Zuo yuezi oder "den Monat sitzen" ist seit 2000 Jahren für Mütter aus dem chinesischen Kulturkreis im Monat nach der Niederkunft eine übliche Sitte. Taiwans sozialer und wirtschaftlicher Wandel hat dem Brauch ein neues Gesicht verliehen.
Die chinesische medizinische Kultur hat für die Pflege nach der Entbindung ihre eigene Tradition, die über 2000 Jahre bis zur Qin-Dynastie (221-206 v. Chr.) zurückreicht. Im Mittelpunkt steht das Konzept zuo yuezi (坐月子), was wörtlich mit "den Monat sitzen" übersetzt werden kann, also eine Ruheperiode für die junge Mutter, während der sie sich gemäß komplizierter Vorschriften mit gesundheitsfördernden Speisen ernährt, die aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften ausgewählt wurden, welche man ihnen in der traditionellen chinesischen Heilkunde zuschreibt. Die moderne Welt hat die Praxis des zuo yuezi jedoch eingeholt. Was früher ein Familienritual war, ist inzwischen zu einem großen Geschäft geworden -- von der Lieferung "medizinischer" Fertigspeisen an die Haustür bis zur Einrichtung voll ausgestatteter Pflegezentren, wo Mutter und Baby sich eines Pflegeniveaus erfreuen können, das nur wenige Privathaushalte bieten können.
Zuo yuezi dreht sich um den Gedanken, dass die Mutter durch die Strapazen der Niederkunft geschwächt ist und leicht krank werden kann. Um das zu verhindern und ihre Rekonvaleszenz zu fördern, muss sie gemäß der traditionellen Praxis eine Reihe von Tabus einhalten und gleichzeitig eine spezielle Kost zu sich nehmen, mit der sie ihre Stärke und Vitalität wiedererlangen kann.
Zuo yuezi gilt als eine der drei wichtigsten Perioden im Leben einer Frau, ihre Gesundheit zu verbessern. Die besondere Aufmerksamkeit für das Wochenbett ist kein fremdartiges Konzept in einer Kultur, die mit der chinesischen Kräuterernährungstheorie vertraut ist. Schon in der Pubertät werden Frauen ermuntert, zur Förderung der Blutzirkulation chinesische Heilkräuter zu sich zu nehmen. Während eine solche Ernährung auch bei zuo yuezi empfohlen wird, geht das Konzept des zuo yuezi weit über Nahrungsmittel hinaus. Die Menopause ist die dritte und letzte Gelegenheit zur Verbesserung der weiblichen Gesundheit, aber lediglich zuo yuezi umfasst ein Ritual, dem viel Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Im chinesischen Kulturkreis folgen Frauen aller Bildungsstufen und aus allen gesellschaftlichen Schichten zumindest einigen der traditionellen Vorschriften, auch wenn die Regeln selbst von Gegend zu Gegend verschieden sind. Im Allgemeinen gehen die Mütter nach der Geburt einen vollen Monat nicht aus dem Haus und tun wenig mehr als essen und schlafen. Die Ernährungsvorschriften sind streng, kalte Speisen und gewöhnliches Wasser sind etwa verboten, daneben gibt es allgemeinere Vorschriften wie ein Verbot für Sport und körperliche Anstrengung, Haare waschen und Bauch einschnüren sind gleichfalls nicht erlaubt. Denen, welche diese traditionellen Praktiken in der heutigen modernen Zeit befolgen, ist der Name Chuang Shu-chi wohl bekannt. Die 1920 geborene Chuang ist die erste Ärztin für chinesische Medizin in Taiwan und hat auch als Ärztin in westlicher Medizin einen Doktorgrad einer japanischen Universität. Ihr 1993 erschienenes Buch mit dem Titel Methoden für Zuo Yuezi (坐月子的方法)ist der erste Versuch, traditionelle chinesische Methoden der postnatalen Pflege mit moderner medizinischer Theorie und Praxis in Einklang zu bringen, und das Buch ist das Ergebnis ihrer vielen Jahre klinischer Erfahrung und traditioneller Praxis.
