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Comeback der Buntbarsche

28.02.2006
Taiwan erzeugt rund 90 000 Tonnen Tilapia im Jahr.

Wuguo, ein gewöhnlicher Süßwasserfisch, erfreut sich unter dem neuen Namen Taiwan-Tilapia einer zunehmenden Beliebtheit und ist auch als Exportware erfolgreich.

Der Name "Tilapia", der eine aus Afrika stammende Fischgattung bezeichnet, ist in Taiwan so gut wie unbekannt, aber unter "Wuguo"(吳郭) -- ein kräftiger Flussfisch, der in magereren Jahren eine leicht verfügbare Proteinquelle darstellte und heute die Kassen der Exporteure füllt -- können sich die Menschen hier schon mehr vorstellen.

Der Name Wuguo geht auf die Taiwaner Wu Jhen-huei und Guo Ci-jhang zurück, die 1946 Tilapien auf der Insel einführten. Wu und Guo waren während des Zweiten Weltkrieges von der japanischen Armee eingezogen worden und konnten nach Kriegsende aus Singapur fünf männliche und acht weibliche Tilapia-Jungfische mitbringen. Guo stellte fest, dass sie sich gut an die Umgebung anpassten und rasch wuchsen. Er gab ein paar von ihnen einheimischen Bauern, die sie in Fischteichen züchteten. Die häufigen Überschwemmungen auf der Insel trugen die Tilapien bald in Taiwans Flüsse, und die Fische wurden eine der häufigsten Arten im Land. Nach Angaben der Nahrungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization, FAO) sind die unter verschiedenen Namen in 85 Ländern gezüchteten Tilapien die wichtigste Zuchtfischart der Welt.

In den fünfziger und sechziger Jahren begannen Forschungsorganisationen in Taiwan, darunter das Fischerei -Forschungsinstitut und Fischerei-Abteilungen in den Universitäten, verschiedene Tilapia-Arten miteinander zu kreuzen, und erzeugten einen fleischreicheren Fisch, der zudem widerstandsfähiger gegen Krankheiten war als der ursprüngliche Wuguo. Gegenwärtig werden in Taiwan acht Sorten gezüchtet, die bislang noch nicht als neue Arten klassifiziert wurden, aber allgemein "Taiwan-Tilapia" genannt werden, ein verbreitetes Produkt auf Fischmärkten der ganzen Welt.

Noch vor dem Aufkommen der neuen Kreuzungen war Tilapia ein herzhafter Fisch, der sich fast überall vermehrte, wo er schwimmen konnte. "Ein Bauer musste einfach nur einen Teich buddeln und Jungfische reinkippen, und ein Jahr später oder so waren dann ein paar Tonnen Fisch drin", verrät Wong Siou-jheng, dem heute 80 Hektar Tilapia-Fischteiche im Landkreis Tainan gehören. "Es bedeutete Profit ohne große Mühe."

Einer der Gründe, warum die Tilapien sich so schnell vermehrten, war ihr Ernährungsverhalten -- diese Kiemenatmer sind nicht wählerisch. Damals war "integrierte Landwirtschaft" eine häufige Praxis, wobei Bauern nicht nur Feldfrüchte anbauten, sondern auch Schweine, Hühner und Enten züchteten und ein paar Fischteiche hatten. Der Tierkot wurde als Futter direkt in den Fischteich geworfen.

Nach den Worten von Chiang Fu-sung, geschäftsführender Direktor der Taiwan-Tilapiaallianz (T2A) und Professor am Institut für Angewandte Wirtschaft der National Taiwan Ocean University in Keelung, ist Wuguo aufgrund seiner hohen Toleranz für ungünstige Umweltbedingungen für diese Art von Billigzucht perfekt geeignet. Zwar konnte die Füttermethode ein leicht schlammiges Aroma hervorrufen, doch der Fisch wurde zu einer wichtigen Eiweißquelle für viele taiwanische Familien.

