Genetische Veränderungen haben in Taiwan leuchtende Fische hervorgebracht, und das fluoreszierende Ziergetier verkauft sich wie geschnitten Brot.
Wenn Andrew Fang, Vizepräsident der Taikong-Gruppe, die kleinen Fische betrachtet, die in einer langen Reihe von Becken im Forschungszentrum des Unternehmens schwimmen, sieht er auch die unbegrenzten Möglichkeiten der Schöpfung. "Jedes Becken ist ein potenzieller Anfangspunkt großer Errungenschaften", verkündet er.
In der Tat sind die Fische keine natürlichen Bewohner von Flüssen und Meeren, sondern Produkte aus der Retorte. Jeder wurde zur Erhöhung seiner Attraktivität auf dem Zierfischmarkt genetisch verändert, und keiner fesselt den Blick so sehr wie die überirdisch leuchtenden Fische. "In spärlich beleuchteten Orten wie Kneipen sehen sie echt cool aus", findet Fang.
Die spektralen Wesen haben zweifellos Furore gemacht. Das Time-Magazin stufte Leuchtfische unter den 40 coolsten Erfindungen des Jahres 2003 ein, und im gleichen Jahr kamen Redakteure der weltweit angesehenen Zeitschrift Science sowie der Discovery Channel nach Taiwan, um darüber zu berichten. Die aufregende neue Fischsorte fand später auch Eingang in ein Biotechnologie-Lehrbuch für US-amerikanische Universitätsstudierende.
Die Taikong-Gruppe hofft, dass sich aus dem Interesse für die Leuchtfische größere Gewinne ergeben. Das 1977 gegründete Unternehmen exportierte anfangs Aquariumfische via Hongkong in die ganze Welt. Zur Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit gründete Taikong 1996 eine Abteilung für Forschung und Entwicklung, um Biotechnologie an Zierfischen anzuwenden. In der Fischbank, wo die genetisch veränderten Fischarten geschaffen werden, wurde im Jahr darauf Leuchtfisch gelaicht. Die Technologie für den Durchbruch beruhte auf Forschung von Tsai Huai-jen, Professor und Direktor des Instituts für Molekular- und Zellbiologie an der National Taiwan University (NTU) in Taipeh. Im Jahre 2001 gab Tsai bekannt, dass seine Experimente fluoreszierende Fische hervorgebracht hatten, und Taikong sah das Potenzial, sie als Aquariumfische zu verkaufen. Die Taikong-Gruppe holte Tsai in ihr Team, und mit seiner Forschung konnte die Firma seitdem 15 Arten leuchtenden Fisch züchten, von denen fünf bereits auf dem Markt sind.
Das durch genetische Veränderung erzeugte spektrale Leuchten verwandelt normal aussehende japanische Medaka und Zebrafische in etwas Lebhafteres fürs Becken. Mit beiden Fischarten wurde lange experimentiert, und nun sind auch fluoreszierende Versionen von ihnen entstanden. Für die Veränderung extrahierten Forscher aus Quallen und Korallen Gene mit einem Leuchtprotein und injizierten sie in die Fischembryos. Die Methode wurde in Taiwan an anderen Wesen ebenfalls ausprobiert. Dieses Jahr gelang Forschern der NTU die Erzeugung der ersten fluoreszierenden Schweine der Welt, ein Beleg für die Stärke des Landes im Biotechnologiesektor und die seltsameren Möglichkeiten der Wissenschaft.
Leuchtfische werden von der Wissenschaft schon seit einiger Zeit als Forschungswerkzeuge benutzt. Das Leuchten dieser Fische ist gerade hell genug für Forschungsarbeit, reicht aber nicht für die Verwendung in Zierfischen. Nach den Worten von Chu Tah-wei, Aquakultur-Professor an der National Kaohsiung Marine University, hatten die Wissenschaftler auch nicht an Kommerzialisierung gedacht, bevor Tsai mit Taikong zusammenzuarbeiten begann. Bislang haben nur Singapur und Taiwan genetisch veränderte Arten in den Handel gebracht. "Wir haben schon eine Menge genetisch veränderter Pflanzen auf dem Markt, aber dies ist das erste Mal, dass genetisch veränderte Tiere in großen Mengen frei verkauft werden", berichtet Chu. Und Taiwan scheint bei dieser Entwicklung den Weg zu weisen. Beide Länder züchten zum Beispiel Zebrafische mit leuchtender Muskulatur, doch nur Taiwan gelang die Erzeugung eines "komplett hellen" Medakafisches mit leuchtender Materie in jeder Zelle.

