05.05.2025

Taiwan Today

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Mens sana in corpore sano

01.09.2000
Citius, fortius, altius. Sportunterricht fördert auch die Entwicklung eines gesunden Ehrgeizes und Teamgeist bei Mannschaftssportarten.

Es ist neun Uhr morgens, und das Wetter ist gut. Außerhalb des Klassenraums beginnen zwanzig aufgekratzte Vorschulkids mit ihrem Aufwärmtraining. " Seid ihr fertig?" fragt der Lehrer. "Dann mal los! Wer kann am weitesten springen? Und wer hat das breiteste Lächeln?" Musik setzt ein, und die Dreikäsehochs hopsen umher, ein fröhliches Lied singend.

Bei diesem Kindergarten beginnt jeder Tag mit Freiübungen, und laut Kuo Hsia-ju, der Leiterin des Kindergartens, ist das bei den Kindern auch die beliebteste Veranstaltung. "Grundlegendes Ziel dabei ist, dazu beizutragen, dass die Kinder gesund und glücklich aufwachsen", beteuert Kuo. "Deswegen legen wir den Schwerpunkt auf das Sportprogramm. Die Kleinen sollen sich anstrengen, aber man sieht sie dabei auch immer verzückt lachen." Kuo betrachtet es als essenziell für die Schule, für die Kinder geeignete Freiluftaktivitäten zu organisieren, damit sie sich schon im zarten Alter an Sport gewöhnen können.

Das von der Schule angewandte Programm war auf Veranlassung des Bildungsministeriums der Republik China von einer Gruppe aus Professoren, Lehrern und Sportfachleuten entworfen worden. Ähnliche Programme gibt es seit Jahren in zahlreichen anderen Grund- und Oberschulen der Insel, aber erst vergangenes Semester wurde das Programm auch auf Kindergärten ausgedehnt.

Die Förderung von gesundem Sport ist ein Kernpunkt im mittelfristigen Fünf-Jahres-Plan für Leibeserziehung (1998 -2002) des Bildungsministeriums, der bei Taiwans Schülern die Liebe zum Sport pflegen soll. Man erhofft sich davon, dass der Anteil der Schulkinder von der Grundschule bis zum College, die regelmäßig Sport treiben, von derzeit 25 Prozent auf 35 Prozent im Jahre 2002 steigen wird. Das Bildungsministerium will Nägel mit Köpfen machen: Für das Programm wurde ein Gesamthaushalt von nicht weniger als 180 Millionen US$ bereitgestellt. Mit dem Geld sollen Schulen ihre Sportanlagen und -plätze verbessern, Forschung und Entwicklung gefördert, Sportklubs eingerichtet und Wettbewerbe organisiert werden.

Das Expertenteam des Ministeriums versucht das Projekt durch die Formulierung des so genannten "333-Fitnessplans" auch für Kinder interessant zu machen und wendet sich damit an Grund- und Oberschulen. Die Schulkinder werden ermutigt, drei Mal die Woche jeweils mindestens eine halbe Stunde Sport zu treiben, wobei die Pulsfrequenz zwischenzeitlich auf 130 Schläge pro Minute oder mehr steigen soll, je nach ihrer körperlichen Verfassung. Da man bekanntlich die Fortschritte verfolgen muss, hat das Ministerium auch einen " Fitness-Pass" erdacht, in dem die Schüler ihre Leistungen, die zu ihrer Erbringung angewandten Methoden und Wettkampfergebnisse eintragen können. Schüler mit herausragenden Leistungen erhalten Medaillen oder andere Preise.

Bisher haben über eine Million Schulkinder von der ganzen Insel an dem Programm teilgenommen. Im vergangenen Jahr unternahm das Bildungsministerium häufige Informationsreisen zu Grund- und Oberschulen, um sich ein Bild von der Umsetzung der Leibeserziehung und anderer außerlehrplanmäßiger Veranstaltungen im Hinblick auf Lehrinhalte, Häufigkeit der Veranstaltungen sowie Verwaltung der Sportanlagen und -plätze zu machen.

