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Farbe im Tank

28.06.2005
Chen Huan-kai, Fischzüchter: "Kreuzen ist ein anstrengendes Verfahren. Man muss eine bis zwei Generationen warten, bis man das erwünschte Ergebnis sieht." (Foto: Chang Su-ching)

Mit Diskusfischen rücken Taiwans Zierfischzüchter an die Weltspitze vor.

Wenn Chen Huan-kai nicht daheim im zentraltaiwanischen Nantou ist, wo er Rat zu Fischpflege erteilt und sich um seine gedeihenden Diskusfischschulen kümmert, ist er wie viele von Taiwans reisenden Geschäftsleuten unterwegs, mit nur einem Koffer im Gepäck. Das Interessante dabei ist, dass der Inhalt seines Koffers besonderer Aufmerksamkeit bedarf -- er ist voller Fische.

Der Diskusfisch, der von Zierfischfreunden weithin als "König der Aquariumfische" anerkannt wird, war von österreichischen Biologen Mitte des 19. Jahrhunderts in den warmen, langsam fließenden Gewässern des Amazonas und seinen Nebenflüssen entdeckt worden. Seitdem wurden Diskusfische, die ihren Namen ihrer scheibenförmigen Gestalt verdanken, in alle Welt verschickt. In freier Wildbahn gibt es nur fünf Unterarten, doch in der Folgezeit wurden durch Zuchttätigkeit Farben und Formen von fast unbegrenzter Vielfalt geschaffen, die nun im Handel erhältlich sind.

"Mischen Sie die Nummern zwei und vier zusammen, und vergessen Sie nicht, noch mehr hinzuzufügen, wenn Sie das Wasser wechseln", mahnt Chen, der gerade jemandem per Handy erklärt, wie die Fischmedizin zu mischen sei. Der 35 -jährige Betreiber von Fish King Discus fordert einen Kunden auf, einen Blick auf die Hunderte von Becken in seinem Laden zu werfen. "Es wird eine Weile dauern, bis sie die Medizin vollständig aufgenommen haben, weil ihre Eingeweide durch die Parasiteninfektion kürzer geworden sind", ergänzt er geduldig.

Allein letztes Jahr reiste Chen nach Australien, China, Deutschland und Malaysia. Zwar bedeuten diese Auslandsreisen für ihn beträchtlichen Druck, etwa weil er dann 10 Tage lang in Messehallen eingepfercht ist, doch seine Bemühungen wurden mit Welttiteln belohnt.

Das seit 1996 alle zwei Jahre stattfindende Internationale Diskus-Championat in Duisburg lockt mit den höchsten Preisgeldern und löste den heftigsten Wettbewerb aus. Im Eröffnungsjahr gewannen taiwanische Teilnehmer den Preis für die beste wildlebende Form. Von den über 300 Diskusfischen aus über 20 Ländern im Oktober 2004 gewannen die rot getüpfelten Varianten, die Schlangenhautvarianten und die fest-türkisen Varianten von Fish King insgesamt sechs Medaillen -- zwei Mal Gold, zwei Mal Silber und zwei Mal Bronze. Der mit Gold ausgezeichnete rotäugige Türkis wurde zudem als Zuchtbester geehrt, die begehrteste Auszeichnung des Wettbewerbs.

"Kreuzen ist ein anstrengendes Verfahren", seufzt Chen. "Man muss eine bis zwei Generationen warten, bis man das erwünschte Ergebnis sieht." Die wenig attraktiven weißen oder grauen Fische, von denen er etwa 20 000 Stück herumschwimmen hat, stellen ein entscheidendes Zwischenstadium für die Entwicklung des Glanzes, der Farben und Muster dar, auf die Chen hinarbeitet.

Diskusfisch-Liebhaber und züchter findet man überall in Europa, Ostasien und Amerika. Südostasiatische Länder wie Singapur, Malaysia, Thailand und Taiwan bilden eine Drehscheibe für hochwertige Diskusfischzucht. Taiwans Diskusfischgewerbe erreichte laut Chen, der auch dem Taiwan-Diskusfischverband vorsteht, Ende der neunziger Jahre einen Höhepunkt. "Begehrte Formen wie die rotgefleckte Variante kosten Zehntausende von Dollars das Stück", enthüllt er. Im Jahre 1998 stellte ein für den Verkauf in Japan bestimmtes taiwanisches Diskusfischpaar einen Verkaufsrekord von 200 000 US$ auf.

Über die Hälfte der Produktion von Fish King Discus ist für den Export bestimmt, doch der einheimische Markt zeigt Anzeichen der Erholung. "Für die Exportförderung hat die Präsenz bei internationalen Ausstellungen höchste Priorität", erklärt Chen, dem eine der größten Diskusfischfarmen in Taiwan gehört. "Die Preisträger werden sofort berühmt und bekommen hervorragende Geschäftsgelegenheiten." Seit er den höchsten Preis der Welt gewann, haben sich die internationalen Anfragen fast verdreifacht.

Jeder internationale Wettbewerb hat unterschiedliche Kriterien zur Bewertung der Preisträger. Der Wettbewerb in Duisburg bevorzugt große, geschwungene Fische, während die alle zwei Jahre in Singapur stattfindende Aquarama-Ausstellung -- dieses Jahr im Mai, was Chen sich schon früh in den Terminkalender geschrieben hatte -- größeren Wert auf Variationen bei Hautfarbe und Mustern legt. Auch andere taiwanische Züchter möchten gern an internationalen Ausstellungen teilnehmen, doch die Transportkosten sind exorbitant und belaufen sich für die Hin- und Rückfahrt jedes Diskusfischs auf rund 10 000 NT$ (250 Euro).

