01.05.2025

Taiwan Today

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Achtzig neue Kostbarkeiten in der Bundeskunsthalle Bonn

28.12.2003
Dr. Wenzel Jacob, Intendant der KAH: "Es gibt kaum eine Sammlung auf der Welt, die so in sich geschlossen ist und die Kulturgeschichte eines bedeutenden Landes so reflektiert wie die Sammlung des Nationalen Palastmuseums." (Foto: Tilman Aretz)

Nach dem Alten Museum in Berlin beherbergt nun die Große Halle der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn für drei Monate die "Schätze der Himmelssöhne" aus dem Nationalen Palastmuseum Taipeh. Achtzig besonders empfindliche Exponate wurden für die Kunstschau am Rhein ausgetauscht. Bei den Ausstellungsvorbereitungen fand die Kuratorin Dr. Ursula Toyka-Fuong verloren geglaubte Bildnisse des Himmelssohnes Kao-tsung, von denen jetzt eines in der Ausstellung zu sehen ist.

Bei den 650 000 Objekten, die die Kaiserliche Sammlung des Nationalen Palastmuseums Taipeh umfasst, ist es nicht so einfach, die richtigen, d. h. die besonders aussagekräftigen Objekte für eine Ausstellung zu finden. Eine komplette Inventarliste über den gesamten Bestand gibt es nirgends. Um sich eine Vorstellung von der Größe der Bestände zu machen: Allein die vor wenigen Jahren fertiggestellte Publikation über die Hängerollen umfasst 18 Bände. Fächer und Handrollen sind darin noch gar nicht erfasst.

Aus einem solchen Konvolut 400 Stücke auszuwählen und diese zu einer repräsentativen und spannenden Ausstellung zusammenzufügen, bedarf einiger Vorbereitungen. Mit dieser Aufgabe war im Falle der Ausstellung "Schätze der Himmelssöhne" in Berlin und Bonn die Expertin ostasiatischer Kunstgeschichte und Sinologin Dr. Ursula Toyka-Fuong als Kuratorin beauftragt. Ihrer Konzeption lag der Gedanke zugrunde, den unverwechselbaren Charakter der kaiserlichen Sammlung und ihre Einmaligkeit aufzuzeigen. Sie wählte deshalb nur Exponate aus, die bereits vor dem Ende des Kaiserreiches 1911 Bestandteil der Sammlung waren. Sammlungsobjekte, die im Westen bisher wenig Aufmerksamkeit gefunden hatten -- wie berühmte Buchdrucke, alte Prachthandschriften und Kunstwerke aus dem 19. Jahrhundert -- bezog sie neben vielen berühmten Ikonen der chinesischen Kunstgeschichte in ihre Auswahl mit ein.

Das Ergebnis bietet dem Besucher Gelegenheit, sich mit der langen Geschichte chinesischer Kunst auseinander zu setzen, mit anderen Augen sehen zu lernen, und etwas mitzunehmen vom Wesen, der Zeitlosigkeit, der Tradition, der Ruhe und der Schönheit der Kunstwerke. Der Besucher soll Eingang finden in eine andere, ferne Welt, deren Kunst auch darin besteht, zu bewahren und zu zeigen, dass das Wissen um die Vergangenheit und das Verbundensein mit den Vorfahren etwas Wichtiges auch für das eigene Leben war und ist.

Für Dr. Toyka-Fuong war es besonders hilfreich, dass sie die Möglichkeit erhielt, direkt in den Archiven des Palastmuseums zu arbeiten. Sie fand dort Stücke, die noch nie ausgestellt und auch noch nie publiziert worden waren. Der größte Fund, eine Zufallsentdeckung, waren jedoch sieben Bildnisse des Kaisers Kao-tsung 高宗(1711-1795, Regierungszeit 1736-1795, bekannter unter dem Namen "Ch'ien-lung"乾隆) aus der Ch'ing-Dynastie (1644-1911). Im Magazin für kostbare Bücher konnte sie sich die alten Werke ansehen und vorsichtig durchblättern. In der dreibändigen Anthologie der "Gedichte des Ch'ing-Kaisers Kao-tsung"(清高宗御製詩) entdeckte sie dann überraschenderweise Bildnisse des Kaisers. Bisher war man im Palastmuseum davon ausgegangen, dass von diesem großen Sammlerkaiser aus dem 18. Jahrhundert gar kein Bild im Palastmuseum in Taipeh, sondern nur eines in Peking existiere. Die Überraschung und Freude über nun gleich sieben Porträts war so groß, dass fünf von ihnen in Taipeh ausgestellt wurden. Sozusagen als "Finderlohn" durften zwei Bilder in Deutschland ausgestellt werden, eines, den jüngeren Kaiser darstellend, war in Berlin zu sehen, in Bonn wird nun ein Bild des älteren Kaisers gezeigt.

