28.04.2025

Taiwan Today

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Reiseziel Formosa

01.01.2003
Das von den Spaniern erbaute Fort San Domingo nördlich von Taipeh war ein Beobachtungsposten, der einen beeindruckenden Überblick über den Tamsui-Fluss gewährte.

Vor dem siebzehnten Jahrhundert war Taiwan ein isolierter und praktisch unbekannter Teil der Welt. Mit dem zunehmenden Interesse der Europäer an der Region wurde das Land jedoch zu einem begehrten strategischen Ort für militärische und kommerzielle Zwecke, und so erhielt Taiwan für immer einen Platz auf der internationalen Landkarte.

Das späte 15. Jahrhundert war eine Zeit von großartigen Reisen, und vom europäischen Standpunkt gesehen eine Epoche von bedeutenden Entdeckungen. 1492 landetete Christoph Kolumbus (1451-1506) in der Neuen Welt. Sechs Jahre später fand der Portugiese Vasco da Gama (1469-1524) einen Seeweg zwischen Europa und Indien über das Kap der Guten Hoffnung.

Weiter östlich erblickten 1517 portugiesische Seeleute auf ihrer Fahrt nach Japan vor Chinas Ostküste eine Insel. Bezaubert von der Schönheit der hohen grünen Berge nannten sie sie Ilha Formosa -- "schöne Insel". Noch Jahrhunderte später wurde Taiwan auf westlichen Landkarten als Formosa bezeichnet. 1582 betraten die ersten Europäer die Insel -- portugiesische Händler, die auf dem Weg nach Macao Schiffbruch erlitten hatten. Sie blieben nur sechs Monate an der taiwanischen Südwestküste, doch die nachfolgenden Europäer besaßen mehr Sitzfleisch.

Die Holländer, beim Rennen um die Kolonisierung Asiens den Portugiesen und Spaniern hart auf den Fersen, suchten nach einem Stützpunkt für den Handel mit den Chinesen und Japanern, nachdem sie 1596 eine Basis in Indonesien eingerichtet hatten. Die 1602 für den Handel und den Erwerb neuer niederländischer Kolonien gegründete "Vereinigte Ostindien-Kompanie" (Vereenigde Oostindische Compagnie, VOC), baute 1622 eine Militärbasis auf den Pescadoren auf, eine Inselgruppe westlich von Taiwan, auch unter der Bezeichnung "Penghu" bekannt.

Die VOC wurde 1624 nach der Unterzeichnung eines Vertrags mit den Herrschern der Ming-Dynastie (1368-1644) zum Verlassen von Penghu gezwungen und wich nach Taiwan aus. Die folgende Begegnung der chinesischen Siedler dort mit den westlichen Handelsflotten markierte den Beginn der modernen Geschichte Taiwans. "Die holländische Besetzung Taiwans ist eine anschauliche, interessante und bedeutende Periode in der Geschichte", meint Tsao Yung-ho, Mitglied der Academia Sinica. "Das kennzeichnete den Anfang der historischen Epoche Taiwans. Ein anderer interessanter Punkt ist die gleichzeitige Beteiligung der taiwanischen Ureinwohner, Chinesen, Japaner, Holländer und Spanier." Da Taiwan vor dem Eintreffen der Holländer nur selten in Dokumenten erwähnt wurde, sind die umfangreichen Bände von Korrespondenz, Vorschriften und Befehlen der VOC ebenso wie die von Missionaren geschriebenen Berichte und Tagebücher für das Studium Taiwans jener Zeit von unschätzbarem Wert, ergänzt Tsao.

Die Besetzung der Insel als eine strategische Militärbasis war für die Holländer von großer Bedeutung, weil sie ihnen die Unterbrechung der Seewege zwischen China und den von den Spaniern gehaltenen Philippinen ermöglichte. Vom ihren ersten Tag an bereiteten sich die Holländer in Taiwan auf den Widerstand der lokalen Bewohner und Angriffe von ausländischen Eindringlingen -- den Portugiesen, Spaniern und Engländern -- vor. Bei Anping auf dem Gebiet der heutigen Stadt Tainan bauten die holländischen Ansiedler das Fort Zeelandia, und ein Jahr später entstand an der Stelle der heutigen historischen Stätte Chihkanlou(赤崁樓) das Fort Provintia. Die Kanonen in der Festungen waren nicht nur auf eventuelle Angreifer vom Meer gerichtet, sondern zielten auch auf jene im Inland.