Auf dem Papier schaut das alles wunderhübsch aus, und es gibt auch berechtigten Grund zu der Hoffnung, dass in der Zukunft die Leibeserziehung der Kinder aller Altersstufen von der Regierung kompromisslos garantiert wird. Aber dieser Ansatz ist relativ neu und unerprobt. Zwar ist Sport seit langem in allen Grundschulen, Oberschulen, Colleges und sogar Universitäten Pflichtfach, in der Praxis jedoch wurde dem Sportunterricht nur ein Minimum an Stunden eingeräumt, um den Schülern mehr Zeit für die Vorbereitung auf die wichtigen Oberschul- und College-Aufnahmeprüfungen zu geben. Kurz vor den regulären Semesterzwischen- und Abschlussprüfungen werden die für Sport vorgesehenen Stunden nur zu oft für akademische Fächer zweckentfremdet. Das hat sich schon so sehr eingeschliffen, dass man die Einstellung der Leute dazu nur schwer ändern kann.

"Das war vor allem bei den privaten und den so genannten 'Elite'-Schulen der Fall, die dafür bekannt sind, dass ein hoher Anteil ihrer Schüler später höhere Bildung erhält", verrät Shu Tsai-tien, Rektor der Penglai-Grundschule. Nach seinen Worten haben erst seit kurzer Zeit schrittweise Lockerungen in Taiwans starrem Prüfungssystem gemeinsam mit einem wachsenden Gesundheitsbewusstsein zu einer stärkeren Betonung des Sportunterrichts geführt.

Unter diesen Umständen mag die Entdeckung kaum überraschen, dass viele Schüler in Taiwan massig Speck auf den Rippen, aber zu wenig Kraft in den Knochen haben. Nach einer 1998 von der Abteilung für Leibeserziehung des Bildungsministeriums durchgeführten umfassenden Bestandsaufnahme von Taiwans vier Millionen Grund- und Oberschülern genießen diese zwar einen wohlhabenden Lebensstandard, sind in Bezug auf körperliche Fitness aber ihren Altersgenossen in den USA, Japan und sogar Festlandchina unterlegen, besonders in so bedeutenden Bereichen wie Herz- und Lungenfunktion. In den Büros des Bildungsministeriums erkannte man, dass etwas geschehen müsse, und zwar bald.

Mens sana in corpore sano

Wenn Sport keine Spaß macht, wird man die Schulkinder nur schwer zu mehr sportlicher Betätigung motivieren können.

Shu Tsai-tien glaubt fest an die Theorie, dass die Entwicklung einer vollständigen Persönlichkeit wichtiger ist als das Vollstopfen des Gehirns mit Daten, und daher begrüßt er die jüngsten Initiativen der Regierung in diesem Bereich von ganzem Herzen. "Das Hauptziel bei unserem nationalen Lehrplan sollte meiner Ansicht nach sein, den Schülern bei der Entwicklung eines gesunden Geistes in einem gesunden Körper durch geeigneten Sport zu helfen", empfiehlt er. "Durch Sportunterricht und -aktivitäten kann man bei den Schülern Zielstrebigkeit, Ausdauer, seelische Kraft und Teamgeist entwickeln. All das hat positive Auswirkungen auf die Persönlichkeit eines Menschen."

Um den Schülern mehr Anreiz zum Sporttreiben zu bieten, gestaltet die Penglai-Grundschule ihren Sportunterricht vielfältiger. "Man kann nicht von den Kindern verlangen, eine Runde nach der anderen auf der Aschenbahn zu rennen", unterstreicht Shu. "Das wird ihnen schnell langweilig. Man muss ihnen schon mit etwas Interessanterem kommen." Was denn zum Beispiel? Shu hat "Volks"-Sportarten eingeführt, etwa Federball, Seilchenspringen, Kreiseldrehen, Stelzengehen, Löwentanz und Diabolo. Das hat nach seinen Worten einen doppelten Nutzen: "Die Schüler können sich eine Disziplin aussuchen, die ihnen Spaß macht, und gleichzeitig können sie etwas über unsere traditionellen Volkssportarten erfahren."

