Ausländische Kalender wurden in China ebenfalls schon recht früh bekannt. In der Tang-Dynastie (618-906) kam der Hindu-Kalender ins Reich der Mitte, im 13. Jahrhundert tauchte der islamische Kalender auf, und Ende des 16. Jahrhunderts führten jesuitische Missionare den Gregorianischen Kalender ein. Letzterer wurde im Jahre 1912 offiziell von der Regierung der Republik China angenommen und ersetzte den bis dahin üblichen Mondkalender. Die hohen chinesischen Feiertage werden jedoch bis heute nach dem Mondkalender festgelegt.
Wann die Chinesen allerdings damit anfingen, Tiersymbole für die Kennzeichnung von Geburtsjahren zu verwenden, lässt sich heute nicht mehr nachweisen. Früheste Hinweise finden sich in dem Buch der Lieder(詩經), einer Gedichtesammlung aus der frühen Chou-Dynastie (ca. 1000-221 v. Chr.), oder auf ausgegrabenen Bambusstreifen in einem Grab aus der Ch'in -Dynastie (221-207 v. Chr.).
Die Gründe für die Reihenfolge der Tiere im chinesischen Tierkreis(生肖) sind ebenfalls im Dunkel der Geschichte versunken. Eine der Legenden besagt, dass Buddha vor seiner Abreise von dieser Welt alle Tiere zum Besuch herbei zitierte. Es erschienen jedoch nur 12 Tiere, und Buddha benannte zur Belohnung jeweils ein Jahr nach ihnen, in der Reihenfolge ihrer Ankunft. Einer anderen Geschichte nach hatte der legendäre Gelbe Kaiser (Huang Di黃帝) die zwölf Tiere als seine Leibwache angeheuert, und auch hier wurde die Reihenfolge nach ihrer Ankunft festgelegt.
In der Späteren Han-Dynastie (23-220 n. Chr.) hielt der Gelehrte Wang Chung (王充,137-192) eine Kombination der zwölf Erdzweige(地支) und der zwölf Tierkreiszeichen zur Benennung der Geburtsjahre fest. In der Sung-Dynastie (960-1279) erwähnte der berühmte Philosoph Chu Hsi (朱熹,1130-1200) die Möglichkeit, dass die Reihenfolge nach den Stunden des Tages festgelegt sei, in denen diese Tiere naturgemäss am aktivsten seien. Ein späterer Gelehrter, Wang Shou-jen (王守仁,1472-1529), mutmaßte, dass die Tiere mit einer geraden oder ungeraden Anzahl ihrer Zehen abwechselnd angeordnet seien. (Die Redaktion von Freies China konnte leider nicht in Erfahrung bringen, wie viele Zehen laut Wang eine Schlange hat.)
Zusätzlich wird angenommen, dass die Fünf Elemente(五行) der chinesischen Naturphilosophie -- Wasser(水), Holz(木), Feuer(火), Erde(土) und Metall(金) -- jeweils einen stärkenden oder schwächenden Einfluss auf die Charaktereigenschaften eines Tierkreiszeichens haben. Das im Februar beginnende Mondkalenderjahr ist das Jahr des "Metalldrachen", und das 2012 beginnende darauffolgende Drachenjahr wird unter dem Einfluss des Wassers stehen. Wer in einem Metalljahr zur Welt kommt, hat angeblich eine kraftvolle Persönlichkeit und einen starken Willen, wogegen "wässrige" Menschen freundlich und unbeschwert sein sollen.
Traditionell werden jedem Tier im Tierkreis bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, die sich dann auf den Charakter der in dem betreffenden Jahr geborenen Person übertragen. Wer in den zwölf Monaten nach dem 5. Februar 2000 geboren wird, ist ein Drache -- allerdings hat der chinesische Drache mit den im Westen gefürchteten feuerspeienden Ungeheuern nichts gemein. In China ist der Drache ein Glückssymbol, und wer im Drachenjahr geboren ist, sollte über einige der Wesenszüge eines Drachen verfügen, darunter Mut und Führungsqualitäten.
