29.04.2025

Taiwan Today

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Die Republik China im Weltgeschehen

01.06.1997
Chi Su, ehemaliger Generaldirektor des Regierungsinformationsamtes:" Der Weg der Republik China in Internationalen Beziehungen wird Normalerweise eher selten beschritten."
Vor zehn Jahren war es für einen Regierungsbeamten der Republik China schwierig, ohne ein gewisses Maß an Verlegenheit oder gar Bitterkeit über Taiwans internationale Beziehungen zu schreiben. Die Republik China war nicht mehr in den Vereinten Nationen, die zunehmende diplomatische Isolation - dazu gehört auch der Abbruch der diplomatischen Beziehungen seitens der USA - war eine offene und schmerzende Wunde. Die Republik China war nicht mehr auf der politischen Bühne. Beim Handel spielte Taiwan in erster Linie für die USA eine wichtigere Rolle. Akademisch war Taiwan für Chinaexperten nur ein Nebenschauplatz.

In den letzten zehn Jahren hat sich jedoch der internationale Status der Republik China trotz Pekings Bemühen, sie aus internationalen Organisationen herauszuhalten, wesentlich verbessert. Selbst der jüngste Verlust der formalen Beziehungen zu Südafrika ist zwar entmutigend, aber kein Grund zu ernster Besorgnis. Auch wenn die Republik China nur mit relativ wenigen Ländern formale Beziehungen unterhält, ist die Anzahl und Stärke der inoffiziellen Beziehungen der Republik China mit dem Ausland beeindruckend.

Der Weg, den die Republik China in internationalen Angelegenheiten beschreitet, wird normalerweise relativ wenig benutzt und ist im Prinzip sogar ein neuer Weg. Wenn man sich ansieht, auf welche Weise Länder miteinander substantielle Beziehungen unterhalten, werden seit 1815 Änderungen erkennbar. Damals wurden auf dem Wiener Kongreß die Modalitäten für die Institutionalisierung diplomatischer Beziehungen durch die Einrichtung einer Botschaft des einen Landes in der Hauptstadt des anderen Landes kodifiziert. Der Austausch der Staaten untereinander hat sich durch Erfahrung, neue Erfordernisse und Vernunft verändert. Heute spielen wir trotz unserer diplomatischen Isolation im Weltgeschehen eine wichtige Rolle.

Unser Ansatz zu internationalen Beziehungen kann unter drei zusammenhängenden Themen analysiert werden: Wirtschaft und Handel, Demokratisierung, und substantielle Beziehungen mit anderen Regierungen und internationalen Organisationen.


Wirtschaft und Handel

Eine gute Geschäftslage ist für Taiwan am wichtigsten. Der Motor unserer Wirtschaft ist der Außenhandel, daher liegt es nahe, mit unserer wirtschaftlichen Position in der Welt zu beginnen. Taiwan ist der Inbegriff des asiatischen Tigers. Zwischen 1953 und 1989 betrug das jährliche Wirtschaftswachstum durchschnittlich neun Prozent. Taiwans Wirtschaft belegt im internationalen Größenvergleich den vierzehnten Rang. Taiwan verfügt weltweit über die drittgrößten Devisenreserven, und unser jährliches Pro-Kopf-Einkommen beträgt etwa 12 500 US$. Diese eindrucksvollen Wirtschaftstatistiken haben dazu beigetragen, daß immer mehr Länder in unseren Markt investieren und mit uns Geschäfte machen.

Die nichtstaatlichen Organisationen Taiwans stellen wichtige Verbindungen zu internationalen Organisationen und Initiativen her.

Leider werden die Beziehungen aller Länder zur Republik China durch den Standpunkt der Volksrepublik China behindert, daß jedes Land, welches formale Beziehungen zur VR China unterhalten möchte, die Beziehungen zur Republik China abbrechen muß. Die Länder können die über eine Milliarde Menschen des chinesischen Marktes nicht einfach übersehen - das gebietet die kalte Logik des ökonomischen Eigeninteresses. Daher haben die meisten Länder ihre diplomatischen Beziehungen mit der Republik China abgebrochen. Auf der anderen Seite sind aber auch immer mehr Länder überzeugt, daß mit der Republik China inoffizielle Kontakte aufrechterhalten werden müssen, weil wir in der Weltwirtschaft eine herausragende Rolle spielen.

