Am 3. Juli dieses Jahres standen Hunderte von Sammlern bei sechs besonderen Bankfilialen Schlange, um ihre alten 1000 NT$-Scheine gegen druckfrische Banknoten mit neuem Design einzutauschen, die an jenem Tag erstmals von der Zentralbank der Republik China (Central Bank of China , CBC) ausgegeben wurden. Manche der Noten-Narren hatten die ganze Nacht auf die funkelnagelneuen Geldscheine gewartet, die zum ersten Mal seit dem Rückzug der Regierung der Republik China vom Festland nach Taiwan 1949 nicht mit dem Namen der "Bank of Taiwan" bedruckt sind, sondern mit dem Namen der CBC. Was ist daran so besonders? Technisch gesehen war und ist die Bank of Taiwan nur eine von mehreren lokalen Banken. Die neuen 1000 NT$-Scheine sind quasi die ersten Früchte einer politischen Entscheidung, die Inselwährung auf nationaler Ebene zu drucken.
Zur Enttäuschung der Sammler erwiesen sich die sehnlichst erwarteten neuen Scheine als absolut nicht besonders: Keine der Banknoten trug eine Seriennummer mit dem als absolut wichtig erachteten "AA" am Anfang. Dieses Kennzeichen ist deswegen von großem Wert, weil es früher immer für den ersten Druck einer neuen Banknotenserie vorbehalten war. Dann wurde bekannt, dass die Bank die Noten mit AA-Seriennummern als Muster zurückgehalten habe. Ein Offizieller der CBC teilte mit, die Banknoten seien zur Zirkulation bestimmt und nicht als Andenken.
Die 1000 NT$-Scheine mit ihrem neuen Design waren nur die erste Rate" einer längeren Geschichte, denn in sechsmonatigen Intervallen soll die CBC auch neue Banknoten mit den Nennwerten 100 NT$, 200 NT$, 500 NT$ und 2000 NT$ einführen. Scheine mit dem Nennwert 200 NT$ und 2000 NT$ sind ein Novum in Taiwan und sollen den täglichen Zahlungsverkehr bequemer machen. Der wachsende Wohlstand verlangt nach einer entsprechenden Währung. "Wer möchte schon dicke Banknotenbündel mit sich herumschleppen?" fragt Wu Shaw-chii, Generaldirektor der Ausgabeabteilung der CBC. "Wir haben den Druck einer 2000 NT$-Banknote beschlossen, weil der bis dahin höchste Nennwert 1000 NT$ nur 0,24 Prozent des jährlichen Pro-Kopf-Einkommens der Insel beträgt. Das ist weniger als in allen neuen asiatischen Wirtschaftssystemen außer Südkorea." (Taiwans Bruttoinlandsprodukt hat sich seit der Einführung der noch gültigen 500 NT$- und 1000 NT$-Scheine im Jahre 1980 versechsfacht, und das Pro-Kopf-Einkommen ist um das Fünffache gestiegen.)
Verbesserungen der Währung beschränken sich nicht nur auf Fragen der Bequemlichkeit. Die NT$-Geldscheine erhalten an der Schwelle zum 21. Jahrhundert mehr Fälschungssicherungen denn je zuvor, darunter komplizierte Wasserzeichen, Durchsichtmarkierungen (also auf die Vorder- und Rückseite gedruckte Bilder, die sich beim Anschauen gegen das Licht ergänzen), latente Bilder, Mikrodrucke, sowie farbechte und kopiersichere Farbe. Ein eingebetteter Streifen hilft Sehbehinderten beim Erkennen der Scheine, und sogar Geldautomaten können sie leichter unterscheiden, weil jeder Nennwert um 5 Millimeter kürzer ist als der nächste größere Schein.
Die neuen Banknoten sehen auch schöner aus. Diese Scheine mit dem Namen der CBC sind quasi der Kulminationspunkt vieler Änderungen in Taiwans Finanzsektor der letzten zwei Jahrzehnte, und es wurden auch viele wirtschaftliche, politische und soziale Obertöne bemüht, um der neuen Währung ein moderneres Flair zu geben. Beispielsweise sind auf den neuen 1000 NT$-Scheinen junge Schüler abgebildet, auf dem 500 NT$-Schein werden Baseballspieler verewigt, und auf dem 2000 NT$-Schein wird man Satellitenschüsseln sehen.
Auf den Rückseiten der Banknoten erscheinen der Mikadofasan und der Formosa-Sikahirsch, zwei endemische Tierarten, außerdem einheimische Wahrzeichen wie der Jadeberg (Yushan). Bestimmte Dinge bleiben zumindest dieses Mal unverändert: Konterfeis des Republikgründers Sun Yat-sen(孫逸仙) und des früheren Präsidenten Chiang Kai-shek(蔣介石) zieren jeweils den 100 NT$ -Schein bzw. den 200 NT$-Schein, mit der majestätischen Chungshan-Halle am Yangming-Berg bzw. dem Präsidentenpalast auf der Rückseite.