Taiwan erwies sich auch als ein idealer Zwischenstopp und Umschlagplatz für den Seehandel mit Ländern im ganzen Pazifik. Obgleich die holländischen Forts als Militärfestungen angelegt waren, wurde Fort Zeelandia vornehmlich als Handelsplatz genutzt, während Fort Provintia als allgemeine Unterkunft und Lagerhaus diente.

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Das 1629 von den Spaniern gebaute Fort San Domingo war bei den Einheimischen unter der Bezeichnung "Fort der Rotschöpfe" bekannt. Die Spanier gaben es im Jahre 1638 auf und zogen sich 1642 vollständig von der Insel zurück.

Verglichen mit den Herrschern der Ming-Dynastie waren sich die Holländer der Bedeutung von Taiwan wesentlich stärker bewusst und zeigten auch eifriges Interesse, das Land in ein koloniales Unternehmen zu verwandeln, und sie machten die Insel zur Handelsbasis auf den internationalen Seewegen und gleichfalls zum Zentrum für ihre Anstrengungen zur christlichen Missionierung. Dennoch waren sie nicht die einzige westliche Macht, die an Taiwan Interesse zeigte. Auch die Spanier wollten das Land erwerben, um ihre Interessen auf den Philippinen schützen zu können und überdies ein Handelsmonopol der Holländer mit China und Japan zu verhindern.

1626 erreichte eine spanische Flotte Taiwans Nordostspitze und nannte sie "Kap Santiago", wobei sie einen weiten Bogen um die Ostküste Taiwans herum machte, um einen Konflikt mit den holländischen Truppen an der Südwestküste zu vermeiden. Daraufhin errichteten die Spanier beim heutigen Keelung einen Hafen, "La Santisima Trinidad". In Keelung beziehungsweise in Tamshui wurden die Festungen San Salvador und San Domingo gegründet.

Im folgenden Jahr schickten die protestantischen Holländer eine Flotte in Richtung Norden, um die katholischen Spanier zu verjagen, wurden aber zurückgeschlagen. Damals waren die Holländer zu sehr damit beschäftigt, ihre Bollwerke im Süden zu einem Zentrum für Import, Export, Sammlung und Verteilung von Waren auszubauen, um die Spanier effektiv an der Gründung ihrer Basis im Norden zu hindern. Deshalb unterlag Taiwan von 1626 bis 1642 der Herrschaft zweier kolonialer Regierungen.

Diese Anstrengungen zum Aufbau eines Wirtschaftszentrums waren nicht erfolglos. Von den neunzehn Haupthandelszentren der VOC in Asien waren die in Taiwan erwirtschafteten Gewinne, die 26 Prozent des gesamten Firmeneinkommens des Jahres 1649 ausmachten, die wichtigsten nach Japan. Importe aus Indonesien umfassten Gewürze, Zinn, Bernstein, Baumwolle und Opium, während Porzellan, Kräutermedizin und Gold aus China hergebracht wurden. Unterdessen wurden Zucker und Hirschleder aus Taiwan gegen Silber aus Japan getauscht.

Taiwans landwirtschaftliche Entwicklung erfuhr einen gewaltigen Aufschwung, als die holländische Kompanie Zuchtfarmen für aus Indien importierte Ochsen gründete. Diese Tiere ersetzten nämlich die menschliche Arbeitskraft beim Ackerbau und erhöhten damit dramatisch die Produktivität. Die landwirtschaftlich bearbeitete Landfläche wurde vergrößert, und es wurden neue Anbaupflanzen wie Kohl, Bohnen, Tomaten, Mangos und Chili eingeführt.

Huang Fu-san, Geschichtsprofessor an der National Taiwan University (NTU), bemerkt, dass die Wirtschaft der Insel vor der Ankunft der Holländer recht primitiv gewesen war. "Die wichtigste Auswirkung der holländischen Kolonisierung war, dass die Wirtschaft der Insel sich von einer Subsistenzwirtschaft zu einer handelsbezogenen Ökonomie wandelte", bemerkt Huang. "Sie wollten Taiwans Branchen mit kommerziellem Wert entwickeln und damit beträchtliche wirtschaftliche Gewinne erzielen." Dieser Beitrag begründete eine Tradition, die Taiwan geholfen habe, eine der Top-Ökonomien der Welt zu werden, fügt er hinzu.

