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28.12.2004
Nach seiner Ankunft in Santiago wurde Taiwans APEC-Vertreter Lee Yuan-tseh (Mitte) von Chiles Staatspräsident Ricardo Lagos (links) begrüßt.

Sie ist zwar nicht die UNO, aber die asiatisch-pazifische Wirtschaftsorganisation APEC erlaubt Taiwan eine internationale Rolle.

An einem Augusttag im vergangenen Jahr machten die Lehrer und Schüler der Wathuayrong-Grundschule, zweieinhalb Autostunden von Bangkok entfernt, einen außerordentlich aufgeregten Eindruck. Dank der Bemühungen des gemeinnützigen Taiwan-Instituts für Wirtschaftsforschung (Taiwan Institute of Economic Research, TIER) und der in Taiwan ansässigen Elektronikfirma Inventec Corp. erhielt die Schule 20 dringend benötigte Computer als Geschenk.

Die Gabe war Teil von Taiwans Beitrag zum Auftrag der Asiatisch-pazifischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit (Asia-Pacific Economic Cooperation, APEC), die digitale Kluft der Region überbrücken zu helfen. Diese Idee war erstmals beim Treffen von APEC-Führern im Jahr 2000 in Brunei vorgeschlagen worden. Ab 2002 arbeitete das TIER ein Jahr lang mit der Branchengröße Inventec, welche die Einrichtungen spendete und die entsprechende Ausbildung anbot, und der Regierung Thailands zusammen. Heute hat laut TIER nicht nur die Grundschule davon profitiert, sondern auch die Gemeinde.

Taiwans Bemühungen in dieser Richtung beschränken sich nicht nur auf Schulen in Thailand. Bei einem Treffen von für Handel zuständigen Ministern in Pucon (Chile) im Juni dieses Jahres erstattete Taiwans Wirtschaftsministerin Ho Mei-yueh einen Bericht über die Fortschritte von Taiwans APEC Digital Opportunity Center (APEC-Zentrum für digitale Möglichkeiten). Der in diesem Herbst in Taiwan in Betrieb genommene Workshop des Zentrums bietet zunächst Kurse für 12 Personen aus sechs Ländern und teilt mit ihnen Erfahrungen aus Bereichen wie elektronische Verwaltung, wo Taiwan gute Leistungen erbringt. Weniger entwickelten APEC-Mitgliedern bei der Informationswissenschaft zu helfen steht in hundertprozentiger Übereinstimmung mit dem Ideal der wirtschaftlichen und technischen Zusammenarbeit (Economic and Technical Cooperation, ECOTECH), einer der drei Säulen, welche die dauerhafte Entwicklung der APEC garantieren.

Neben seiner eindrucksvollen Informationsindustrie nutzt Taiwan auch andere seiner starken Seiten aus, um Beiträge zur ECOTECH zu leisten. Dazu gehören die gut entwickelten kleinen und mittleren Unternehmen, die Taiwans Wirtschaftswunder zu Stande brachten. Im Jahre 2003 veranstaltete Taiwan das erste APEC-Inkubatorforum und bot hundert Repräsentanten aus dem Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen aus der Region Gelegenheiten, damit diese an Taiwans Erfahrungen teilhaben und Methoden für ein leichteres Wachstum der kleinen und mittleren Unternehmen lernen konnten. Die Veranstaltung erwies sich als Erfolg, und im September dieses Jahres fand sie abermals auf der Insel statt und lockte rund 160 Teilnehmer an, ein Drittel von ihnen aus dem Ausland.

Seit letztem Jahr bemüht sich das Forum, kein Papier zu verwenden und allen Teilnehmern zu zeigen, wie in einem Umfeld von elektronischem Handel geschäftliche Transaktionen ohne Papier möglich sind. Dieses Jahr war nach Angaben des Wirtschaftsministeriums, das die Veranstaltung organisierte, das papierlose Forum ein voller Erfolg -- alle Arbeiten wurden an Computern erledigt.