Hsieh Der-tzon, Wirtschaftsprofessor an der National Taiwan University (NTU), weist darauf hin, dass die meisten ausländischen Bankiers, Devisenhändler und sogar viele Bürger der Republik China den NT$ für die nationale Währung der Republik China halten -- dabei stimmt das eigentlich gar nicht. "Nur sehr wenige Leute wissen, dass die offizielle Währung der Republik China der yin-yuan(銀元) -- Silberdollar -- ist", verrät Hsieh. "Warum schafft man den Silberdollar eigentlich nicht ab?" Es gibt anscheinend keinen plausiblen Grund, am Silberdollar festzuhalten. Geldstrafen wurden zwar bis vor ein paar Jahren in Silberdollar verhängt, aber obwohl es heute noch eine offizielle Umtauschrate zwischen dem Silberdollar und dem NT$ gibt (etwa drei NT$ für einen Silberdollar), kann man in der Praxis den Silberdollar weder kaufen noch verkaufen.
Nach Wu Shaw-chiis Ansicht erfüllt eine Papierwährung auch quasi die Funktion eines Botschafters ihres Ausstellungslandes. Altmodische Banknoten entlarven eine Gesellschaft, die nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist. "Mit der Ausstellung neuartiger Geldscheine reagieren wir auf die Anforderungen der Globalisierung und bewahren gleichzeitig das traditionelle Image unserer Landeswährung", charakterisiert Wu. Hsieh Der-tzon pflichtet dem bei: "Überall auf der Welt sieht man auf den Geldscheinen die historischen Gestalten oder kulturellen Ikonen des jeweiligen Landes. Die USA verwenden Bilder von George Washington und Abraham Lincoln, und andere Länder stellen historische Ereignisse und einheimische Sitten dar. Vielfalt ist das Kennzeichen einer modernen Gesellschaft."
Die Entwicklung von Taiwans Währung in diesem Jahrhundert ist eine lange und komplizierte Geschichte. Der Neue Taiwandollar, wie er heute genannt wird, entstand nach der Rückgabe Taiwans an China nach dem Ende der japanischen Kolonialzeit (1895-1945). Zum Verständnis des Wie und Warum muss man jedoch zu den Ursprüngen der Republik China zurückkehren.
Selbst nach der Gründung der Republik China im Jahre 1912 war der neue Staat beileibe kein vereintes Land. Die wirkliche Macht lag in den Händen von zahlreichen lokalen Militärführern, die man "Warlords" nannte. Damals gab es mindestens zwei "nationale" Regierungen, jede mit ihrer eigenen Hauptstadt. Die eine war Beijing und wurde von Warlords beherrscht. Ab 1917 gab es in Guangzhou (Provinz Guangdong, Südchina) eine zweite Hauptstadt mit Dr. Sun Yat-sen an der Spitze. Nach Suns Tod im Jahre 1925 wurde diese Hauptstadt 1927 nach Nanjing (Provinz Jiangsu, Ostchina) verlegt.
In jeder der beiden Hauptstädte druckte die jeweilige Regierung eigenes Geld zur Bezahlung ihrer Streitkräfte, die Hauptstütze der politischen Macht. In den frühen Republikjahren verwendete man auch Silber, offiziell in Umlauf gebrachte Münzen, und privat von Banken gedruckte Banknoten, beides noch aus der Qing-Dynastie (1644-1911) stammende Verfahren. Silber- und Kupferdollars sowie von der Regierung gedecktes Papiergeld von größeren Banken waren ebenfalls im Umlauf.
Schon 1912 wurden in beiden Hauptstädten ausländische Berater engagiert, um beim Aufbau eines Währungssystems zu helfen. Ihre Ratschläge waren zwar in mancher Hinsicht unterschiedlich, aber in zwei Punkten vertraten beide Seiten den gleichen Standpunkt: Es sollte eine Zentralbank geben, und das Recht auf Ausgabe einer Währung sollte nur einer Institution vorbehalten sein. Die KMT-Regierung setzte diese beiden Empfehlungen später auch in die Tat um und gründete im Jahre 1927 die CBC. Ab dem folgenden Jahr gab die CBC ihre eigenen Banknoten heraus, obwohl zu jener Zeit noch lokale Währungen und ausländische Scheine im Umlauf waren.

Größerer Wohlstand und höhere Einkommen machten die Einführung neuer Banknoten mit höherem Nennwert notwendig.
