Der Maler Chu Yuan-ching(朱源清) verschafft dem Schwein(豬), einem häufig verachteten Tier, ein neues Image.
Gemäß dem 12-jährigen Zyklus des chinesischen Tierkreises ist 2007 seit dem chinesischen Neujahrsfest am 18. Februar das Jahr des Schweins. In dem Tierkreis ist jedes Jahr nach einem anderen Tier benannt und verleiht den in jenem Jahr Geborenen bestimmte Eigenschaften. Da Schweine pausenlos fressen, den ganzen Tag schlafen können und sich ihr ganzes Leben lang keine Sorgen machen müssen, betrachten die Chinesen das Schwein als glückliches Tier.
In der Literatur werden Schweine dagegen häufig als lüstern, faul, schmutzig und wirrköpfig geschildert, und in traditioneller chinesischer Tuschemalerei werden Schweine selten dargestellt. Selbst im Jahr des Schweines werden in der Regel nur wenige Maler von Kunst- oder Kulturinstituten aufgefordert, ein oder zwei Bildchen von dem Tier zu zeichnen.
Das Kulturzentrum der nordtaiwanischen Stadt Keelung brach mit dieser Tradition und zeigte kürzlich in einer Ausstellung dreißig Tuschegemälde mit Schweinethematik. Die gezeigten Schweinereien stammten allesamt vom selben Künstler, nämlich Chu Yuan-ching, einem Maler mit Vorliebe für das Malen von Mastschweinen. Für Chu, dessen Familienname genauso klingt wie das chinesische Wort für Schwein, wurde mit der Ausstellung ein Traum Wirklichkeit.
Alle Macht den Schweinen
"Schweine leisten großartige Beiträge für die Menschheit", findet Chu. "Heutzutage sind sie ein ideales Objekt für Experimente bei Gentechnik, da ihre Physiologie, Organgröße und ihr Blutkreislauf denen des Menschen sehr ähnlich sind. Und hier in Taiwan lebten früher viele Haushalte von der Schweinemast. Historisch betrachtet hat man den Schweinen viel Unrecht getan. Ich will das Vorurteil, das die Menschen über sie haben, ändern und ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen."
Während seiner Grundschulzeit half Chu seinen Eltern oft beim Füttern der Schweine und hat daher viel persönliche Erfahrung mit Schweinen und Gefühle für sie. "Ich werde nie den Gesichtsausdruck meiner Mutter vergessen, wenn die Zeit zum Verkaufen der Schweine kam", erinnert er sich. "Einerseits weinte sie, weil sie sie weggeben musste, andererseits freute sie sich über das Geld, das sie einbrachten."
Wegen seiner bescheidenen schulischen Leistungen wandte Chu sich der Malerei zu. Er lernte Kunst von der Oberschule bis zum Abschluss eines Magisterstudiums, wobei er seine Magisterarbeit über Schweine schrieb und wohl auch seine berufliche Laufbahn nach den Paarhufern orientierte.
Für seine Magisterarbeit musste er Forschung über die Tierart Schwein betreiben, aber auch über ihre "Kultur" und die Rolle, die sie in der Kultur und Kunst der Menschheit spielen. Damals konzentrierten sich die meisten Forschungsprojekte über Schweine auf Viehzucht, ihre Verwendung in der Medizin und praktische Schweinezucht. Von der künstlerischen Perspektive aus gab es fast gar keine Forschung.

Duft der Blumen. 2006, Tusche auf Papier, 67,5 x 69 cm
Abgesehen vom Seltenheitswert seiner Arbeit gelten Schweine meist als unwürdig für künstlerische Darstellung oder zumindest als eklig, daher wird entsprechenden Werken kein Marktwert zugeschrieben.
Chu pfiff auf die geringe Unterstützung und blieb seinem Schweineidyll treu. Er besuchte häufig das Schweineforschungsinstitut Taiwan (2001 in Tiertechnologieinstitut Taiwan umbenannt) und studierte genau ihre Anatomie und ihr Verhalten, außerdem bemühte er sich um die Ansichten von Experten. Gleichzeitig lernte er das Formen von Keramik, so dass er die Konturen von Schweinen besser zum Ausdruck bringen konnte.
Chu stellte fest, dass Schweine von Natur aus sauber und friedfertig sind, dieses Verhalten sich aber ändern kann, wenn man sie in einen engen Stall sperrt. Wenn sie größer werden, werden sie im Koben wegen Platzmangel inaktiv und übergewichtig. Infolgedessen hält man die Tiere für dreckig und faul, und in der chinesischen Sprache beschreiben die Schimpfwörter "Schweinekopf" und "Schweinehirn" Dummheit und werden als sehr beleidigend empfunden.
"Ich will Schweinen Ehre erweisen, indem ich ihnen ein positives Image verleihe und sie vermenschliche", grunzt Chu. "Sie sind sauber und friedlich und einzigartig schön, daher stelle ich sie gern in schöner Umgebung dar, etwa in einem Wald oder einer Märchenlandschaft, und gebe ihnen verschiedene Gesichtsausdrücke."