Die Leichtigkeit, mit welcher der Fisch gezüchtet werden kann, hatte auf dem Markt ein Überangebot zur Folge. Die von Fischteichen bedeckte Fläche wuchs von 2500 Hektar im Jahre 1970 auf über 11 000 Hektar im Jahre 1985. "Wie bei allen Branchen muss es eine Balance zwischen Angebot und Nachfrage geben", findet Wong. "Als es mehr Fische gab, als die Menschen verzehren konnten, und das war bei Tilapia der Fall, fielen die Preise."

Der inländische Markt für Tilapia schrumpfte auch aus einem anderen Grund -- Taiwan entwickelte sich wirtschaftlich und die Menschen wurden wohlhabender. Laut Großhändler Jiang Jhao-rong war Tilapia leicht verkäuflich, doch bei den Menschen hatte sich der Eindruck festgesetzt, dass diese Fische Fäkalien fraßen, und sie galten daher als Produkte am unteren Ende der Skala. "Als alle Menschen arm waren, war es ein Fisch für Jedermann, und als die Leute reicher wurden, wurde es zum Arme-Leute-Fisch", charakterisiert er. "Sobald mehr Optionen auf dem Markt waren, bevorzugten die Menschen besseren Fisch auf dem Abendbrottisch."

Mit den veränderten Geschmacksvorlieben wandelte sich indes auch der Tilapia. Laut Chiang Fu-sung entwickelten sich die Zuchttechniken im Laufe der Jahre weiter, und heute liefern automatische Füttermaschinen nahrhaftes Futter und keine Abfälle. Die Bauern sind bei ihren Teichen zudem zu Geschlechtertrennung übergegangen, damit die Fische sich nicht über die Kapazität der Teiche hinaus vermehren. Infolgedessen ist bei Taiwans Wuguos der fragwürdige Geschmack verschwunden, stattdessen entfaltet sich das wahre Aroma des Tilapia-Fleisches. "Tatsächlich ist Taiwan bei der Tilapia-Zuchttechnik eines der am weitesten fortgeschrittenen Länder", prahlt Chiang.

Eine der vielleicht großartigsten Veränderungen im Tilapia-Geschäft ist in der Verarbeitungstechnologie erkennbar, dank der Taiwan die Fische auf Märkte der ganzen Welt liefern kann. Ozon-Sterilisierung und Schockfrostung erlauben die Bewahrung der festen Textur des Fisches in der Verpackung.

Laut Chiang ist Taiwan das erste Land, das gefrorenen Tilapia-Fisch und Tilapia-Filet exportiert. Als die Ersten auf diesem Markt haben die taiwanischen Erzeuger in Japan und den USA hübsche Gewinne gemacht. Ende der neunziger Jahre wurde fast die gesamte Tilapia-Produktion Taiwans nach Übersee ausgeführt, wo der gute alte Wuguo als Sashimi, Fischfilet oder süßsaurer Fisch feilgeboten wurde.

Comeback der Buntbarsche

Durch Schockfrostung in flüssigem Stickstoff wird der Fisch für den Export vorbereitet.

Konkurrenz für Taiwans Exporteure trat jedoch bald in China und südostasiatischen Ländern auf den Plan. Die Einfachheit der Zucht dieser Fischart machte den Konkurrenten den Einstieg leicht. Länder wie China können dank ihrer niedrigeren Lohn- und Grundstückskosten Fisch in großen Mengen und zu günstigeren Preisen züchten. Derzeit beträgt die jährliche Tilapia-Produktion in Taiwan etwa 90 000 Tonnen, in China dagegen über eine Million Tonnen. "Die Qualität ihrer Fische ist nicht so gut wie bei uns, aber die Chinesen erobern den Markt mit niedrigeren Preisen", enthüllt Chiang. Tatsächlich hat China Taiwan als größter Lieferant auf dem US-amerikanischen Markt verdrängt.