Seit den späten achtziger Jahren haben wir wichtige Schritte unternommen, unsere Handelsaktivitäten zu erweitern und dabei die Fixierung auf die USA zu lockern. Taiwans Exporte in die USA stiegen von etwa 31 Milliarden US$ im Jahre 1985 auf 54 Milliarden im Jahre 1987, 1989 waren es schon 66 Milliarden - das bedeutet mehr als eine Verdopplung in vier Jahren. Im Spitzenjahr 1987 betrug unser Handelsüberschuß gegenüber den Vereinigten Staaten 16 Milliarden US$ und machte damit 86 Prozent des gesamten Außenhandelsüberschusses aus.

Auf Drängen der USA, die Handelsbilanz auszugleichen, und aufgrund unserer eigenen Erkenntnis, daß die Konzentration auf einen einzelnen Markt das wirtschaftliche Risiko erhöht, haben wir die Wirtschaft aufgefordert, sich nach alternativen Märkten umzusehen. Zu Beginn der neunziger Jahre wurde Europa eines der ersten Ziele unserer Investoren. Weil Handel und Investitionen Hand in Hand gehen, befürchteten taiwanesische Firmen, daß der europäische Binnenmarkt Handelshindernisse gegen Exporte aus anderen Teilen der Welt aufbauen könnte. Unser Handel mit anderen Gebieten, darunter Hongkong und (indirekt) das chinesische Festland, hat auch zugenommen. 1992 übertrafen die Exporte Taiwans nach Hongkong und die Exporte via Hongkong zum Festland sogar die Exporte nach Europa. Und der Abstand wächst.

1994 war die regionale Verteilung der Exporte schon ausgeglichener. Etwa 11 Prozent gingen nach Japan, 26 Prozent in die USA, 23 Prozent nach Hongkong, 14 Prozent nach Europa und 26 Prozent in andere Gegenden, darunter Afrika, Lateinamerika, Australien und Neuseeland. Bei der Herkunft unserer Importe haben wir eine ähnliche Vielfalt erreicht. In nur wenigen Jahren haben wir uns von der Dominanz des US-amerikanischen Marktes befreit und sind eine Welthandelsnation mit Biß geworden.

Während der neunziger Jahre hat sich die Regierung bemüht, Taiwans Wirtschaftssystem zur Erhöhung unserer Wettbewerbsfähigkeit auf Regional- und Weltmärkten zu modernisieren. Mit der Kombination dreier politischer Konzepte konnten wir festere Kontakte zu anderen Ländern aufbauen.

Das Welthandelszentrum in Taipei symbolisiert auch ein wichtiges Prinzip Taiwans: Der Außenhandel ist der Motor seiner Wirtschaft.

Das erste dieser Konzepte ist unser sechsjähriger Nationaler Entwicklungsplan, der im Januar 1991 eingeleitet wurde. Sein Schwerpunkt liegt auf der Belebung der Infrastruktur der Insel durch Bauprojekte, aber er umfaßt auch die Verpflichtung zur Hebung der Lebensqualität durch verbesserte Dienstleistungen in den Bereichen Soziales, Bildung und Kultur. Der Plan war anfangs mit 300 Milliarden US$ veranschlagt, wurde dann aber schrittweise um etwa ein Viertel des ursprünglichen Umfangs reduziert. Gründe dafür waren Verwaltungsprobleme, die die Umsetzung verzögerten, Schwierigkeiten bei der Landerschließung, Kostenexplosion bei einigen Projekten und Widerstand im Parlament gegen die Finanzierung bestimmter Projekte.