Tipps zur Ernährung
Laut Chuangs Enkelin Chang Huei-ju, die heute ein Geschäft im zuo yuezi -Bereich führt, lautet die Theorie ihrer Großmutter, dass während der Schwangerschaft das Wachstum des Fötus die inneren Organe zusammendrückt und verschiebt. Nach der Entbindung müssen sie ihre ursprüngliche Lage und Spannkraft zurückgewinnen, denn falls das nicht gelingt, hat das Krankheiten zur Folge. Die Ernährung und Bewegung können dabei eine große Hilfe oder aber ein ernstes Hindernis sein. Chuang rät bei der Ernährung zu folgender Speisefolge: in der ersten Woche Schweineleber, in der zweiten Woche Nieren und in der dritten Woche Sesamöl-Huhn. Jede der Speisen hat dabei eine besondere Funktion. Überdies sollte alles Wasser, das die junge Mutter zu sich nimmt, aus Reiswein destilliert werden, denn nach Chuangs Ansicht kann gewöhnliches Wasser sich negativ auf den Stoffwechsel auswirken.
Für viele Haushalte, in denen die Geburt eines Kindes bevorsteht und wo die Tradition befolgt werden soll, gehört es zum Ritual, ausreichend Flaschen mit taiwanischem Reiswein zu horten. Normalerweise kann man mit drei Flaschen Reiswein eine Flasche Wasser erzeugen, daher braucht man erkleckliche Mengen Reiswein, und es kostet auch nicht wenig Zeit, den Fusel zu erhitzen, damit der Alkohol darin verdunstet. Für Familien, in denen der traditionelle Weg einen hohen Stellenwert hat, spielen die Ausgaben oder Mühen dabei keine große Rolle. In den letzten Jahren kam es indes zuweilen zu Reiswein-Verknappung, nachdem Ankündigungen von Preiserhöhungen zu Hamsterkäufen geführt hatten. Taiwan war durch Bestimmungen der Welthandelsorganisation ( World Trade Organization , WTO) gezwungen worden, Reiswein zu besteuern, obwohl Reiswein in der Regel überwiegend als Zutat zum Kochen benutzt wird und nicht als alkoholisches Getränk. Einmal musste die Taiwan Tobacco and Liquor Corp., der wichtigste Reisweinhersteller und lieferant, sich sogar mit Rationierung behelfen. Da die Praxis des zuo yuezi ohne Reiswein unmöglich ist, ordnete die Firma an, dass junge Mütter 40 Flaschen Reiswein kaufen dürften, aber nur, wenn dabei sowohl ihr Personalausweis als auch die Geburtsurkunde des Babys vorgelegt wurden. Derzeit beträgt der Preis für Reiswein 180 NT$ (3,90 Euro) pro 600 ml-Flasche, neun Mal teurer als im Jahr 2002.
Die Venezolanerin Hilmar Arevalo, die seit 1991 in Taiwan lebt, ist mit einem Taiwaner verheiratet und hat vier Kinder. Sie hat zuo yuezi praktiziert und befolgte fast alle Traditionen, etwa 30 Tage lang die Haare nicht zu waschen und in dieser Zeit zu Hause zu bleiben. Ihre Schwiegermutter half ihr nach den ersten beiden Geburten, die Gebräuche auszuführen. Nach den folgenden Geburten nahm sie für die speziellen Speisen den Service eines Lieferdienstes in Anspruch. Im Hinblick auf die traditionellen Speisen meint sie: "Beim ersten Mal fand ich es seltsam und mochte den Geschmack nicht, aber hinterher habe ich mich daran gewöhnt. Heute sage ich meinen Freunden immer, sie sollten versuchen, diese Regeln einzuhalten. Ich habe sogar meinen Schwestern chinesische Medizin geschickt, doch sie schmeckte ihnen nicht." In ihrer Heimat gibt es keine besonderen Praktiken nach der Entbindung.
Egal wie verrückt solche Sitten Menschen außerhalb des chinesischen Kulturkreises erscheinen mögen, viele Menschen in Taiwan glauben, ein Nichtbefolgen der Praktiken sei der Grund dafür, dass in ihren Augen ausländische Frauen schnell altern und nach der Geburt häufig keine schöne Figur mehr haben.

Zuo yuezi umfasst eine strenge und besondere Ernährung. Das Unternehmen Kuang-holing hat sich auf die Zubereitung solcher Speisen spezialisiert.