Beim Kreuzen gehören Taiwans Fischzüchter zur Weltspitze und haben Verkaufsschlager wie den blutroten Papageienfisch (Cichlasoma hy.) hervorgebracht.
Die Injektion luminöser Gene ist bei der Zucht der Fische nur der erste Schritt. Die Forscher müssen dann warten, bis die Fische heranreifen, sich paaren und vermehren. Wenn der Nachwuchs die gleichen Lichtgene trägt wie die Eltern, gilt das Projekt als Erfolg. Laut Fang werden die Fische vor dem Verkauf sterilisiert. "Wir tun unser Bestes, die Fische unfruchtbar zu machen, auch wenn es bei manchen Arten unmöglich ist, eine hundertprozentige Sterilität zu erreichen."
Das Unternehmen sterilisiert die Fische aus zwei Gründen. Erstens ist nicht jeder von dem Gedanken begeistert, dass sich genetisch veränderte Leuchtfische außerhalb einer kontrollierten Umgebung fortpflanzen. Taikong versucht diese Bedenken durch den Verkauf von Fischen, die sich nicht vermehren, zu zerstreuen. Trotz der Sterilisierungsbehandlung besteht immer noch die Möglichkeit, dass manche fluoreszierenden Fische sich fortpflanzen. Zweitens möchte Taikong die Vermehrung aber auch aus kommerziellen Gründen unterbinden und sich so das Marktpotenzial für sich selbst sichern. Das Unternehmen hat für die genetisch veränderten Produkte und für die Techniken zu ihrer Schaffung bereits die Lizensierung und Urheberrechte in Taiwan und im Ausland beantragt.
Momentan machen die Leuchtfischverkäufe 5 bis 10 Prozent der Gesamteinkünfte von Taikong aus, mit dem Verkauf von Peripherprodukten wie Kaltlichtanlagen zur Intensivierung des Leuchtens der Fische erreicht die Zahl über 20 Prozent. Der Hauptmarkt für die preiswerten lebenden Kuriosa ist derzeit noch das Inland, doch es wird auch in andere asiatische Länder exportiert, besonders nach China und Malaysia. Die USA und die meisten europäischen Länder sind für Leuchtfische wegen Bedenken gegenüber genetisch veränderten Tieren noch unzugänglich.
Taikong versucht diese Vorbehalte mit wissenschaftlichen Vorführungen über die Unbedenklichkeit des Fisches zu zerstreuen. Laut Fang hat sich diese Strategie in Südkorea, wo Leuchtfischen der Marktzugang verwehrt gewesen war, schon bewährt. Eine der Hauptbedenken der Südkoreaner und anderen gegenüber genetischen Veränderungen sind die möglichen Auswirkungen auf die Nahrungskette. Werden Fische, die Leuchtfische fressen, ebenfalls leuchten? Würden sogar Menschen zu leuchten anfangen, wenn die Gene irgendwann in den menschlichen Nahrungskreislauf gelangten?
Taikong machte sich daran, die Nerven mit Wissenschaft zu beruhigen. Um die Koreaner zu überzeugen, führte Tsai ein Experiment durch, bei dem ein großer Fisch sechs Monate lang ausschließlich mit genetisch veränderten Leuchtfischen gefüttert und anschließend seziert wurde -- in seinem Körper waren keine fluoreszierenden Proteine vorhanden. "Dieses Ergebnis ist normal, weil Eiweiß verdaulich ist", doziert Tsai. "Wenn bei Ihnen etwas anderes herauskäme, würden Sie den Nobelpreis erhalten." Die Koreaner ließen sich schließlich erweichen, und neben den Verkäufen in Korea erhält Taikong heute Lizenzgebühren von koreanischen Firmen, welche eine Lizenz zur Massenproduktion der modifizierten Fische bekamen.
Fang glaubt, dass die Akzeptanz für genetisch veränderte Produkte allgemein zunimmt. "Als die Forscher die ersten Experimente mit genetischen Veränderungen durchführten, haben sie zahlreiche Schutzmaßnahmen ergriffen, wie die Ärzte bei der Behandlung von SARS, aber jetzt machen sie das nicht mehr", verrät er.