Nach wie vor handelt es sich aber um Infrastrukturprojekte der Größenordnung von über 200 Milliarden US$. Diese Projekte können wir ohne Hilfe von außen nicht vollenden. Wir brauchen ausländisches Know-how, ausländisches Kapital, Unterstützung von ausländischen Firmen, ja sogar ausländische Arbeitskräfte. Viele Länder der EU beispielsweise betrachten den Sechsjahresplan als eine vorzügliche Möglichkeit, in unseren Markt einzudringen. Mit dieser Zielsetzung haben in den letzten Jahren viele europäische Geschäftsleute und Regierungsbeamte Taiwan besucht.

Leider geht in diesem Bereich nicht alles so einfach. Wir arbeiten jedoch hart daran, viele der Hindernisse auf unserem Markt abzubauen. Ich möchte hinzufügen, daß sich die Amerikanische Handelskammer (American Chamber of Commerce, Amcham) und der Europäische Handelsrat (European Council of Commerce and Trade, ECCT) stark engagieren, und sie halten die Regierung der Republik China über die Schwierigkeiten ihrer Geschäftsleute auf unserem Markt immer genau auf dem laufenden.

Die Anstrengungen der Regierung bei Liberalisierung und Reformen sind kein leeres Gerede. Regierungsinstitutionen wie der Legislativ- Yüan [das Parlament der Republik China] haben besonders klar die Notwendigkeit einer zunehmenden Markttransparenz erkannt, und ich denke, daß dieses Jahr deutliche Fortschritte erzielt werden. Die Liberalisierung wird durch die Konkurrenz mit Singapur, Südkorea und Malaysia noch angeregt, denn auch diese Länder haben die Notwendigkeit erkannt, die Prinzipien ihrer Gesetzgebung und Verwaltung den internationalen Standards anzupassen.

Eine zweite ökonomische Initiative ist besonders auf die regionalen Nachbarn ausgerichtet. Seit 1993 ermuntert eine "Südwärts"-Investitionspolitik taiwanesische Investoren, auf die südostasiatischen Märkte zu drängen. Dieses Konzept reflektiert die ständige Sorge der Regierung, daß unsere Wirtschaft zu eng mit dem chinesischen Festland verzahnt ist, weil Investitionen in Milliardenhöhe auf die andere Seite der Taiwanstraße geflossen sind - Schätzungen gehen von über 20 Milliarden US$ seit 1990 aus.

Taiwan ist bereits einer der größten Investoren in Südostasien, und diese ersten Wirtschaftskontakte sind nur der Anfang. Unsere Unternehmer und Investoren haben viel zu bieten: natürlich Geld, aber auch besondere Sachkenntnis beim Aufbau und bei der Führung kleiner und mittelständischer Unternehmen. Unsere Geschäftsleute sind Experten für Rohstofferschließung, und sie verlegen sich mehr und mehr auf Bestellung und Vermarktung von High-Tech und auf ähnliche Geschäftsfunktionen. Solche Fähigkeiten sind in der ganzen asiatisch-pazifischen Region sehr gefragt.

Drittens gibt es den APROC-Plan der Republik China, durch den die Insel zu einem Wirtschaftszentrum im asiatisch-pazifischen Raum werden soll (APROC = Asia-Pacific Regional Operations Center). Der Plan wurde im Januar 1995 verabschiedet und sieht die Entwicklung von Wirtschaftszentren in den Bereichen Finanzen, Telekommunikation, Luftfahrt, Schiffahrt, Herstellung und Medien vor. Das Ziel ist, die Insel sowohl zu einer Basis für einheimische Unternehmen als auch zu einem Sprungbrett für westliche Länder zu machen, die auf die asiatischen Märkte drängen, vor allem nach Südostasien und das chinesische Festland.

Die Fortschritte sind beachtlich, auch wenn es länger dauert als erwartet, die erforderlichen Gesetze, Regulierungen und sonstige Verwaltungsmaßnahmen für den Plan zu erlassen. In unserer Gesetzgebung arbeitet nun ein überparteiliches Komitee an der Formulierung und Verabschiedung der entscheidenden Gesetze, die Taiwans Investitionsanreize vermehren sollen. Wir ziehen immer mehr ausländische Firmen an, darunter auch wichtige Medienanstalten. Ein Beispiel: Die Nachrichtenagentur Reuters hat kürzlich ein Redaktions- und Nachrichtenzentrum in Taipei errichtet. Der APROC-Plan wird von der Amcham und dem ECCT aufmerksam verfolgt, und ihre Sonderkommissionen legen unserer Regierung regelmäßig Positionspapiere über die Auswirkungen der verschiedenen administrativen und rechtlichen Veränderungen auf Taiwans Wettbewerbsfähigkeit vor.