Eine weiterer wesentlicher Beitrag war laut Huang die Einführung und die Ausdehnung des Zuckerrohranbaus auf der Insel. In den letzten drei Jahrhunderten bis in die späten sechziger Jahre blieb Zucker ein Hauptexportgut in Taiwan. Zur Steigerung der Erträge boten die Holländer zwischen 1630 und 1640 den Festlandchinesen Anreize an, nach Taiwan zu ziehen und hier Zuckerrohr anzubauen. Vor dieser Zeit nutzten nur wenige chinesische und japanische Piraten, die die chinesische Südostküste ausplünderten, die Insel als Schlupfwinkel oder Stützpunkt. Damals wanderten viele Chinesen, vor allem aus den Küstenprovinzen Fujian und Guangdong, auf der Flucht vor Bürgerkriegen, Hungersnöten und Plünderungen nach Taiwan ab. Weil Reis ein Grundnahrungsmittel der neuen Bewohner war, wuchs deren Produktion dramatisch an und wurde auch in andere Länder ausgeführt.

In der Zwischenzeit, gleich nachdem der Bau des Forts Provintia begonnen hatte, kamen Missionare aus Jakarta, damals bekannt als Batavia, nach Taiwan, um den christlichen Glauben zu verbreiten und den Widerstand der Ureinwohner zu besänftigen. Zum ersten Mal wurden einige Ureinwohnersprachen romanisiert, so dass die Missionare Bibelübersetzungen und andere Dokumente drucken konnten. Ein derartiges Beispiel ist das Shinkang-Dokument(新港文書), ein Landvertrag zwischen chinesischen Einwanderern und den Sirayas(西拉雅族), die in Shinkang (unweit Tainan) lebten. Der Vertrag ist laut Huang Fu-san heute eine wertvolle Quelle beim Geschichtsstudium.

Die Spanier haben ihrerseits ebenfalls Pionierprojekte in Gang gesetzt, wie zum Beispiel den Bergbau von Schwefel in Taipehs Vorstadt Peitou mit Hilfe von chinesischen Einwanderern und Ureinwohnern. Beim Bekehren von lokalen Anwohnern zum Katholizismus stellten die überwiegend dem Dominikanerorden angehörenden spanischen Missionare ein "Tamshui-Wörterbuch" zusammen und unterrichteten die westliche Heilkunde.

Obwohl die Spanier den ganzen Norden beherrschten, verlief ihr Handel mit China und Japan sowie die Verbreitung des Katholizismus nicht gerade reibungslos. Außerdem gingen die Lieferungen aus Manila oft in Taifunen verloren, und mehr als die Hälfte der Handvoll Spanier starb entweder bei Angriffen der Ureinwohner oder erlag Krankheiten wie der Malaria. Ihr Ehrgeiz, Taiwan unter ihrer Kontrolle zu haben, ließ schnell nach, und 1638 verringerten sie ihre Truppen und gaben das Fort San Domingo in Tamsui auf, um auf diese Weise ihre Handelsbasis im Fort San Salvador zu konsolidieren. Die Holländer erkannten in dieser Schwäche eine gute Gelegenheit und rückten 1642 mit einer Flotte in Richtung Norden vor. Durch die Einnahme von Keelung machten sie der spanischen Kontrolle im Norden der Insel ein Ende.

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Die Grundmauern des 1625 errichteten Forts Provintia tragen seit 1874 einen chinesischen Tempel. Die Holländer ermunterten die Han-Chinesen, nach Taiwan zu übersiedeln und das Land zu bestellen.

Die Auswirkungen der spanischen Herrschaft waren eher begrenzt, weil sie nur sechzehn Jahre hier waren, erklärt José Eugenio Borao, Professor an der Fremdsprachenabteilung der NTU. "Der Beginn einer Kolonisierungsphase dient meistens dem Aufbau einer Basis für eine weitere Ausdehnung", definiert Borao, Autor der 2001 in Taiwan erschienenen zweibändigen Studie "Spaniards in Taiwan" über die europäische Besetzung der Insel. "Zum zweiten Stadium ist es nicht mehr gekommen, weil die Spanier von den Holländern vertrieben wurden."

Taiwan war für die Spanier aus zwei Gründen wichtig. Erstens galt es die Handelsroute zwischen Manila und der Provinz Taiwan zu schützen, die von der holländischen Präsenz bedroht wurde, und der zweite Grund war, dass Taiwan als ein Sprungbrett für die missionarische Arbeit in China benutzt werden konnte, da die spanischen Dominikaner nicht über das von den Portugiesen kontrollierte Macao ins chinesische Festland einreisen durften. Als sie zum ersten Mal in Taiwan ankamen, waren die Spanier bei der Bekehrung der Ureinwohner sehr vorsichtig, aber nach 1635 betrieben sie die Missionierung laut Borao mit größerem Druck. Zum Ende ihrer Herrschaft hatten die Spanier nach eigenen Angaben über 1000 Ureinwohner katholisch gemacht. Die Holländer registrierten im Vergleich zu den Spaniern 1659 insgesamt 6078 Konvertiten bei 10 109 Ureinwohnern.