Als die Gewinne aus Exporten nach Japan und Amerika zurückgingen, versuchten Taiwans Tilapia-Bauern auf den europäischen Markt zu expandieren. Die Fischpreise in der EU sind rund 20 Prozent höher als in Japan oder den USA, so dass die EU für Tilapia aus Taiwan ein idealer Markt zu sein schien. Vor zwei Jahren wurde jedoch eine Tilapia-Lieferung von Taiwan nach Europa abgewiesen, weil man in dem Fisch Spuren von Antibiotika entdeckt hatte, und der taiwanische Exporteur konnte nicht erklären, in welcher Phase der Produktion der Hund begraben lag.

Die Verwendung von Antibiotika und anderen Medikamenten ist in Taiwan nicht unüblich, da manche Bauern die Dichte ihres Fischbestandes in den Teichen weiter erhöht haben. In manchen Fällen kann es jedoch vorkommen, dass Bauern, die es mit dem Verzicht auf Medikamente sehr genau nehmen, trotzdem am Ende belasteten Fisch haben. Wong Siou-jheng machte selbst diese frustrierende Erfahrung: "Macht es Sinn, dass Fisch, den man mit aus Europa importiertem Futter gezüchtet hat, bei einem EU-Medikamententest durchfällt? Genau das ist mir passiert."

Die strengen Bestimmungen der EU wurden für viele taiwanische Exporteure zu einem Hindernis. Yang Shu-fen, Eigentümerin der Tilapia verarbeitenden Firma Sei Koh Shokuhin Co., gehört zu den Wenigen, die immer noch nach Europa exportieren. Yangs Fabrik im Industriegebiet Yijhu (Landkreis Chiayi) hat eine Kapazität von drei Tonnen Tilapia-Filet pro Tag. Der Fisch ist innerhalb einer Stunde versandfertig, nachdem er einer Prozedur mit rund einem Dutzend Schritten unterzogen wurde, darunter einer 10-minütigen Ozon-Sterilisierung und 20 Minuten Schockfrostung in flüssigem Stickstoff. Darüber hinaus erfüllt die Fabrik sämtliche Sicherheits- und Regelstandards. Laut Yang könnte aber jeder Schritt von der Fütterung bis zur Verarbeitung und Transport Verunreinigungen mit Medikamenten zur Folge haben. Sie trägt nach eigenen Worten dafür Sorge, nur mit Leuten Geschäfte zu machen, denen sie vertraut.

Trotz der Schwierigkeiten beim Vordringen in Märkte der Oberklasse wollen Taiwans Tilapia-Verkäufer genau dort hin. Damit der Fisch erfolgreich an anspruchsvolle Verbraucher verkauft werden kann, müssen die Tilapia-Erzeuger eine stetige Versorgung mit hochwertigem Fisch bieten. Um dem Gewerbe dabei zu helfen, herauszufinden, welche Standards zur Gewährleistung von Qualität und Liefermengen erforderlich sind, wurde 2002 die gemeinnützige, nicht-staatliche T2A gegründet.

Eine der obersten Prioritäten der Allianz besteht darin, die Bauern zur Annahme einer detaillierten Protokollpraxis zu bringen, damit sie die Herkunft der Jungfische, die Wassertemperaturen in den Zuchtteichen, die Art des Futters und andere wesentliche Informationen zurückverfolgen können. "Der Zweck ist der Aufbau eines transparenten und zurückverfolgbaren Zuchtprotokolls für jeden Fisch", erläutert Chiang Fu-sung. "Den Verbrauchern werden einige der Details wohl egal sein, aber durch Protokolle kann eine Fischfarm einen guten Ruf aufbauen. Wenn was schiefgeht, kann das Problem leicht in Ordnung gebracht werden."

