerrechtlichen Anerkennung ist zwar zu begrüßen, reicht aber nicht aus. Die Republik China ist seit 1912 -- unverändert bis heute, trotz der kommunistischen Machtübernahme auf dem Festland im Jahre 1949 -- ein souveräner Staat und ist nach Beginn des Wirtschaftsaufschwungs in den siebziger Jahren und der atemberaubenden Demokratisierung seit 1987 den westlichen Demokratien in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht prinzipiell ebenbürtig. Pekings Blockadepolitik auf der internationalen Bühne hat jedoch bisher verhindert, daß die Republik China auf Taiwan den ihr zustehenden politischen Status sowie Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen und anderen internationalen Gremien erhält.

Die chinesische Version der Hallstein-Doktrin verhindert immer noch eine parallele offizielle Anerkennung der Republik China und der VR China durch andere Staaten, aber in jüngster Zeit hat sich das Klima über die Taiwanstraße trotzdem leicht verbessert: Die 1995 abgebrochenen bilateralen Gespräche wurden in kleinem Rahmen mittlerweile wieder aufgenommen, und am 14. Juli dieses Jahres traf die Ministerin für Wissenschaft und Technologie der VR China, Zhu Lilan, zu einem neuntägigen Besuch in Taipei ein -- der erste offizielle Besuch eines Regierungsmitglieds der VR China in Taiwan überhaupt.

Dieses Tauwetter über die Taiwanstraße läßt die Hoffnung zu, daß in Zukunft eine offizielle Entsendung von Beamten des Auswärtigen Amtes nach Taiwan möglich werden könnte. Das wäre eine erfreuliche Entwicklung auf dem Weg zur Annäherung und Wiedervereinigung Chinas -- und sicher auch im Interesse des Goethe-Instituts und des Deutschen Kulturzentrums, denn die durch einen offiziellen Status mögliche Aufstockung bei Personal und Etat könnte die Vielfalt des kulturellen Austausches zwischen der Republik China auf Taiwan und der Bundesrepublik Deutschland sehr erhöhen.

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