Die zugeschriebenen Eigenschaften scheinen lediglich auf der traditionellen Einstellung der Chinesen dem betreffenden Tier gegenüber zu beruhen und haben keine nachweisbare wissenschaftliche Basis. So ist auch nicht jeder mit der Liste von Charaktereigenschaften einverstanden, die zur Erhöhung der Konfusion obendrein auch noch positiv oder negativ interpretiert werden können.
Jedes Tier aus dem Tierkreis hat nicht nur gute, sondern auch schlechte Eigenschaften. Im Jahr des Büffels geborene Menschen sind angeblich stur, "Affen" hält man für gerissen und frech, das Schwein gilt als faul, die Schlange als kaltblütig. Wenn die Chinesen sich aber über ein neu geborenes Baby freuen, denken sie selbstverständlich nur an die positiven Eigenschaften.
Wenn Menschen zusammen leben, treffen unvermeidlich verschiedene Tierkreiszeichen aufeinander, von denen manche dem Volksglauben nach gut und manche weniger gut miteinander auskommen. Einige abergläubische Liebespaare ziehen das in Erwägung, wenn sie ans Heiraten denken, und wenn die Beziehung vorher die Brüche geht, kann man das bequemerweise auf eine ungünstige Kombination schieben. Zwei "Tiger" beispielsweise sollten nicht unter einem Dach leben, weil ein Tiger sein Territorium gegen jeden anderen eindringenden Tiger verteidigt. Eine Ehe zwischen einem männlichen Drachen und einem weiblichen Hahn wird dagegen als himmlische Verbindung gepriesen, weil die "Henne" bei den Chinesen als weiblicher Phönix geschätzt wird -- das einzige Tier, das als ebenso edel wie der Drache gilt.
Die heutigen jungen Leute scheren sich allerdings nicht mehr sonderlich um die alten chinesischen Mythen. Bei der Familienplanung gewinnen diese aber wieder stärkere Bedeutung, und man darf sicher annehmen, dass im kommenden Drachenjahr Taiwans Geburtenrate steigen wird. Laut Bevölkerungsstatistiken des Innenministeriums der Republik China werden in Drachenjahren normalerweise mehr Kinder geboren als in anderen Jahren, was nicht unbedingt Zufall sein muss. Nicht umsonst haben die zwölf Tierkreiszeichen als Teil der chinesischen Kultur viele Jahrhunderte überdauert.
Es folgt nun eine Liste mit den wichtigsten Eigenschaften, die jedem Tier zugeschrieben werden. Der Leser sollte diese Liste jedoch nicht für bare Münze nehmen, und die Redaktion von Freies China übernimmt keine Haftung, wenn Paare sich nach der Lektüre dieser Liste verkrachen.
Ratte(鼠): Fleißig, aufmerksam, schnell, sparsam.
Büffel(牛): Ehrlich, ruhig, zuverlässig, zielstrebig, konservativ.
Tiger(虎): Mutig, kraftvoll, aggressiv, abenteuerlustig.
Hase(兔): Ruhig, freundlich, sanft, effizient.
Drache(龍): Extrovertiert, energisch, selbstsicher, mutig.
Schlange(蛇): Intelligent, gelassen, einzelgängerisch, ausweichend.
Pferd(馬): Direkt, unabhängig, elegant, stolz, selbstsicher.
Schaf(羊): Kreativ, gesellig, großzügig, überzeugend.
Affe(猴): Intelligent, phantasievoll, neugierig, sprunghaft, frech.
Hahn(雞): Intelligent, humorvoll, selbstsicher, ehrgeizig -- manchmal unrealistisch.
Hund(犬): Direkt, freundlich, treu, ängstlich, stur.
Schwein(豬): Optimistisch, verständnisvoll, humorvoll, selbstlos.