Weder dumm noch schmutzig
Chus Absicht scheint gut anzukommen. "Nachdem ich Chus Bilder gesehen habe, hat sich meine Wahrnehmung von Schweinen vollkommen geändert", behauptet Lin Yu-chih, eine Besucherin der Ausstellung. "Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass sie liebenswert und elegant sind, und sie sehen keineswegs dumm und dreckig aus. Der Maler muss Schweine lange und gründlich studiert haben, um sie auf so vielfältige Weise darstellen zu können."
Lin findet, dass besonders ein Werk, in dem Chu eine Schweineherde in einem Blumenbeet platziert, die Schweine mit Schönheit, Duft und Romantik in Verbindung bringt. Durch die Verwendung bunter Farben und scharfer Linien hat der Künstler ihrer Ansicht nach mit Erfolg ein neues Image von Schweinen geschaffen, das sowohl bezaubernd als auch vornehm ist.
Die Grundschullehrerin Chang Chi-chun nahm ihre Schüler im Rahmen einer Klassenfahrt in die Ausstellung mit. "Traditionelle chinesische Tuschegemälde erzeugen normalerweise einen Eindruck von Ausgedehntheit und Spiritualität durch großartige Landschaften, doch das ist für kleine Kinder irgendwie schwer zu verstehen", meint sie. "Von Schweinen haben Kinder eine Vorstellung, und Chus Bilder erregen mehr Gefühle und Interesse. Außerdem ist dieses Jahr das Jahr des Schweines. Ich möchte auch gerne diese Gelegenheit nutzen, die Wertschätzung meiner Schüler für das Tier zu erhöhen, das in Taiwans Bauerngesellschaft eine so wichtige Rolle gespielt hat."
Chang merkt an, dass ihre Schüler aus einer Musikklasse sind. Sie glaubt, dass das Lernen verschiedener Unterbereiche wie zum Beispiel darstellende und visuelle Kunst ihrer allgemeinen Entwicklung förderlich ist. Chang hat eine Vorstellung ihrer Schüler bei der Ausstellung arrangiert, um diesen Aspekt ihres Lernens zu reflektieren.

Entspannt. 2002, Tusche auf Papier, 74,5 x 100 cm
Der Viertklässler Chien Hsiang ist einer der Schüler, der die Ausstellung besuchte. "Die unterschiedlichen Muster und Farben in diesen Zeichnungen finde ich schön", sagt er. "Ich mag Schweine, zum Teil auch weil ich im Jahr des Schweins geboren bin, und ich freue mich zu sehen, dass sie wirklich entzückende Tiere sind."
Wu Chang-peng, Professor an der Graduiertenschule für visuelle Kunst der Städtischen Pädagogik-Universität Taipeh, kennt außer Chu niemanden, der das Zeichnen von Schweinen als Schwerpunkt hat. Er hält das für eine thematische Innovation, und wegen ihres Platzes in der chinesischen Astrologie sind Schweine für ihn bedeutsam.
"Chu bezieht seine Inspirationen aus seiner eigenen Erfahrung, deswegen kann er sie wirklich gut darstellen", urteilt er. "Er bildet liebevoll intime Szenen ab wie eine Sau, die ihre Ferkel säugt, oder Schweine, die sich aneinander lehnen, und er ist sehr geschickt darin, seine Objekte mit nur wenigen Strichen und Punkten zu charakterisieren."
Bei seineren jüngeren Arbeiten hat Chu sich in Richtung eines abstrakteren Stils hin bewegt und verwendet scharf abgegrenzte Linien und schlagkräftige Farben. Lin Chang-te, Professor an der Kunst-Abteilung der Pädagogischen Hochschule Taiwan in Taipeh, bevorzugt diese Werke, die das Konkrete mit dem Abstrakten verbinden. "Chus jüngste Verwendung geometrischer Muster und Zeichen in grellen Farben ist schön -- sie macht sein Werk moderner", lobt Lin. "Der Gebrauch solcher Motive, die eigentlich ein westlicher Stil sind, belebt die Tuschemalerei."
Nach Lins Einschätzung hat Chu gelernt, Eigenschaften und Posen von Schweinen in Zeichen umzuwandeln, die eine eigene künstlerische Sprache erzeugen, und dass diese Sprache charakteristisch von einem quadratischen Rahmen beschränkt wird. Diese Schaffung seines eigenen Stils ist es, die er als Chus Erfolg ansieht.
Wu Chang-peng glaubt, dass Chu auch rechteckige und runde Formate nutzen sollte und dass der Mangel an Bewegung in seinen Werken auf die immer quadratischen Rahmen zurückzuführen ist. Außerdem sollte Chu seiner Ansicht nach seine Materialien diversifizieren, um dadurch mehr Variationen zu erreichen.
Laut Hsieh King-ching, Professor an der National Hsinchu University of Education, dauert es ungefähr zehn Jahre, bis ein Künstler herausragend wird, und Chu habe das erreicht. "Im Gegensatz zu traditioneller chinesischer Tuschemalerei sind Chus Arbeiten innovativ", kommentiert er. "Er ist jung, und bei ihm gibt es noch viel Raum für weitere Entwicklung."
Der 38-jährige Chu erklärt, dass er zwar einen von nur wenigen Menschen beschrittenen Weg gewählt hat, doch seine Arbeit macht ihm viel Freude. "Ich hoffe, dass die Menschen Spaß an meinen Werken haben und, was noch wichtiger ist, die Schönheit und Güte in Schweinen erkennen."
(Deutsch von Tilman Aretz)