Diese ECOTECH-Entwicklungen hängen direkt mit einer anderen Säule der APEC zusammen, nämlich Erleichterung von Handel und Investitionen, damit die Menschen einfacher und effizienter Geschäfte machen können. ECOTECH-Veranstaltungen erhöhen die wirtschaftliche Stärke von wirtschaftlich weniger entwickelten Staaten und bringen sie dem Niveau entwickelter Länder näher, und damit helfen sie zudem bei der Festigung einer weiteren APEC-Säule: Liberalisierung von Handel und Investitionen in der Region, was leichter erreicht werden kann, wenn das wirtschaftliche Entwicklungsgefälle zwischen den Ländern nicht so steil ist.

Laut den Bogor-Zielen (1994 von den APEC-Führern in Bogor, Indonesien, bekannt gegeben) müssen entwickelte Wirtschaftszonen ihr Handels- und Investitionsumfeld bis 2010 öffnen, Entwicklungsländer bis 2020. Durch ECOTECH scheinen diese Ziele nun leichter realisierbar.

Zwar hat Taiwan Zugeständnisse gemacht, konnte jedoch auch von seiner Beteiligung in der APEC seit 1991 profitieren. Die 1989 auf Anregung des damaligen australischen Premierministers Bob Hawke als Reaktion auf die Unterzeichnung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (North American Free Trade Agreement, NAFTA) und die Ausweitung der EU gegründete Organisation mit Sitz in Singapur ist für Taiwan von großer Bedeutung, besonders weil die APEC eine der wenigen wichtigen internationalen Organisationen ist, die Taiwan seit dem Ausscheiden der Republik China aus der UNO im Oktober 1971 als Mitglied akzeptierte. Für Taiwan bedeutet das eine Gelegenheit, eine Stimme in einer Organisation zu haben, die einen immensen Einfluss auf die Weltwirtschaft hat -- die 21 Mitglieder (Australien, Brunei, Chile, China, Hongkong, Indonesien, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Papua-Neuguinea, Peru, Philippinen, Russland, Singapur, Südkorea, Taiwan, Thailand, USA und Vietnam) tätigen 60 Prozent des globalen Handels und erzeugen über die Hälfte des von allen Ländern der Erde zusammengerechneten Bruttoinlandsprodukts (BIP).

APEC verbindet Taiwan zudem mit dem Rest der Region und bezieht es in Diskussionen über verschiedene Themen von Schutz der Meeres-Ökologie bis Frauenrechte ein. Zwar sind die Beschlüsse und Schlussfolgerungen bei APEC-Treffen nicht bindend, doch die Diskussion an sich ist nach der Beobachtung von Lin Wei-yen, Leiterin der Sektion für Frauenfragen im Innenministerium, positiv. "Taiwans Regierung kümmert sich um Frauenfragen und meint es ernst mit den Vorsätzen, die bei den Konferenzen des Frauenführernetzes ( Women Leaders' Network, WLN) gemacht wurden", versichert sie.

WLN wurde 1996 unter der APEC mit dem Ziel gegründet, die Beteiligung von Frauen in der APEC zu verbessern und Frauenrechte in der Region zu fördern. Vergangenes Jahr präsentierte es Entschließungen, in denen bestimmten Regierungsbehörden empfohlen wurde, Maßnahmen zum Schutz der Interessen von Frauen zu ergreifen. Als Reaktion darauf wies Taiwans Exekutiv-Yuan (svw. Regierungskabinett oder Ministerrat) das Innenministerium an, von den einzelnen Regierungsbehörden regelmäßig Berichte über die Fortschritte gemäß den Empfehlungen des WLN anzufordern, etwa die Ernennung eines Verbindungsbeamten, der mit dem Innenministerium bei Geschlechterfragen in allen diesen Behörden zusammenarbeitet.