Zwar werden immer noch zwei Drittel aller taiwanischen Tilapien exportiert, doch T2A bemüht sich um Werbung für den Fisch auf dem Inlandsmarkt. Das größte Hindernis dabei ist immer noch das Image des Arme-Leute-Fisches. "Es ist zehn Mal schwieriger, ein altes Image zu ändern, als ein neues aufzubauen", klagt Chiang. "Deswegen wollen wir nicht so sehr versuchen, die Einstellung der Menschen gegenüber 'Wuguo' zu ändern, sondern halten es für leichter, dem Fisch einfach einen neuen Namen zu geben." Laut Chiang hat die Buntbarsch-Familie, zu der Tilapia gehört, auf Mandarin-Chinesisch einen wohlklingenden Namen, nämlich cihdiao(慈鯛) , daher dachte sich T2A den Namen "Taiwan-Diao"(台灣鯛) aus, also Taiwan-Tilapia. Allerdings wird nicht jeder Wuguo automatisch zu einem Taiwan-Diao. Nur Tilapien, die auf Höfen gezüchtet und in Fabriken verarbeitet wurden, die von Taiwans Landwirtschaftsrat (Council of Agriculture, COA) anerkannt sind, erhalten den Taiwan-Tilapia-Stempel und eine Identifikationsnummer, mit der die Verbraucher alles über den Fisch auf der T2A-Website ermitteln können.

"Vermarktung im Inland war bei der Namensänderung natürlich die wichtigste Erwägung", gesteht Chiang. "Dazu war es eine gute Gelegenheit, ein vollkommen transparentes Gewerbe von der Zucht bis zur Lieferung aufzubauen, was sowohl den Verbrauchern als auch dem Gewerbe nützt."

Der Taiwan-Tilapia erlebt auf dem inländischen Markt trotz der Konkurrenz aus China und Südostasien nun langsam ein Comeback. Der Fischzüchter Wong Siou-jheng beschwert sich, dass die Herkunft mancher Importe nicht klar auf den Etiketten ausgewiesen ist und manche umgepackt werden, damit sie als taiwanische Produkte durchgehen. "Ich habe nichts gegen Konkurrenz, wenn sie fair ist", behauptet er. "Wenn man die Produkte korrekt etikettiert, gibt es von meiner Seite aus keine Beschwerden, selbst wenn die Kunden sich für schlechtere Qualität zu billigeren Preisen entscheiden."

Nachdem die Regierung sich lange aus dem Tilapia-Geschäft herausgehalten hat, überprüfte sie nach Taiwans Aufnahme in die Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) im Januar 2002 ihre Landwirtschaftspolitik. Ihr wurde die Rolle klar, die der Taiwan-Tilapia bei der Förderung von Taiwans Image spielen kann. Im Jahre 2003 listete der COA Taiwan -Tilapia gemeinsam mit der Schmetterlingsorchidee, Oolong-Tee und Mangos als "landwirtschaftliche Flaggschiff-Exportprodukte" auf.

Auch wenn sich der Ruf von Taiwan-Tilapia verbessert, zieht sich die Fischzucht Kritik zu, weil sie zu viel Grundwasser verbraucht und zur Verschlechterung der Bodenqualität beiträgt. Chiang Fu-sung für seinen Teil hält es dagegen für unfair, alle Schuld daran der Fischzucht zuzuschieben, da der herstellende Bereich viel mehr Grundwasser verbrauche als die Fischzüchter. Nach Wongs Ansicht würden die Bauern von einer klaren Staatspolitik profitieren. "Wenn man mir sagt, es sei nun offizielle Politik, dass Taiwan die Fischzucht aufgebe, dann könnte ich damit leben", bemerkt er. "Es ist aber nicht fair, wenn Sie den Fisch kriegen und ich an allem schuld bin."

Chiang weist außerdem darauf hin, dass das kontrollierte Umfeld eines Fischteichs eine stabile Alternative zu den sich verändernden Meeren darstellt. "Verschmutzung und Überfischung erschöpfen die Naturschätze, daher wird Aquakultur letztendlich der zuverlässigste Lieferant für Fischereiprodukte sein", prophezeit er. Überdies wird der robuste Fisch, der auf eine so vielfältige Geschichte über die letzten fünfzig Jahre zurückblicken kann, unter jedem Namen weiter eine bedeutende Rolle in Taiwans Aquakultur spielen.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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