Die Taikong-Gruppe hofft, dass jedes ihrer Aquarien der Ausgangspunkt für eine lukrative neue Entdeckung sein möge. (Foto: Huang Chung-hsin)
Die Forschung an genetisch veränderten Fischen beschränkt sich nicht auf Techniken für die Erfindung leuchtender Zierfische. So erkunden Forscher beispielsweise die Möglichkeit, fluoreszierende Fische zu einem Werkzeug für die Überwachung der Wasserqualität zu machen. Sie hoffen, dass Fische eines Tages als Anzeiger für die Wasserqualität dienen können, wobei Abstufungen bei der Farbe und die Intensität der Leuchtkraft der Fische den Grad der Wasserverschmutzung anzeigen sollen. Taikong arbeitet mit der NTU, der Academia Sinica und der National Taiwan Ocean University in Keelung zusammen und investiert jedes Jahr rund 5 Prozent seiner Einkünfte in Forschung und Entwicklung.
Im Augenblick konzentriert sich die meiste Forschung bei Zierfischen immer noch darauf, den Aquarien von Sammlern mehr leuchtende Fische zu geben. Unter der Schirmherrschaft von Taikong und dem Nationalen Wissenschaftsrat führt Tsai gegenwärtig ein Projekt durch, um eine größere Art von Zierfisch mit einem roten Schimmer herzustellen. Tatsächlich hat sich Taiwan schon lange dabei hervorgetan, durch Kreuzungen neue Arten zu entwickeln. Ein Beispiel ist die Schaffung des Blut-Papageienfisches vor etwa zwanzig Jahren, eine Mischung aus zwei Arten lateinamerikanischer Buntbarsche (Cichlidae). Der Fisch ist heute noch ein von einheimischen Zierfischhändlern versandter beliebter Exportartikel. Und nach jahrelangen Experimenten konnten taiwanische Züchter eine Variation eines Diskusfisches herstellen, der bei dem alle zwei Jahre stattfindenden Internationalen Diskus-Championat in Duisburg im Oktober 2004 den Titel "Zuchtbester" gewann. Die Kreuzung wurde für ihre perfekte Größe, Farbe und Form gelobt.
"Taiwan verfügt sogar nach internationalen Maßstäben über große technische Expertise bei der Fischzucht", bemerkt Chu. Kreuzen ist tatsächlich eine traditionellere Methode für die Schaffung neuer Arten, und er weist darauf hin, dass Taiwans Expertise in dem Bereich viel dem Wissen zu verdanken hat, das in den vielen südtaiwanischen Zierfischfarmen in Familienbesitz vom Vater an den Sohn weitergegeben wurde. "Kreuzungen bekommen sie normalerweise besser hin als Akademiker", urteilt Tsai. Die Kombination traditioneller Kreuzungstechniken der Fischbauern mit den anspruchsvollen biotechnologischen Experimenten von Wissenschaftlern ist für Taiwans Zierfischgewerbe ein Segen.
Außerdem ist die Nachfrage gleichbleibend hoch. Laut Sharmon Chou, Generalsekretär des Aquarienverbandes der Republik China, werden in rund einem von acht Haushalten in Taiwan Fische gehalten. "In der chinesischen Gesellschaft symbolisiert Fisch Wohlstand, weil das Wort für Fisch(魚) genauso(餘) klingt wie das Wort für Überfluss, daher haben die Menschen gerne welche in ihrer Wohnung oder in ihrem Büro", erläutert Chou. Die Nachfrage nach Zierfisch allein ist für das Gewerbe bereits ermutigend, während der Verkauf von Becken und anderen Aquarienprodukten für noch größere Einkünfte sorgt. Annähernd 60 Prozent des Branchenwertes entstehen aus dem Verkauf von Ausstattung und Zubehör, die Fische selbst machen die übrigen 40 Prozent aus.
Weltweit beläuft sich der Wert der Zierfischindustrie auf jährlich rund 5 Milliarden US$. Um für taiwanische Aquarienfische im Ausland zu werben, half der Landwirtschaftsrat (Council of Agriculture, COA) im Jahre 2001 bei der Gründung der Asiatisch-pazifischen Zierfischunion, einer internationalen Organisation, deren Mitglieder große Zierfischverbände wie den Aquarienverband der Republik China leiten.
Die Gruppe hilft taiwanischen Unternehmen dabei, an internationalen Aquarienfischmessen teilzunehmen, wo Leuchtfische den Leuten die Augen übergehen lassen, wie Chu Tah-wei, der auch als Generalsekretär der Gruppe fungiert, beobachtete. "Wir tauschen außerdem Informationen über Forschung und Entwicklung aus", teilt er mit. "Besonders in dieser Hinsicht übertrifft Taiwan andere Länder."
(Deutsch von Tilman Aretz)