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Die Würze des Lebens

01.01.2001
Gesundheitsapostel kritisieren, dass in Taiwan viele übliche Saucen und Gewürze zu viel Salz enthalten.

Chinas regionale Geschmacksrichtungen werden traditionell in vier Kategorien eingeteilt: salzig im Norden, sauer im Osten, süß im Süden und scharf im Westen. So mancher Zyniker fügt noch eine fünfte Kategorie hinzu: Taiwanische Kost sei fade, fade, fade. Tatsächlich sind in Taiwan die Grenzen zwischen den vier Hauptrichtungen irgendwie unscharf geworden. Einige der kreativeren Küchenmeister der Insel machen "taiwanisches" Essen heutzutage gern etwas schärfer, aber auf der anderen Seite werden Gerichte der Sichuan-Küche in Taiwan leider allzu oft nicht so scharf gekocht, wie sie sein sollten. Trotzdem -- auch wenn viele Köche gern herumexperimentieren, sind die Zutaten der chinesischen Küche sich im Großen und Ganzen über die Jahrhunderte relativ gleich geblieben.

Die drei wichtigsten Zutaten sind Sojasauce, Essig und Sesamöl. Soja ist die meistverwendete Zutat der taiwanischen Küche und auch ganz Asiens. Als eine der beliebtesten und vielseitigsten Saucen der Welt ist Sojasauce ein unentbehrlicher Bestandteil vieler fritierter, gedämpfter und gekochter Gerichte und wird auch als Dip für Teigtaschen(水餃) und mit Fleisch gefüllte Dampfnudeln geschätzt. Taiwanische Köche benutzen Sojasauce überdies als Geheimwaffe zum Bräunen von Speisen, damit sie appetitlicher aussehen.

Essig ist vielleicht die zweitwichtigste Kochzutat in Taiwan, aber den im Westen üblichen normalen Essig oder Obstessig sucht man in Taiwans Ladenregalen meist vergeblich. Essig wird hier aus Reis gebraut, und es gibt ihn sowohl in hellen als auch etwas dunkleren Varianten. Reisessig verleiht den einheimischen Speisen eine saure Note und ist aus bekannten Gerichten wie Sauer-scharfer Suppe(酸辣湯) und süßsaurem Schweinefleisch nicht wegzudenken. Auf der ganzen Welt wird mit Essig aber auch der Geschmack von Zutaten überdeckt, die ihr Haltbarkeitsdatum bereits überschritten haben. Nach Ansicht von Cheng Yen-chi, Koch in einem Fünf-Sterne-Hotel in Taipeh, sollte ein guter Koch Zutaten nicht zu solchen Zwecken verwenden. "Wenn der Fisch frisch genug ist, sollte er überhaupt nicht riechen, und dann braucht man auch nichts zum Verdecken."

Sesamöl vollendet das Trio klassischer asiatischer Zutaten. Auch dieses an Vitamin E reiche Produkt gibt es in helleren und dunklen Varianten. Das dunkle Öl kommt bei der Zubereitung von einem der berühmtesten chinesischen Gerichte zum Einsatz: "Sesamölhuhn"(麻油雞). Dieser beliebte Hühnereintopf wird traditionellerweise in einem Keramiktopf gekocht und gilt als besonders reiche Vitaminquelle für stillende Mütter. Helles Sesamöl wird mit Gurken und anderem Gemüse für Hors d'oeuvres gemischt, und man verrührt es auch gern mit Essig und Sojasauce als einfachen Dip.

Das wären also die grundlegenden Zutaten. Der chinesische Koch an sich verwendet auch Exotischeres, zum Beispiel sind getrocknete Bohnen und Beeren erwähnenswert. Westliche Köche kämen wohl eher selten auf die Idee, mit Bohnen zu würzen, aber getrocknete und gesalzene schwarze Bohnen sind ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Küche. Eines der berühmtesten Gerichte des chinesischen Festlandes, die Peking-Ente(北京烤鴨), ist vor allem wegen Sojabohnen so saftig: Die Bohnen werden mit Mehl vermischt und bilden so eine leicht süße und doch herbe Sauce, in die Scheiben knusprig gegrillter Peking-Ente getunkt werden, die man dann mit Lauchstreifen in dünne, crepe-artige asiatische Teigfladen wickelt. ( Anm. d. Übers.: Lecker!!)