Als nach den umfangreichen Vorarbeiten die Vorschlagsliste für die vierhundert Ausstellungsexponate endlich zusammengestellt war, ging es noch einmal ans Verhandeln. Manche Stücke konnten aus grundsätzlichen Erwägungen nicht ausgeliehen werden, andere waren zu fragil, um auf Ausstellungsreise zu gehen, weitere wiederum waren wichtig für die eigenen Ausstellungen in Taipeh. Für die abgelehnten Stücke musste Ersatz gefunden werden. Es entwickelte sich eine gute Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Palastmuseums, die auch Vorschläge für Ersatzexponate machten.

Wann genau die Sammelleidenschaft der chinesischen Kaiser angefangen hat, ist nicht eindeutig geklärt. Aber vielleicht ist die Sammlung viel älter als die nachgewiesenen tausend Jahre. Der erste sichere Nachweis stammt aus dem frühen 12. Jahrhundert. Der damalige Kaiser Hui-tsung 徽宗(1082-1135, Regierungszeit 1101-1125) der Nördlichen Sung-Zeit (960-1126) ließ seine höfische Sammlung in einem Katalog auflisten und abbilden. Allerdings gibt es auch Quellen, die darauf verweisen, dass schon im zweiten Jahrhundert v. Chr. in der Han-Zeit (207 v. Chr. 220 n. Chr.) ein chinesischer Kaiser Kunst gesammelt hat.

Die Geschichte der kaiserlichen Sammlung ist vor allem eine Geschichte der Beständigkeit und des Traditionalismus. Kamen fremde Dynastien an die Macht, war es für die neuen Herrscher zumeist wichtig, die Sammlungen der Vorgänger zu erhalten, zu ergänzen oder wiederherzustellen. Denn Besitz und Mehrung der Schätze aus vergangener Zeit galten auch als Beweis für die Rechtmäßigkeit des "Mandats des Himmels", als Herrschaftslegitimation.

In den Mittelpunkt der Ausstellung stellt Dr. Toyka-Fuong den Menschen, sein Verhältnis zur Natur und zur höfischen Gesellschaft. Naturphilosophie und konfuzianische Ethik waren prägend für die Menschen am Kaiserhof.

Was seit der Einführung des Faches Ostasiatische Kunstgeschichte an den Universitäten Heidelberg und Bonn über chinesische Kunst gelehrt wurde, prägt bis heute unser Bild. Damals wurde vor allem auf die "Kunst der Gelehrten", so wie sie in der chinesischen Literatur beschrieben war, zurückgegriffen. Die chinesischen Gelehrten haben Theorien entwickelt und vertreten, sie haben geschrieben und gemalt, alles in einer Person. Das, was in ihren Augen unwichtig war und nicht in ihre Gelehrtenwelt passte, behandelten sie in ihren Werken nicht. Sie befassten sich weder mit religiöser Kunst noch mit der repräsentativen bunten Kunst des Hofes. Über die pralle Farbigkeit der Volkskunst verloren sie kein Wort.

Am Kaiserhof jedoch fand sich eine höchst pluralistische Gesellschaft zusammen, deren Mitglieder keineswegs nur die "Gelehrtenkunst" schätzten. Die Kaiser selbst -- häufig Gelehrte und manchmal sogar Künstler -- waren immer auch Potentaten, die das Aufwändige, das Bunte und Sinnenfreudige zur Repräsentation nutzten und das Exklusive als dem Himmelssohn angemessen betrachteten. So existierten zwei unterschiedliche Kunstebenen nebeneinander.

Besonders gut ablesen lässt sich das an der Malerei. Ursprünglich war die chinesische Malerei eine figürliche, farbenfrohe Darstellungskunst, die sich um 1000 n. Chr. radikal änderte. Durch die Entwicklung des Gelehrtenstandes und mit seinem wachsenden Einfluss -- begünstigt durch den Buchdruck -- verbreiteten sich deren Ideen ziemlich rasch. Nun wurde die gegenständliche, farbenfrohe narrative Malerei überlagert von einer monochromen, abstrahierenden Tuschemalerei, die mit einem hohen intellektuellen Anspruch einherging und religiös überhöht war. Diese Art der Darstellung, diese Art der Lebenssicht beeinflusste natürlich auch die Literatur und alles das, was als "Kunst" besonders hoch geschätzt wurde, bis in die frühe Gegenwart hinein. Doch daneben blieb die farbenfrohe, prächtige und symbolträchtige Kunst als wichtiger Bestandteil des chinesischen Lebens erhalten. Besonders ausgeprägt kam die "Schlichtheit", wie sie die Gelehrten liebten, in der Sung-Zeit (960-1279) zum Tragen: Da waren auch die Gebrauchsgegenstände einfarbig, die Glasuren der Keramiken waren fahl, selbst ein Blauton hatte einen grauen Schimmer. Später entwickelten sich in der Keramik wieder bunte und farbenfrohe Motive.

In Berlin haben mehr als 110 000 Besucher die Ausstellung gesehen. Offenbar hat sie das, was zu sehen war, so angeregt, dass der Verkauf begleitender Literatur alle Rekorde gebrochen hat. Am letzten Tag der Ausstellung in Berlin wollten die Besucher die Ausstellung nicht verlassen, um sie noch in ihrer Stadt zu behalten. Sie wollten sich einfach nicht mit ihrer endgültigen Schließung abfinden. Erst als die Polizei auftauchte, entspannte sich die Lage.