Der bestehende staatliche Lehrplan verlangt von den Schülern ein Minimum von zwei Stunden Sportunterricht die Woche. Shu hält diese Zahl für viel zu niedrig und hat daher für alle Schüler obligatorisch täglich zwanzig Minuten Sport vor der ersten Schulstunde angesetzt. Nach Schulschluss gibt es auf dem Campus zahlreiche andere gesunde Aktivitäten, etwa Inline-Skating und Tanzen.

Nach Feststellung von Hsu Chien-hua, dem Dekan der Schule, zeigen sowohl die Eltern als auch die Lehrer viel mehr Interesse am Sportunterricht als früher. " In der Vergangenheit wollten die Eltern, dass ihre Kinder fleißig lernten, damit sie später beispielsweise Anwälte werden und viel Geld verdienen konnten, oder zumindest Beamte mit stabilem Einkommen", berichtet er. "Heute wird ihnen aber allmählich klar, dass Lernen nicht der einzige Weg zum Erfolg ist."

Hsu schreibt diesen Wandel dem laufenden Regierungsprogramm der allgemeinen Bildungsreform zu und auch der größeren Verfügbarkeit lukrativer Anreize, darunter Geldzuschüsse und Zulassungsstipendien für junge Athleten, die bei nationalen oder internationalen Wettkämpfen herausragende Leistungen erbracht haben. "Der derzeitige Trend ist, die Schüler zu einer breiteren persönlichen Entwicklung zu ermutigen, nicht nur bei akademischen Studien, sondern auch anderswo", teilt Hsu mit. "Der Sportunterricht hat davon sehr profitiert. Außerdem sind Stars wie Michael Jordan und Tiger Woods hervorragende Rollenmodelle für junge Leute und auch für ihre Eltern. Wer wirklich gut im Sport ist, kann ein Held sein und dabei immer noch einen Haufen Geld verdienen."

Die Verbesserung des Sportunterrichts erfordert zweifellos gemeinsame Anstrengungen von den Eltern, Schulen und Schülern sowie der Regierung und Verwaltung auf allen Ebenen. Offenbar ist man sich im Allgemeinen einig, dass die traditionelle Betonung prüfungsgesteuerter akademischer Studien übertrieben ist. "Ich glaube, dass Bildung sich auf fünf Bereiche gleich stark konzentrieren sollte: Moral, intellektuelle Errungenschaften, körperliches Training, soziale Beziehungen und Kunst", plädiert Chang Tien-yung, Leiter der Lunghua-Mittelschule in Kaohsiung. "Die Entwicklung des sportlichen Potentials der Schüler ist besonders wichtig, man muss ihnen ein dauerhaftes Interesse daran anerziehen, damit Sport ihnen zur ständigen Gewohnheit wird. Wie sollen sie ohne gute Gesundheit effizient mit dem Studium und im späteren Leben mit der Arbeit fertig werden?"

Changs Schule bietet den üblichen Sportunterricht, lädt aber auch ortsansässige Fachleute zur Einrichtung von Taekwondo -, Radfahr-, Aerobic- und Inline-Skating-Kursen ein. Den Schülern steht es frei, sich aus diesem Angebot etwas für die zwei wöchentlichen Wahlstunden auszusuchen oder nach Schulschluss daran teilzunehmen. "Was wir heutzutage fördern müssen, ist Bildung, die eher den Bedürfnissen, Interessen und Umständen des Individuums gerecht wird", kontempliert Chang. "Wir sollten keine Einheitskost servieren und dann von allen erwarten, das gleiche Trainungspensum zu schaffen. Für eine höhere Beliebtheit des Sportunterrichts ist Diversifizierung entscheidend."