Die Probleme der Tradition
Es kann jedoch schwierig sein, in der modernen Gesellschaft die Tradition fortzusetzen, was auch Arevalo feststellte. Die Zubereitung der Spezialgerichte und die Immobilität der neuen Mutter waren früher, als man in Großfamilien zusammenlebte oder die Verwandten nicht weit weg wohnten, wohl kein Problem. Doch nach der enormen Wanderungsbewegung in die Städte während der letzten Jahrzehnte und der Verdrängung der Großfamilie durch die Kernfamilie ist heute häufig nicht genügend Hilfe verfügbar. Infolgedessen sind mehrere Unternehmen entstanden, die dort in die Bresche springen. Chang Huei-jus Firma Kuang-holing zum Beispiel bietet auf der Grundlage von Chuangs Theorien einen Speiseservice für die Zeit nach der Entbindung.
"1989 haben wir zunächst Bücher herausgebracht, um die Theorien meiner Großmutter zu verbreiten", berichtet Chang. "Viele Leute wandten sich mit Fragen an uns, und dann begannen wir mit dem Speiseservice durch Lieferung ins Haus."
Kuang-holing bietet den Kunden täglich heiße Mahlzeiten und hat eine Produktserie kreiert wie zum Beispiel zuo yuezi -Wasser, ein alkoholfreier Wasserersatz, hergestellt mit abgekochtem Reiswein. Durch die Dienste ist die neue Mutter nicht mehr so sehr von der Hilfe durch andere Familienmitglieder abhängig. Aufgrund der Nachfrage wurde der Betrieb kontinuierlich erweitert. "Im Jahr 2001 richteten wir drei Küchen im ganzen Land ein", enthüllt Chang. "Letztes Jahr haben wir eine neue Zentrale gebaut." Dem Vernehmen nach wird auch an einer Expansion nach China gearbeitet. Kuang-holings Erfolg hat zudem mehrere Nachahmer auf den Plan gerufen.
In der Vergangenheit erhielt die neue Mutter während zuo yuezi gewöhnlich vor allem von ihrer Mutter oder Schwiegermutter Hilfe. Unterschiedliche Ansichten darüber, was bei zuo yuezi unternommen werden soll, kann unter solchen Umständen leicht zu Spannungen in der Familie führen. Manchmal sind natürlich auch einfach keine anderen Familienmitglieder für Hilfe verfügbar. Eine mögliche Lösung wird von professionellen Postnatal-Pflegezentren geboten. Diese werden zwar immer beliebter, doch die Kosten für ihre Dienste -- zwischen 3000 und 6000 NT$ am Tag (65 bis 130 Euro) -- können sich nur Wohlsituierte leisten.
Postnatal-Pflegezentren sind durch das Pflegegesetz juristisch geregelt. Sie sind keine medizinischen Institute, und ihre Dienste werden nicht von der staatlichen Krankenversicherung bezahlt, die nur drei Tage Krankenhausaufenthalt nach einer normalen Geburt oder fünf bis sechs Tage nach Kaiserschnitt ersetzt. Wer in einem Postnatal-Pflegezentrum bleiben will, muss das aus eigener Tasche bezahlen. Der von solchen Zentren gebotene Service umfasst Unterbringung, Pflege für das Neugeborene, medizinische Untersuchung und ein Arzt auf Bereitschaftsdienst, fünf Mahlzeiten am Tag, Unterricht über Kindererziehung und Tipps zur Namensgebung. Traditionelle Gebräuche wie Schneiden der Haare des Neugeborenen oder Verteilung von Kuchenpackungen bei der Zeremonie zum ersten Lebensmonat des Babys können auf Wunsch des Kunden arrangiert werden.
Spektakuläres Wachstum
1994 gab es nur ein solches Zentrum in Taiwan, doch Ende 2005 waren es bereits 39, von denen 19 an Krankenhäuser und Arztpraxen angeschlossen waren, die anderen 20 waren unabhängige Einrichtungen. Fast die Hälfte dieser Pflegezentren liegen in der Stadt Taipeh. Im Jahr 2000 gab es in Taipeh drei angemeldete Postnatal-Pflegezentren mit 21 gemeldeten medizinischen Mitarbeitern, bis 2006 waren die Zahlen auf 17 Zentren mit 569 medizinischen Mitarbeitern gestiegen.