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Diskusfische wurden im 19. Jahrhundert im Amazonasgebiet entdeckt und sind mittlerweile in Aquarien auf der ganzen welt zu finden. (Foto: Chang Su-ching)

Chen erwarb sich sein Fischzucht-Fachwissen, indem er von klein auf Fische hielt. Er hatte zwar eine normale Kindheit, wandte aber seine gesamte Freizeit und all sein Taschengeld für Fische auf. Seinen ersten Diskusfisch kaufte er sich als Mittelschüler in der einzigen Zoohandlung für tropische Fische in Nantou, zehn Jahre später machte er seinen eigenen Laden auf.

Zwar zerstörte das schwere Erdbeben am 21. September 1999 die meisten seiner Becken, doch Chen blieb im Diskusfisch-Geschäft. "Seine Weltmeisterschaft ist eine herausragende Leistung", lobt Chu Tah-wei, Aquakultur-Professor an der National Kaohsiung Marine University. "Sein vorzügliches technisches Niveau belegt die hohe Qualität von Taiwans Zierfischzucht."

Chu dient auch als Generalsekretär der Asiatisch-pazifischen Zierfischunion. Zu der 2001 vom Fischereiamt des Landwirtschaftsrats eingerichteten Organisation gehören Fischfarmer aus ganz Asien. Bei den regelmäßigen Konferenzen, Seminaren und Ausstellungen geht es um die Herausforderungen bei Zucht und Marketing, mit denen das Zierfischgewerbe der Region zu tun hat. "Die Union bemüht sich, nach Taiwans Beitritt zur Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) Taiwans Position im Fischzuchtgewerbe zu halten", verkündet Chu.

Zierfische sind ein großes und wachsendes Geschäft im Fischzuchtgewerbe -- der Wert des Marktes wird auf annähernd 5 Milliarden US$ geschätzt. Von Taiwans gesamten Zierfischverkäufen machen Exporte über die Hälfte aus, ähnlich wie bei Chens eigenem Diskusfischgeschäft. Im Jahre 2003 war es eines der wenigen landwirtschaftlichen Exportgeschäfte, die von den Auswirkungen der SARS-Epidemie unberührt blieben, und es wurden Rekordverkäufe in Höhe von über einer Milliarde NT$ (25 Millionen Euro) verzeichnet, eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 13 Prozent. "Vor fünf Jahren beschrieb das Fischereiamt das Geschäft als Stern der Zukunft", weiß Chu. "Nun ist der Stern voll aufgestiegen."

Taiwans einheimische Fischfarmer haben laut Chu die Erfahrung und technologische Kompetenz, über 300 Arten von Zierfischen zu züchten. Vergangenes Jahr baute die National Taiwan Ocean University im nordtaiwanischen Keelung mit Hilfe des Fischereiamtes eine Zierfisch-Datenbank auf. Das Ziel der Einrichtung besteht in der Sammlung von 5000 Fischarten aus der ganzen Welt, heute gibt es bereits rund 250 Arten, darunter auch bedrohte oder seltene Arten aus ökologisch empfindlichen Gebieten. Sie behält außerdem das Geschäftspotenzial im Auge, indem bei verschiedenen Arten die Möglichkeit der künstlichen Fortpflanzung erforscht wird.

Trotz der zunehmenden Hilfe durch die Regierung fehlt es den vielen kleinen und mittleren Aquakultur-Unternehmen Taiwans oft an angemessenen Ressourcen. "Unsere Zuchttechniken gehören vielleicht zu den besten der Welt, wir haben jedoch Probleme bei der internationalen Vermarktung", verrät Chen und weist darauf hin, dass Taiwans Züchter hinsichtlich Unterstützung durch die Regierung nicht mit dem Elektroniksektor mithalten können. "Anders als in Malaysia oder Singapur lockt nicht eine einzige Zierfischfirma in Taiwan Kapital von der Börse an."

Erst vor kurzem begannen einheimische Züchter, Ausstellungen im Ausland zu besuchen, um Bestellungen zu bekommen. "Es ist eine gute Methode zur Expansion des Gewerbes", findet Chen und meint damit die Aquarama-Veranstaltung in Singapur. "Aber natürlich könnten wir auch Hilfe von der Regierung gebrauchen."

Es gibt den Mythos, dass das Halten von Diskusfischen schwierig sei. Auf Diskusfische aus freier Wildbahn mag das zutreffen, doch die heutigen im Aquarium gezogenen Arten kann man viel leichter in Form halten. "Es ist so, als ob man einen Hund hat", behauptet Chen. "Es kommt darauf an, ob man sich wirklich darum kümmert." Mehrere Fische, die er über ein Jahr in einer vergessenen Ecke hielt, starben nicht, sondern wurden nur ein wenig kleiner und blasser. Sie überleben also auch ohne zusätzliche Pflege, ergänzt er. Zum Glück geht Chen mit seinen Fischen nicht nachlässig um, und dank engagierter Züchter wie ihm hat das Land eine Chance, das Wachstumspotenzial der Branche voll ausschöpfen zu können.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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