Chang freut sich zu berichten, dass die aktive Unterstützung durch die Eltern und die Gemeinde zu der dynamischen Entwicklung des Sportunterrichts in seiner Schule beigetragen hat. Gerade bei der Förderung von Sportveranstaltungen sind die Eltern großzügig und legen auch bei der Teilnahme großen Enthusiasmus an den Tag. "In der jüngsten Vergangenheit konnte ich bei der Einstellung der Eltern gegenüber der Bildung ihrer Kinder dramatische Veränderungen feststellen", rapportiert Chang. "Früher zählte nur die akademische Leistung und sonst nichts, aber jetzt achten sie auch auf die körperliche Form. Die zunehmende Unterstützung der Eltern hat unsere Werbung für den Sportunterricht sehr erleichtert."

Begrenzte Verfügbarkeit von Sportanlagen und -plätzen wird oft als ein Haupthindernis für die Verbesserung von Sportkursen in den Schulen der Insel angeführt. In immer mehr Fällen bietet jedoch private Initiative Remedur. Changs Schule hat etwa kein Schwimmbad, aber ein privater Schwimmbadbetreiber in der Nachbarschaft hat den Schülern Rabatte eingeräumt, so dass sie für ein Drittel der normal üblichen Eintrittsgelder die Anlage nutzen können. Heute ist im Lehrplan auch Schwimmunterricht enthalten.

Das Prinzip des Teilens beruht aber auch oft auf Gegenseitigkeit. Changs Schule ermöglicht den Anwohnern die Nutzung ihrer Sportanlagen nach Unterrichtsschluss, organisiert auch Sportveranstaltungen und lädt die Anwohner zur Teilnahme ein. "Dieser Austausch zwischen der Schule und der Gemeinde bringt beiden Seiten nur Vorteile", freut sich Chang.

Lin Ching-chao ist für den Sportunterricht an der Lunghua-Mittelschule in Kaohsiung zuständig. Mit besonderem Nachdruck betont er, dass das Recht der Schüler auf körperliche Betätigung nicht eingeschränkt werden dürfe, zumal nach seinen Worten Umfragen ergeben haben, dass Sport das Lieblingsfach der meisten taiwanischen Schüler ist. Sarkastisch bemerkt er, dass die Schüler heutzutage längst nicht mehr so fügsam sind wie früher. Man kann nicht mehr so ohne weiteres die für Sportunterricht vorgesehene Zeit für akademische Fächer zweckentfremden, nicht nur weil die Sportlehrer sich dagegen wehren, sondern auch wegen des starken Protests der Schüler gegen solche Praktiken.

Lin hebt hervor, die dem Sportunterricht zuerkannte wachsende Bedeutung bedeute nicht, dass die Schüler besondere sportliche Fähigkeiten entwickeln müssen. Es kommt darauf an, dass so viele Schüler wie möglich teilnehmen können. "Jetzt konzentrieren wir uns auf die Mehrheit und nicht nur auf ein paar Talente", berichtet er. "Unser Ziel ist es, bei den Schülern ein Interesse an Sport zu erregen. Sie verbringen an dieser Schule drei Jahre, und diese Zeit sollte dazu ausreichen, dass sie ihre körperliche Stärke entwickeln, dass sie feststellen, welche Sportart sie am liebsten mögen, und dass sie Sport zum Hobby fürs Leben machen." Lin hofft auch, dass die Schüler durch den Sport ein Gefühl für Mannschaftsehre entwickeln und alles über das Wetteifern mit Konkurrenten lernen.

Mens sana in corpore sano

Bis zum Abschluss haben alle Schülerinnen der Ersten Mädchenoberschule Taipeh das Schwimmen gelernt.

Bei der Erhaltung der allgemeinen körperlichen Fitness spielt Ernährung eine wichtige Rolle. Taiwans Fastfood -Generation wird dicker und dadurch auch weniger gesund. Als Reaktion darauf haben manche Schulen wie die Lunghua-Mittelschule Kurse zur Gewichtskontrolle gestartet. Tsai Chia-chen, Vizeleiterin der Gesundheitsabteilung der Schule, weist auf eine im Auftrag des Bildungsministeriums durchgeführte Studie hin, laut der der Anteil der übergewichtigen Schüler Jahr für Jahr steigt -- derzeit liegt er bei rund 15 bis 20 Prozent aller Schüler. (Die Ungenauigkeit dieser Zahl hat ihre Ursache in der Schwierigkeit, den Begriff "Übergewicht" exakt zu definieren.)