Saubohnen-Sauce ist in der feurigen Küche Sichuans verbreitet, aber die in Taiwan meistverkaufte Saubohnen-Sauce wird in Kangshan im Kreis Kaohsiung (Südtaiwan) hergestellt und nicht in Südchina. Gerichte nach Sichuan-Art werden auch mit getrocknetem Anispfeffer aufgemotzt, den man auch Sichuan-Pfeffer nennt. Diese Beeren pflückt man vom dornigen Eschenbaum, trocknet sie und wirft sie in Eintopfgerichte.

Die kantonesische Küche hat in Taiwan viele Freunde. Das berühmteste Würzmittel aus der südchinesischen Provinz ist tsua-tsan-Paste(沙茶醬), hergestellt aus fritiertem Glattbutt, gemahlenen Erdnüssen, Schalotten, getrockneten Garnelen und Sojasauce -- eine unentbehrliche Beilage zu "Feuertopf"(火鍋), eine Art chinesische Fondue, bei der Fleisch und Gemüse in Brühe gekocht werden. Und dann gibt es noch die so genannte XO-Sauce", in der kantonesischen Küche relativ neu und in Taiwan immer beliebter. XO-Sauce stammt ursprünglich aus Hongkong, einer Gegend mit einem im internationalen Vergleich sehr hohen Pro-Kopf-Cognacverbrauch. Der Name der Sauce ist aber eher eine Anspielung auf den Schickeria-Lifestyle von Hongkong und weniger auf die Bestandteile der Sauce -- sie enthält getrocknete Kammmuscheln, Garnelen sowie Schinken, der nach dem Feinhacken zur Entfaltung seines Aromas in Wasser aufquillt und dann darin gekocht wird.

Wohl das berüchtigtste chinesische " Gewürz" ist Monosodium-Glutamat (MSG), auf Chinesisch weijing (味精)genannt, zu Deutsch wörtlich " Geschmacksessenz". Taiwans Köche verwenden dieses japanische Erfindung seit rund hundert Jahren, und jede auf Vollständigkeit bedachte taiwanische Hausfrau oder Profiköchin hat eine Dose mit diesem weißen kristallinen chemischen Geschmacksverstärker im Küchenregal stehen. Im Westen steht Glutamat in dem Ruf, einige Krankheiten zu verursachen, darunter Steifheit der Nackenmuskulatur, Kopfschmerzen und Hautausschlag. Angeblich gibt es aber keinen eindeutigen Nachweis dafür, dass Glutamat sich nachteilig auf die Speisen, in denen es verwendet wird, auswirkt. "Wenn man zu viel Glutamat hinzufügt oder es falsch anwendet, hat es unangenehme Nebenwirkungen", weiß jedoch Cheng Yen-chi.

Beim Kochen mit Glutamat kommt es sehr darauf an, wann genau es in den Topf kommt. Zu hohe Temperaturen können laut Cheng die geschmacksverbessernde Wirkung von Glutamat neutralisieren und leichte Vergiftungserscheinungen hervorrufen. Ein Koch sollte niemals Glutamat in Speisen streuen, die noch auf dem Feuer stehen oder heißer als 100 Grad Celsius sind.

Cheng selbst ist kein großer Freund von Glutamat. "Wenn die Zutaten frisch sind und man weiß, wie man ihr Aroma beim Kochen zur Geltung bringt, dann braucht man das Zeug nicht wirklich", betont er. "Es ist eben nur so, dass Glutamat sich beim Kochen hier so eingebürgert hat, dass viele Menschen es für unentbehrlich halten." Wirklich nötig ist Glutamat nur in wenigen Situationen, etwa um Agar Geschmack zu verleihen. Agar ist ein geschmackloses, pflanzliches Gelatin, das in vielen vegetarischen Restaurants als Fleischersatz genutzt wird.

Glutamat ist nicht die einzige Substanz mit einem Fragezeichen wegen möglicherweise gesundheitsschädlicher Eigenschaften. "Chinesische Saucen sind in der Regel salziger als westliche Saucen", doziert Cheng. "Das liegt meiner Ansicht nach daran, dass wir uns vielleicht nicht so sehr wie die Menschen im Westen darum kümmern, was in unseren Zutaten alles drin ist." Auf lange Sicht ist das aber vielleicht kein Problem mehr. Wenn die "Taiwanisierung" der chinesischen Küche sich hier fortsetzt und einheimische Köche auf der Suche nach attraktiven Aromen für die breite Masse klassischen Gerichten den traditionellen Geschmack entziehen, dann werden Saucen und andere Zutaten in den Speisen der Zukunft wahrscheinlich eine weit geringere Rolle spielen.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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