Bald trat ein größeres Problem auf. Auslandsschulden mussten in Gold beglichen werden, wogegen Einfuhrsteuern -- eine wichtige Einnahmequelle -- in Silber entrichtet wurden. Gold war auf dem Weltmarkt teuer, aber der Silberpreis ging ständig zurück. So konnte die Republik China keine ausgeglichenen Staatsfinanzen bekommen.
Am 1. Mai 1930 begann die CBC mit der Ausstellung neuer Banknoten mit der Bezeichnung "Zollgold-Einheit"(關金券). 1933 gab sie jedoch den ungleichen Kampf auf und willigte in den international anerkannten Silberstandard ein. Sie folgte damit dem Beispiel anderer Großmächte nach dem Einsetzen der Weltwirtschaftskrise. Nach dem Anstieg des Silberpreises 1934 musste die Regierung ihre Politik noch einmal ändern: Diesmal wurde die Grundlage der Deckung auf Devisenreserven gelegt, und alles Silber in Privatbesitz musste an die Regierung verkauft werden. Gültige Zahlungsmittel waren die Banknoten von drei größeren Banken -- die Bank of China, die CBC und die Chiaotung-Bank.
Das neue System hielt eine Weile, aber der achtjährige Chinesisch-japanische Krieg (1937-1945) verursachte abermals eine scharfe Abwertung der Währung. Die Notwendigkeit des Wiederaufbaus führte gemeinsam mit dem Güter- und Materialmangel zu einem Zusammenbruch der Währung. Im August 1948 suchte die Regierung daher Zuflucht in dem Druck von Goldyuan-Noten, aber auch dieser Reformversuch ging in die Hosen. Die Währung war nun eine Mischung aus Silberdollars und Wechseln.
Desungeachtet galoppierte die Inflation. " Wenn man die Preise im ersten Laden zu hoch fand, dann waren die Preise im nächsten Geschäft meist noch höher", erinnert sich ein früherer Einwohner Shanghais. "Wenn man dann wieder zum ersten Laden zurückkam, waren dort die Preise erneut gestiegen. Wenn wir einkaufen gingen, schleppten wir immer eine Tasche voller Geldscheine mit."
Wenn das Festland damals unter Währungskopfschmerzen litt, so wurde Taiwan sozusagen von Migräne gepeinigt. "Als die KMT-Regierung Taiwan übernahm, war auf der Insel eine japanische Währung in Form des taiwanischen Yen im Umlauf, aber die Behörden hatten keine Ahnung, wie sie den Umtauschkurs festsetzen sollten, daher beschloss man die Einführung des Taiwandollars", enthüllt Hsieh Der-tzon von der NTU. Diese neue lokale Währung wurde erstmals am 22. Mai 1946 ausgegeben und war anfänglich an die gesetzliche Festlandwährung und die Goldyuan-Noten gebunden.
Das erwies sich schon bald als Schnapsidee. "Vom Ende der Qing-Dynastie bis 1949 befand China sich immer im Krieg", bemerkt Hsieh. "Daher konnte die Regierung selbst die grundlegendsten Haushalts-Meldeverfahren kaum durchführen, ganz zu schweigen von wirksamen Steuereintreibungsmethoden. Da blieb nichts anderes übrig, als zum Füllen der Kriegskasse fleißig Geld zu drucken." Gleichzeitig höhlte die KMT Taiwans Wirtschaft aus, um auf dem Festland den Krieg gegen die Kommunisten weiterführen zu können. Unvermeidlicherweise wurde die Festlandwährung, welche die taiwanische Währung stützte, abgewertet, und der durch die Hyperinflation direkt getroffene Taiwandollar wurde schließlich beinahe wertlos.
Während der fünfzigjährigen japanischen Kolonialzeit hatten die japanischen Behörden sehr genaue Zensusdaten gesammelt, und die Zahlen sprechen im Hinblick auf Inflation eine deutliche Sprache. Ende 1946 betrug der Nennwert aller im Umlauf befindlichen Taiwandollars 5,3 Milliarden, stieg im Jahr darauf auf 17,1 Milliarden und 1948 auf 142 Milliarden. Als dann 1949 die Zentralregierung der Republik China vor den Kommunisten nach Taiwan flüchtete, fand sie dort eine prekäre Lage vor -- niemand wollte mehr Taiwandollars haben, und die Bauern weigerten sich, ihre Produkte zu verkaufen.
Um die Lage in den Griff zu bekommen, führte die Regierung am 15. Juni 1949 den heutigen NT$ ein und setzte den Umtauschkurs zwischen der alten und der neuen Währung auf 40 000 zu 1 fest. Gleichzeitig wurde die Deckung der Währung geändert. "Der alte Taiwandollar war an die Festlandwährung gekoppelt, die aber keine feste Basis hatte", doziert Hsieh. "Die neue Währung war dagegen mit 800 000 bis 900 000 tael兩 Gold (40-45 Tonnen) gedeckt, die die CBC nach Taiwan mitgebracht hatte." (Die Gewichtseinheit tael entspricht 50 Gramm.) Die Zahl der zu druckenden Banknoten wurde einer strikten Kontrolle unterworfen, so dass sie ihren Wert halten konnten.