Das Bildungsministerium ermutigt mehr Schulen zur Umsetzung von Gewichtskontrollplänen und bietet auch praktische Unterstützung, etwa Personalschulung, Herausgabe detaillierter Richtlinien und einen Zuschuss von 50 000 NT$ (1724 Euro) pro Schule. Im April wurde ein dreimonatiges Pilotprogramm mit Schwerpunkt auf den Bereichen gestartet, bei denen man den Schülern am leichtesten helfen kann: Vermittlung korrekter Nährwertkenntnisse und Ernährungsgewohnheiten, regelmäßiger Sport sowie die Entwicklung passender Gesundheitskonzepte, mit denen die Schüler ihr Gewicht kontrollieren können. Nach Tsais Worten wurde dieses Programm sowohl von den Schülern als auch von den Eltern begrüßt. An dem Pilotprogramm nahmen dreißig freiwillige Schüler teil, und Tsai erhofft sich von dem Programm Ergebnisse, die eine Umsetzung in größerem Stil rechtfertigen können.

Lange Zeit galt in Taiwan die Binsenweisheit, dass Schüler, die viel Zeit mit Sport verbrachten, akademisch schlechter abschnitten. Diese Ansicht ist jedoch durchaus fragwürdig. "Die herausragenden akademischen Leistungen unserer Schülerinnen sind seit langem überall bekannt", prahlt Tsai Po-lung, Leiter der Sektion für Leibeserziehung der renommierten Städtischen Ersten Mädchenoberschule Taipeh. "Wir möchten aber auch ein Beispiel dafür setzen, dass gute Schülerinnen im Sport ebenfalls etwas leisten können, während die Schülerinnen mit guten Noten im Sport trotzdem reichlich Gelegenheit zum Lernen bekommen. Wenn wir zeigen, dass unsere Schülerinnen in beiden Bereichen gut sind, dann werden hoffentlich mehr Schulen unserem Beispiel folgen."

Die Sportkurse an der Ersten Mädchenoberschule bieten vor allem allgemeines Training, Leichtathletik, Schwimmen und Ballspiele (vor allem Basketball, Volleyball und Tennis). Bei allen Programmen wird auf schrittweise Leistungssteigerung gesetzt. Im ersten Schuljahr der 3-jährigen Oberschule etwa steht 100 Meter-Lauf auf dem Programm, im zweiten Jahr sprinten die Mädchen 400 Meter, im dritten Jahr wird 1500 Meter-Lauf trainiert. Beim Schwimmen muss im ersten Jahr nur eine 15 Meter-Bahn zurückgelegt werden, zum Abschluss 50 Meter. "Viele der Schülerinnen können am Anfang noch überhaupt nicht schwimmen, aber in der Abschlussklasse können es dann alle, und das ist für sie ein großes Erfolgsgefühl", wirbt Tsai.

In dieser sportfreundlichen Atmosphäre gibt es inzwischen nicht weniger als elf Mannschaften, die die Erste Mädchenoberschule in Disziplinen wie Tennis, Schwimmen, Volleyball und anderen vertreten. Tsai vermerkt auch den Siegeswillen der Schülerinnen. Vor jedem Wettkampf wollen die Mannschaftsmitglieder unbedingt noch etwas mehr Trainingszeit aus dem System herausholen. Das hat sich ausgezahlt: Die Schulmannschaften haben zahlreiche Auszeichnungen abgeräumt. Vergangenes Jahr wurde beim inselweiten Basketball-Oberschulwettbewerb der siebte Platz errungen, der dritte Platz beim Tennis und der vierte Platz beim Volleyball.