Gleichzeitig brachte der Ausbruch der schweren Lungenkrankheit SARS im vergangenen Jahr Taiwan gemeinsam mit Thailand und den USA dazu, die Gründung einer APEC-Gesundheitsprojektgruppe (Health Task Force, HTF) im Oktober 2003 voranzutreiben. Weil Taiwan der Beitritt zur Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) bislang verwehrt wurde, ist die HTF ein besonders wichtiger Mechanismus für Taiwan, weil Taiwan dadurch reibungsloser mit der Welt zusammenarbeiten und im Bereich öffentliche Gesundheit verantwortungsvoll handeln kann, was seit dem Auftreten von SARS weltweit immer mehr Aufmerksamkeit erhält.

Unterdessen erhalten durch APEC viele von Taiwans Ministern und hochrangigen Beamten seltene Gelegenheiten zur Kommunikation mit Amtskollegen aus anderen Ländern. "Taiwan nimmt nur selten an diplomatischen Aktivitäten teil, aber APEC bietet eine ausgezeichnete diplomatische Gelegenheit", bemerkt Wu Rong-i, Präsident von TIER und Generaldirektor des APEC-Studienzentrums Chinese Taipei, einer 1998 unter TIER gegründeten staatlich geförderten Organisation.

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Nicht zu unterschätzen: Die 21 APEC-Mitglieder tätigen 60 Prozent des globalen Handels und erzeugen über die Hälfte des gesamten Bruttoinlandproduktes der Erde. Hintere Reihe von links: Lee Yuan-tseh, Australiens Regierungschef John W. Howard und US-Präsident George W. Bush.

Außerdem steht die Unterstützung der APEC für ein praktikables multilaterales Handelssystem, das dem der Welthandelsorganisation (World Trade Organization , WTO) ähnelt, im Einklang mit Taiwans Interessen. Wegen des Drucks aus China fand Taiwan es schwer, Handelsgespräche mit anderen Ländern in Gang zu bringen und Freihandelsabkommen zu schließen. So gesehen wäre eine reibungslos funktionierende WTO für Taiwan wegen des Wunsches nach enger Beteiligung in der Weltwirtschaft von noch größerer Bedeutung.

Allerdings waren die APEC-Mitglieder von den jüngsten Rückschlägen in der WTO enttäuscht und wurden dadurch bewogen, bilaterale und regionale Handelsgespräche anzustreben. Schuld daran ist das Stocken der WTO-Verhandlungsrunde, die im November 2001 in Doha (Katar) begann und wo Konflikte zwischen entwickelten Ländern und Entwicklungsländern zu Tage traten. Das Debakel setzte sich 2003 bei der WTO-Ministerkonferenz in Cancún (Mexiko) fort, wo die Probleme eigentlich gelöst werden sollten. "Trotzdem sendet die APEC weiterhin deutliche Signale, dass sie auf eine Vollendung der Doha-Runde drängen will", erklärt Tung Kuo-yu, Generaldirektor der Abteilung Internationale Organisationen im Außenministerium.

Eines dieser deutlichen Signale ist die Entstehung der Genfer APEC-Gruppe, die 2003 von Thailand vorgeschlagen wurde und von Taiwan stark unterstützt wird. Der Mechanismus bietet Handelsvertretern, die von APEC-Mitgliedern zum Sitz der WTO geschickt wurden, Gelegenheiten, die Unterschiede zwischen ihren Positionen bei Doha-Fragen zu verhandeln und auszugleichen, um dadurch einen Konsens innerhalb der Region zu erzielen und die Doha-Runde leichter zu machen. Durch die Anstrengungen der APEC sollte die Lösung der Doha-Fragen, obwohl sie hinter den zuvor anberaumten Termin vom 1. Januar 2005 verschoben werden musste, leichter fallen, als man das ohne diese Initiative erwarten könnte.