International wurde die KMT-Regierung damals noch als Regierung ganz Chinas anerkannt. Zwar ist Taiwan rechtlich eine Provinz der Republik China und kann im Prinzip nur eine lokale Währung herausgeben, aber de facto fungiert der NT$ als Staatswährung der Republik China. Das hatte einige seltsame Abnormalitäten zur Folge. Bis heute sind einige küstennahe Inseln unter der Kontrolle der Republik China, verwaltungstechnisch gehören sie laut Verfassung jedoch nicht zur Provinz Taiwan, sondern zur Provinz Fujian. Aus diesem Grund mussten die auf diesen Inseln verwendeten Banknoten besonders markiert werden. Etwa für den Gebrauch auf Kinmen oder Matsu vorgesehene Geldscheine trugen entweder den jeweiligen Namen der Insel oder hatten einen Stempel mit einem Vermerk wie "nur für Kinmen bestimmt". Wenn Bürger von der Hauptinsel Taiwan die küstennahen Inseln besuchten, mussten sie bei der Ankunft ihr Geld in lokalen Banken umtauschen und umgekehrt.
Laut Wu Shaw-chii von der CBC geschah das aus Gründen der nationalen Sicherheit. Auf den küstennahen Inseln befanden sich riesige und wichtige Militärbasen, die für die meisten Zivilisten gesperrt waren, und auch die Einwohner dieser Inseln erhielten wiederum nur wenig Gelegenheit, Taiwan zu betreten. "Nach dem Ende der Ära des Kalten Krieges verstärkte sich der Austausch zwischen Taiwan und den küstennahen Inseln", sagt Wu. "Ab September 1989 wurden die Banknoten mit besonderer Ortskennzeichnung nach und nach aus dem Verkehr gezogen."
In der Vergangenheit haben viele Kritiker die CBC beschuldigt, zu autoritär zu sein und unnötige restriktive und willkürliche Kontrollen zu verhängen, aber während der asiatischen Finanzkrise 1997 waren die Leistungen der CBC tadellos. "Eine gesunde wirtschaftliche Grundlage bewahrte Taiwan vor den negativen Einflüssen, die die Region in jener Zeit heimsuchten", prahlt Hsieh Der-tzon. "Sobald die großen ausländischen Beteiligten ins Spiel kamen, kippten die Schwachen um, aber die stärkeren Länder wackelten nur ein wenig."
Die Regierung der Republik China hatte auch ihren Anteil daran, dass die Währung stabil blieb. "Die Fluktuationen im alten Taiwandollar wurden im Großen und Ganzen von einer über Jahre aufgetürmten Staatsverschuldung verursacht", begründet Hsieh. "Das ganze Geld wurde für den Krieg verpulvert. Niemand kaufte die Staatspapiere, daher blieb alles an der CBC hängen. Also wurde eben mehr und mehr Geld gedruckt." Nach dem Rückzug nach Taiwan ging die Zentralregierung dann allerdings vorsichtiger mit dem Geld um. " Die Berichte des staatlichen Rechnungsprüfers zeigten über viele Jahre hinweg einen Überschuss, und der Wandel zu defizitärer Ausgabenpolitik ist nur eine Entwicklung der jüngsten Zeit."
Finanziell ist Taiwan recht gut in Form. Mit der Einrichtung des Hightech-Industrieparks in Hsinchu 1980 begann der bis heute andauernde Prozess der Liberalisierung und Internationalisierung. Durch die wachsende Exportorientierung stieg der Handelsüberschuss stark an, was wiederum zu einem schnellen Anwachsen der Devisenreserven und einer ebenso raschen Aufwertung des NT$ gegenüber dem US$ führte. Die Globalisierung und die bevorstehende Aufnahme Taiwans in die Welthandelsorganisation (World Trade Organization , WTO) werden die CBC für einen freien Kapitalfluss zu einer noch weiteren Öffnung von Taiwans Finanzmärkten zwingen. Alles in allem ein ermutigendes Bild.
Auch wenn Sammler das Fehlen der verehrten AA-Nummern beklagen, so ist für die Mehrheit der Bürger Taiwans die Herausgabe der farbenfrohen, geschmackvoll gestalteten und solide gedeckten Banknoten eine willkommene Erinnerung daran, dass ihre Wirtschaft einem Vergleich mit den meisten anderen Ländern standhält.