Die Lehrer, die insgesamt sieben eigene Sportklubs organisiert haben, unterstützen diesen Ehrgeiz rückhaltlos. "Die meisten von uns treiben irgend eine Sportart", behauptet Tsai. "Nur wenn die Lehrer für sich selbst den Nutzen von regelmäßigem Sport erkannt haben, können sie auch bei ihren Schülerinnen für den Sportunterricht werben." Vergangenes Jahr erntete die Schule höchste Ehren bei dem Taipeh-Lehrer- und Schülerwettkampf für Aerobic, Basketball, Volkssportarten, Taekwondo und Volleyball. Kein Wunder, dass das Kultusbüro der Stadtverwaltung Taipeh die Erste Mädchenoberschule hinsichtlich der aktiven Förderung des Sportunterrichts als eine der zehn besten Schulen in Taipeh gelobt hat.

Wie bereits erwähnt, hat Taiwans Bildungssystem seit langem unter dem negativen Einfluss seiner so genannten Prüfungskultur zu leiden. Glücklicherweise zeichnen sich mittlerweile umfassende Änderungen bei den politischen Richtlinien ab. Die bestehenden Allgemeinen Aufnahmeprüfungen für Oberschulen, Colleges und Universitäten sollen in den Jahren 2001 und 2002 eingestellt werden. Die Prüfungen werden dann durch zahlreiche Zulassungsmöglichkeiten ersetzt, darunter Empfehlung, Aussieben und langfristige Bewertung aufgrund schulischer Leistungen, aber auch konventionellere Prüfungen. Die Teilnahme an Sport und Veranstaltungen außerhalb des Lehrplanes wird gemeinsam mit erkennbaren Führungsqualitäten und den vergangenen schulischen Leistungen eines Bewerbers berücksichtigt.

"Die Bildungsreform geht zur Zeit in Richtung Diversifizierung, Liberalisierung und ausgewogene Entwicklung von Körper und Geist", doziert Hong Chia-wen, Experte in der Abteilung für Leibeserziehung des Bildungsministeriums. "Das hat sehr positive Auswirkungen auf den Sportunterricht. Sobald wir einige verschiedene Schul-Zulassungskanäle etabliert haben, werden nach meiner Überzeugung die traditionellen Auffassungen bei Eltern und Lehrern verschwinden, nach denen intellektuelle Leistung das Ein und Alles ist." Mit Befriedigung stellt er fest, dass körperliche Fitness nun schon bei manchen Avantgarde-Oberschulen ein Zulassungs-Bewertungskriterium geworden ist.

Um das Potential zu entwickeln und die Interessen der einzelnen Schüler zu respektieren, hat das Bildungsministerium darüber hinaus bei den Lehrplänen der Grund- und Oberschulen Änderungen beschlossen. Ab 2001 soll ein integriertes 9-jähriges Bildungssystem mit sieben Hauptfächern in Kraft treten. Sport und Gesundheit sollen zu einem dieser Hauptfächer zusammengefasst werden, und die Schulen selbst werden im Einklang mit den Interessen der einzelnen Schüler, ihren Bedürfnissen und ihrem Gesundheitszustand bei der Gestaltung der Kurse eine höhere Autonomie und Flexibilität genießen. (Das setzt voraus, dass der Bildungsminister der neuen Regierung der Republik China grünes Licht für die Änderungen gibt, die vor den Präsidentenwahlen von seinen Vorgängern ersonnen worden waren.)

Hong betont, dass die Entwicklung der Leibeserziehung auf alle Schüler abzielen sollte und nicht nur auf ein paar herausragende Athleten. "In der Vergangenheit hatten eigentlich nur rund 5 Prozent der Schüler wirklich das Recht auf ausgiebige sportliche Betätigung, der Rest hinkte hinterher", sinniert er. "In der Zukunft wird der Sportunterricht popularisiert. Nur so können wir das Ziel 'Sport für alle' erreichen und dadurch jedem Bürger Kraft durch Freude bringen."

(Deutsch von Tilman Aretz)

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