Jetzt sollten sich alle damit trösten, dass die Ausstellung in Bonn präsentiert wird und dort noch einmal besucht werden kann. Achtzig Exponate -- vor allem Kalligrafien und Tuschebilder auf Seide -- wurden ausgetauscht, weil sie auch unter besten Bedingungen nur drei Monate lang gezeigt werden können, ohne Schaden zu nehmen. Schon diese Fülle der ausgetauschten Objekte wäre eine eigene Ausstellung und einen nochmaligen Besuch wert, meint auch der Intendant der Kunst- und Ausstellungshalle, Dr. Wenzel Jacob.

Seiner Meinung nach wird sich die Ausstellung in "seinem" Haus ganz anders präsentieren, weil sie in nur einem Raum, nämlich der großen Halle, aufgebaut ist. "Wir haben dadurch fließende Übergänge zwischen den einzelnen Zeiten. Man kann die Ausstellung deshalb im Überblick besser erfassen. Außerdem haben wir in Bonn eine bessere Ausleuchtung der Exponate, als das in Berlin möglich war."

Dr. Jacob ist jedenfalls sehr zufrieden über diese herausragende Ausstellung und erwartet für Bonn eine sehr hohe Besucherzahl, wie aus den vielen Gruppenanmeldungen -- auch aus dem Benelux-Raum -- jetzt schon zu schließen ist. Er findet, dass sich die lange Zeit der Verhandlungen absolut gelohnt hat. "Es gibt ja kaum eine Sammlung auf der Welt, die so in sich geschlossen ist und welche die Kulturgeschichte eines bedeutenden Landes so reflektiert wie die Sammlung des Nationalen Palastmuseums. Ich glaube, das war den Einsatz dieser zehn Jahre wert, ich hätte auch zwanzig Jahre daran gearbeitet".

Glücklich, dass dank ihres nie versiegenden Elans diese außergewöhnliche und in der Öffentlichkeit Aufsehen erregende Ausstellung jetzt wahr geworden ist, sind auch Wilfried Gatzweiler, kaufmännischer Geschäftsführer der Bundeskunsthalle, und Chao Tsing-min(趙慶民), Leiter der Presseabteilung der Taipeh-Vertretung in München. Sie hatten 1992 die Idee, Kunstschätze aus dem Palastmuseum in Deutschland zu zeigen und haben sich für die Verwirklichung zielstrebig eingesetzt.

Zu der Ausstellung "Schätze der Himmelssöhne" wurde für Wissenschaftler, Theaterfreunde, Freunde des Tanzes, der Musik und alle Interessierten ein umfangreiches Beiprogramm zusammengestellt. Waren in Berlin schon Löwentänze und das hervorragende "U-Theater"(優劇場劇團), das Theater und Trommeln zu einer neuen Kunstform verschmolzen hat, zu sehen, so kamen am 11. und 12. Dezember Freunde des klassischen chinesischen Musiktheaters auf ihre Kosten. Das Han-Tang Yuefu-Ensemble(漢唐樂府) bot "Yangexing -- Festliche Liebeslieder". Das Programm hat seinen Ursprung in der Nanguan-Oper(南管戲), die in der Han-Dynastie in Mode war. Nach einhelliger Meinung kann man sich der Ästhetik, der Eleganz und dem Zauber, die von einer solchen Aufführung ausgehen, nur schwer entziehen. Ebenfalls für das breite Publikum wurde am 22. November eine "Lange Nacht der Himmelssöhne" mit Volksliedern aus Taiwan, mit Löwentänzen und mit Folklore veranstaltet.

In Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg gab es zum Auftakt der Ausstellung in Bonn vom 21. bis 23. Novem ber ein Symposium "Gelehrtes Treffen im Westlichen Garten -- Kunst in China: Sammlungen und Konzepte". Vom 16. bis 17. Januar 2004 findet dann ein Symposium in Zusammenarbeit mit der Universität Bonn über "Die Kunst der Interpreta tion" mit der Poesie der Tang-Zeit (618-906) und der Kalligrafie der Sung-Zeit statt. Wissenschaftlich abgeschlossen wird die Ausstellung vom 13. bis 15. Februar 2004 mit einem internationalen Symposium in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und der Universität Bonn.



Schätze der Himmelssöhne -- Die
kaiserliche Sammlung aus dem Nationalen
Palastmuseum Taipeh, Taiwan. 21.
November 2003 bis 15. Februar 2004 in
der Kunst- und Ausstellungshalle der
Bundesrepublik Deutschland, Museumsmeile
Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4, 53113 Bonn,
Tel. (0228) 9171-200. Öffnungszeiten: Dienstag-
Mittwoch 10-21 Uhr, Donnerstag-Sonntag
10-19 Uhr. Montags sowie am 24. und 31.
Dezember geschlossen.

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