Im Laufe der Jahre konnte Taiwan dank der APEC nicht nur allmählich ein deutlicheres Profil, sondern auch Respekt erwerben. Taiwan hat beim Umgang mit der APEC jedoch auch mit Problemen zu kämpfen, von denen die meisten mit der Reform der Organisation zu tun haben, was in den letzten zwei Jahren eine größere Angelegenheit war. Momentan bestehen manche Mitglieder darauf, dass die APEC gestrafft und effizienter gemacht wird, indem Foren und Arbeitsgruppen reduziert oder zusammengefasst werden. Es wurde auch angeregt, nicht-wirtschaftliche Themen von der APEC-Tagesordnung auszuschließen.

"Wir sollten auf bestimmten geltenden APEC-Prinzipien bestehen, etwa Konsens bei Beschlussfassung, damit Taiwan vermeiden kann, dass die Reform seine Beteiligung in der internationalen Gemeinschaft schmälert", fordert Wu Rong-i. Konsens bei Beschlussfassung ist ein Prozess, bei dem die Zustimmung aller Teilnehmer angestrebt wird und der damit garantiert, dass auch Ansichten von Minderheiten berücksichtigt werden. Einige Stimmen in der APEC treten nun für Beschlussfassung durch die Mehrheit ein, die keinen Konsens zum Handeln erfordert und sich weniger um die Interessen der Minderheiten kümmert.

Die größte Herausforderung ist natürlich Chinas anmaßende Einstellung gegenüber Taiwan in der APEC und in anderen internationalen Organisationen. "In der APEC sprechen die Leute über wirtschaftliche Zusammenarbeit, eine Einmischung von Politik in ihre Aktivitäten sollten sie nicht zulassen", rät Wu. "Außerdem sind wir alle der APEC als Wirtschaftsräume beigetreten, nicht als politische Gebilde."

Heute findet Taiwan es aus politischen Gründen immer noch schwer, APEC-Veranstaltungen auf hoher Ebene auszurichten, etwa Ministertreffen, an denen die Wirtschafts-, Finanz- und Außenminister teilnehmen, von Treffen der APEC-Führer ganz zu schweigen. "Wir geben uns große Mühe, Gastgeber für Minister-Sektorentreffen werden zu dürfen (die sich auf einen bestimmten Sektor wie Bildung oder Tourismus konzentrieren), aber allzu optimistisch können wir da wegen der gegenwärtigen Disharmonie über die Taiwanstraße nicht sein", bedauert Tung Kuo-yu.

Dass die Treffen der APEC-Führer in Abwesenheit taiwanischer Spitzenpolitiker stattfinden, ist trauriger Brauch geworden. Normalerweise schickt das Gastgeberland einen Brief an Taiwans Staatspräsidenten, der daraufhin höflich absagt und einen Bevollmächtigten schickt. Als das Treffen im Oktober 2001 in Shanghai stattfand, hielt China absichtlich den Brief von Präsident Chen Shui-bian zurück, der -- obwohl nicht eingeladen -- angeboten hatte, zur Vertretung Taiwans den ehemaligen Vizepräsidenten Li Yuan-zu zu entsenden. China lehnte das Angebot ab.

Es gab aber auch Fortschritte. "China scheut sich, bei der Schikanierung Taiwans zu weit zu gehen, um seinen Ruf in der internationalen Gemeinschaft nicht zu beschädigen", interpretiert Wu. Gleichzeitig helfen Taiwans Beiträge zur APEC und seine eindrucksvolle wirtschaftliche Stärke Taiwan dabei, seinen Status zu erhalten und seine Rechte in der Organisation zu bewahren. Taiwan hat seinen Einfluss in der Region spürbar gemacht, und allein im vergangenen Jahr wurden 14 mit APEC zusammenhängende Konferenzen in Taiwan abgehalten. Im Kontrast dazu hat China laut Tung im ersten Mitgliedsjahr von Taiwan in der APEC dem Land auf Schritt und Tritt Steine in den Weg gelegt.

Deswegen sind Computer für Schulen in Thailand weit mehr als nur eine Hilfe zur Überbrückung der digitalen Kluft. Durch seine aktive Rolle in der APEC erhält Taiwan mehr Anerkennung und poliert sein Image auf der Weltbühne auf.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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