Nicht lange nach dem Rückzug der Spanier segelte Cheng Cheng-kung (鄭成功,1624-1662), den man auch unter dem Namen Koxinga(國姓爺) kennt, 1659 mit einer kleinen Armee vom Festland nach Taiwan. Dieser eingefleischte Loyalist der Ming-Dynastie beabsichtigte die Insel als Stützpunkt zu nutzen, um die Mandschu-Invasoren zu besiegen und die Ming-Herrschaft wiederherzustellen. Auf Taiwan angekommen, wollte er jedoch zuerst die holländischen Besetzer vertreiben. Mit Hilfe der Inselbewohner, die wegen der von der VOC erhobenen hohen Steuern zunehmend feindselig wurden, verjagte Cheng 1662 die Holländer und beendete damit die 38-jährige Besetzung der Insel.

Der Forscher Ang Kaim vom Vorbereitungsbüro für das Institut für taiwanische Geschichte der Academia Sinica meint, unter der holländischen Herrschaft sei Taiwan ein wichtiger Handelsstützpunkt geworden, der auch in China, Japan und Südost-Asien geschäftliches Interesse erregt habe und mit dem Weltmarkt verbunden gewesen sei. Ang sieht jedoch das Ausmaß der holländischen Beiträge zur Umwandlung der taiwanischen Wirtschaft mit Vorbehalten und glaubt, eine natürliche Entwicklung würde es auch ohne den holländischen Einfluss gegeben haben. Er erwähnt zudem, dass die beim Taiwangeschäft angefallenen gewaltigen Gewinne größtenteils von der VOC eingesackt worden seien. "Die Beiträge, die die Holländer zu Taiwans Wirtschaftsentwicklung geleistet haben, wurden übertrieben", findet er. "Bei der Betrachtung dieser Periode in der taiwanischen Geschichte brauchen wir einen neutraleren Standpunkt."

Nichtsdestoweniger haben die Europäer gewiss eine Spur in der Frühphase der taiwanischen Geschichte hinterlassen. Während ihrer Herrschaft versuchten beispielsweise die Holländer, die Insel in vier Bezirke einzuteilen und rotationsweise in den verschiedenen Bezirken regelmäßige Treffen mit den Ureinwohnern einzuführen. Dadurch kam es zu Austausch zwischen den verschiedenen Ureinwohnerstämmen, die vorher voneinander getrennt gelebt hatten. Die Einteilung der Verwaltungsbezirke und der Umgang mit den ethnischen Minderheiten diente später als Modell für die Verwalter der Qing-Dynastie (1644-1911).

Zusätzlich wurde anhand einiger historischer Dokumente, welche die Holländer und Spanier zurückgelassen haben, bewiesen, dass viele der chinesischen Einwanderer mit der Absicht nach Taiwan zogen, die Insel zu ihrem ständigen Wohnsitz zu machen, da sie heirateten, Kinder zeugten und Dörfer gründeten. Dieser Beitrag, schließt Ang, sei aussagekräftig.

Die reiche Geschichte der frühen europäischen Präsenz auf Taiwan ist das Thema einer umfangreichen Ausstellung mit dem Titel "Formosa: Taiwan, Holland und Ostasien im 17. Jahrhundert", die vom 24. Januar bis 30. April 2003 im Nationalen Palastmuseum läuft. Mit der Mitarbeit von ungefähr dreißig öffentlichen und privaten in- und ausländischen Museen sowie Privatsammlern werden insgesamt 240 Gegenstände ausgestellt, darunter historische Dokumente, Gemälde, Karten, Modelle und Illustrationen. Die Besucher werden die Gelegenheit haben, eine Reise zurück in die Zeit der europäischen Besetzung zu machen -- eine Zeit, in der Segelschiffe, beladen mit verschiedenen Handelswaren, die verkehrsreichen Gewässer rund um Taiwan durchpflügten. Die Reise wird, wie schon die in der Vergangenheit, sicherlich eine mit neuen Entdeckungen sein.

(Deutsch von Lucie Králová)

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