Mit Blick auf die steigende Nachfrage nach Pflege für Mütter neugeborener Babys wurde im vergangenen Jahr im Stadtbezirk Neihu von Taipeh WeGoGo eröffnet. Das Zentrum will seinen Kunden hochwertige Pflege in einem Umfeld bieten, das an ein Luxushotel erinnert. Zwar ist es erst seit einem Jahr in Betrieb, hat die Konkurrenz jedoch bereits übertroffen. "Zu Beginn konnten unsere Kunden zwei Monate vor dem Geburtstermin ein Zimmer buchen", berichtet Liao Chih-wei, Manager von WeGoGo. "Heute muss man sechs Monate im voraus buchen, sonst kommt man auf die Warteliste."
Laut Liao liegt der Charakter von WeGoGo etwa zwischen medizinischen Zentren und Zuhause. "Wir haben medizinische Einrichtungen und Ärzte auf Abruf, doch wir bieten keine Behandlung." Besucher, welche die zweigeschossige Anlage von WeGoGo betreten wollen, müssen vorher Chirurgenmasken anlegen und ihr Schuhwerk gegen Hauspantoffeln austauschen. Um neugeborene Babys kümmert man sich in einem keimfreien Raum, wenn Mütter sie dort abgeben. Die Väter können die Nacht über dort bleiben oder ihr Kind per Internet sehen, wenn sie abwesend sind.

Staatlich geprüfte Pflegekräfte helfen jungen Müttern bei WeGoGo, sich um ihr Baby zu kümmern.
"Den längsten Aufenthalt, den wir bei einer Kundin hatten, war zwei Monate", sagt Liao. "Diese Mutter studierte in Deutschland und kam für zuo yuezi zurück nach Taiwan, weil sie ihre Gesundheit mit passender Fürsorge verbessern wollte. Wir hatten auch Kunden, die aus den USA oder Südkorea zurückkamen. Übrigens haben wir festgestellt, dass viele Familien nur ein Kind haben und eher bereit sind, für zuo yuezi zu zahlen."
Normalerweise sind es Menschen mit einem chinesischen kulturellen Hintergrund, die am ehesten dazu neigen, solche Einrichtungen in Anspruch zu nehmen. Die Mahlzeiten, die sie von einem Pflegezentrum erwarten, werden normalerweise auf der Grundlage chinesischer Heilkräuter zubereitet. WeGoGo versuchte, den Kunden eine Auswahl verschiedener Speisen anzubieten, doch laut Liao halten sich rund 80 Prozent der Kunden immer noch an die traditionellen chinesischen Kräuterspeisen oder bestellen sich Speisen zur Lieferung nach Hause, die gemäß Chuangs Lehren zubereitet wurden. "Wir finden das gut", kommentiert Liao. "Wir bieten auch verdunstetes Reisweinwasser, das in Trinkwasser gelöst ist, was nach der Ansicht von Ärzten für stillende Mütter besser ist als hundertprozentig aus Reiswein verdunstetes Wasser. Ich muss jedoch sagen, dass manche traditionellen Speisen nicht unbedingt für jeden geeignet sind. Wir hatten etwa eine Kundin, die unbedingt Shenghua -Suppe haben wollte und nach drei Wochen eine schwere Blutung erlitt. Wir haben auch einmal erlebt, wie eine junge Mutter betrunken wurde, weil der Alkohol im Reiswein nicht vollständig abgekocht war."
Begegnung von Ost und West
Immer häufiger sieht man, wie medizinische Einrichtungen im westlichen Stil mit Ärzten zusammenarbeiten, die in Postnatal-Pflegezentren chinesische Heilkunde praktizieren. Lai Hui-chen, Aufsichtsratsvorsitzende des Verbandes für klinische chinesische Medizin Taiwan, arbeitete früher in einem solchen Zentrum, das ans Chung Hsing Hospital angegliedert war. "Im Grunde genommen sind chinesische Heilkräuter eigentlich eine Art von Nahrungsmittel, keine Arznei, und sie können manche Beschwerden lindern, etwa postpartale Stimmungskrisen", doziert Lai. Westliche Medikamente behandeln Krankheiten, die durch physische oder chemische Tests ermittelt werden können. Es gibt jedoch einige Beschwerden nach der Entbindung wie Unwohlsein in der Rückenmuskulatur, die man nicht als Krankheiten betrachtet, welche behandelt werden müssten. Hier kann chinesische Medizin helfen. Für Unwohlsein in der Rückenmuskulatur empfiehlt Lai eine Massage an bestimmten Akupunkturpunkten, welche Besserung bringt.
