Taiwans Gesetze und Bestimmungen, welche Ehebruch unter Strafe stellen, wurden am 29. Mai vom Verfassungsgericht des Landes unter dem Justiz-Yuan der Republik China (Taiwan) als verfassungswidrig bewertet und mit sofortiger Wirkung für ungültig erklärt.
Die Verfassungsinterpretation Nr. 791 setzte Paragraf 239 des Strafgesetzbuches und Paragraf 239 der Strafprozessordnung — die beide Strafen für Ehebruch vorsehen — außer Kraft, weil sie die sexuelle Autonomie und das Recht von Individuen auf Privatsphäre verletzen. Diese Vorschriften seien nicht länger von öffentlichem Nutzen und verstießen gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, urteilte das Gericht.
Paragraf 239 des Strafgesetzbuches sah vor, dass eine verheiratete Person und eine dritte Partei, die Ehebruch begingen, zu bis zu einem Jahr Gefängnis verurteilt werden sollten, und Paragraf 239 der Strafprozessordnung bestimmte, dass die Rücknahme einer Anzeige gegen den Ehepartner eine Strafverfolgung der dritten Partei nicht verhindern solle.
In der Interpretation verfügte das Gericht, dass Paragraf 239 des Strafgesetzbuches nicht mit den Artikeln 22 und 23 der Verfassung übereinstimme, welche jene Freiheiten und Rechte der Bürger schützen, die sich nicht schädlich auf die gesellschaftliche Ordnung oder das öffentliche Wohlergehen auswirkten. Außerdem wurde die Verfassungsinterpretation Nr. 554 vom 27. Dezember 2002 verworfen, gemäß der sexuelle Freiheit immer noch den Beschränkungen der Ehe unterworfen und infolgedessen Paragraf 239 verfassungsgemäß sei.
Paragraf 239 der Strafprozessordnung verletzt nach Einschätzung des Verfassungsgerichtes die gleichen Rechte, welche in Artikel 7 der Verfassung garantiert werden.
Lin Hui-huang, Generalsekretär des Justiz-Yuan, kommentierte während einer Pressekonferenz am 29. Mai in Taipeh, Ehebruch als strafbare Handlung zu werten spiele eine begrenzte Rolle dabei, individuelle Ehen oder Ehe an sich als Institution zu bewahren. Eingriffe des Staates könnten außerdem negative Auswirkungen auf Beziehungen haben, ergänzte er.
Die Ankündigung wurde von der Regierung begrüßt, die eine schriftliche Verlautbarung mit dem Inhalt verbreitete, wer Ehebruch begehe, könne weiterhin zivilrechtlich belangt werden.
Die 15 Richter des Verfassungsgerichtes hörten am 31. März mündliche Argumentationen und berieten sich anschließend zwei Monate lang. Sowohl die mündlichen Argumentationen als auch die Bekanntgabe der Verfassungsinterpretation Nr. 791 waren erstmals überhaupt live für die Öffentlichkeit übertragen worden.
—Quelle: Taiwan Today, 06/01/2020 (YCH-E)
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