Bei der zunehmenden Kommerzialisierung der zuo yuezi -Kultur findet Lai, dass manche Mythen einer Klärung bedürfen. Lai wurde häufig von Patienten gefragt, ob sie den traditionellen Regeln von zuo yuezi folgen sollten. "Ich hatte mehrere Patienten, die sich über ihren dicken Bauch beklagten und das auf schlechte Pflege während zuo yuezi zurückführten", erzählt Lai. "Ich habe daraufhin immer eine Kollegin hergerufen, die während zuo yuezi kein Wasser getrunken hatte und trotzdem einen dicken Bauch bekam, um dadurch zu beweisen, dass es keine eindeutige Verbindung zwischen diesen beiden Dingen gibt."
Ihrer Ansicht nach ist Wasser, das durch das Abkochen des Alkohols in Reiswein gewonnen wurde, immer noch Wasser. Solange das Trinkwasser abgekocht ist, kann man es getrost trinken. Wenn der Alkohol aber nicht vollkommen verdunstet ist, kann das dem Baby durch Stillen mit Muttermilch schaden.
Manche Tabus ergeben zudem heute keinen Sinn mehr. Das Tabu des Haarewaschens mag sinnvoll gewesen sein, wenn gewöhnlich langes Kopfhaar unter oft kühlen Bedingungen an der Luft trocknen musste und die Frauen sich auf diese Weise dem Risiko aussetzten, sich zu erkälten. Da heute Haar mit dem Fön schnell getrocknet werden kann, ist das Haarwaschverbot nicht mehr sinnvoll. Das Bewegungstabu hatte früher eine nützliche Funktion, um zu verhindern, dass Frauen nach der Entbindung zu schnell zu schwerer landwirtschaftlicher Arbeit zurückkehrten, doch im modernen Taiwan ist dieses Risiko äußerst gering. In Wirklichkeit ist Bewegung zur Verbesserung der Zirkulation notwendig. Der Nutzen einer Ernährung mit chinesischen Heilkräutern beschränkt sich laut Lai nicht nur auf die Pflege nach der Niederkunft.
Fossil mit Zukunft
Zuo yuezi hat als Sitte einen interessanten Status. Viele Taiwanerinnen und Chinesinnen, wenn nicht gar die meisten, halten sie für sehr wichtig. Die überwiegende Mehrheit der Frauen in der Welt hat noch nie von den Ritualen und Tabus gehört und hat doch daran keinen Schaden genommen. Wenn man über die allgemeinen Ideen dieser Sitte nachdenkt und darüber, wie sie in vorindustriellen chinesischen Gesellschaften in die Praxis umgesetzt werden konnten, dann sind die Ideen an sich vernünftig genug -- viel Ruhe, alles vermeiden, wodurch man in dem allgemein geschwächten Zustand krank werden könnte, keimfreies Wasser trinken, nahrhafte Speisen zu sich nehmen. Die Ironie ist, dass sich zwar die Art und Weise, auf die man dies erreichen kann, dramatisch geändert hat, denn heutzutage gibt es beileibe einfachere Methoden, sich keimfreies Wasser zu verschaffen, als 40 Flaschen Reiswein abzukochen, aber trotzdem gestattet der zunehmende Wohlstand immer mehr Menschen, die alten Sitten vielleicht strenger als je zuvor einzuhalten.
Nach der Meinung von Feministinnen ist das nicht die einzige Ironie dieser Sitte. Während Frauen es sich gerne gefallen lassen, dass man sie nach der Entbindung einen Monat lang von vorne bis hinten bedient, so trägt die Praxis des zuo yuezi dennoch dazu bei, ihre Rolle zu zementieren, in erster Linie für die Kinder in der Familie sorgen zu müssen. Feministinnen führen das Argument ins Feld, dass Taiwan viel zu sehr in rückständigen patriarchalischen Werten verhaftet bleibt, als dass man diese Denkweise ermutigen sollte. Doch ganz gleich ob zuo yuezi entweder in seinen Methoden überholt oder im Denken rückständig ist, die Taiwanerinnen haben das Konzept immer noch verinnerlicht.
(Deutsch von Tilman Aretz)