Die Handels- und Investitionspolitik der Regierung spielt zwar eine große Rolle, den größten Anteil am wirtschaftlichen Erfolg Taiwans haben jedoch unsere flexiblen und erfolgreichen Unternehmer im privaten Bereich. Sie sind und waren die Garanten für das Wirtschaftswachstum, nicht nur in Taiwan, sondern auch auf dem chinesischen Festland und in Südostasien. Die Errichtung ihrer arbeitsintensiven Fabriken wird überall begrüßt, sei es nun in Bangkok, Shenzhen (Sonderwirtschaftszone in Südchina an der Grenze zu Hongkong) oder Subic Bay (1992 von den USA aufgegebener Flottenstützpunkt auf den Philippinen, heute internationales Industriezentrum und Freihandelszone), weil Investoren und die örtliche Wirtschaft sehr schnell davon profitieren. Wir sind für unsere Nachbarn eine bedeutende Quelle für Investitionen, unternehmerische Sachkenntnis und technisches Know-how geworden.

Auch wenn der absolute Umfang des Handels mit den südostasiatischen Ländern im Vergleich zum Handel der Republik China mit den USA, Japan und Festlandchina bescheiden ausfällt, gewinnen wir doch wachsenden Einfluß dort, und substantiellere Wirtschaftsbeziehungen sind im Kommen. Tag für Tag erweitern sich die Beziehungen durch Handel und Touristenbüros sowie Wirtschaftsorganisationen und werden teilweise durch die Regierung gefördert, mehr noch aber durch den gewitzten Geschäftssinn unserer Bürger. So wird Taiwan regional eine unentbehrliche Rolle spielen.


Demokratisierung

Die Demokratisierung der Republik China hat ihren internationalen Status ebenfalls stark verbessert. Seit der Aufhebung des Kriegsrechts im Juli 1987 hat sich Taiwan von einer autoritären Einparteienherrschaft zu einer offenen Mehrparteiendemokratie gewandelt. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Entstehung eines Gesellschaftsbewußtseins in Taiwan: Bürgerinitiativen und nichtstaatliche Organisationen (non-government organizations, NGO), die sich sehr von der geringen Zahl aktiver Gruppen während des Kriegsrechts unterscheiden. Diese neuen Organisationen - besonders die Umweltschutzgruppen - reagieren nicht nur auf Regierungserlasse, sondern drängen dynamisch auf eine Umverteilung der Macht. Regierungsbeamte werden inzwischen nicht nur von den Mehrparteienparlamenten und Stadträten wachsamer beobachtet, sondern auch von den politisch weit stärker interessierten Wahlberechtigten, die beispielsweise zu umstrittenen Bauvorhaben öffentliche Anhörungen verlangen.

Taiwans demokratische Institutionen und Maßnahmen entwickeln sich noch, aber wir haben bereits drei starke politische Parteien und eine aktive Wählerschaft, die ihre Ansichten mit Petitionen, Protesten, Demonstrationen und anderen typisch demokratischen Mitteln kundtut. Unsere Pressefreiheit, Rede- und Versammlungsfreiheit verärgert Peking, weil wir einer lautstarken Minderheit unserer Bürger die offene Diskussion über eine etwaige Unabhängigkeit Taiwans erlauben. Weil Peking die Formen und Funktionen von Demokratie nicht versteht, übt es einen wachsenden Druck auf uns aus, wie die Raketentests und Militärmanöver während des Präsidentschaftswahlkampfes im März letzten Jahres zeigten.

Diese Tests erwiesen sich aber als Schuß in den Ofen. Wegen der Wahlen und der Drohungen der VR China berichteten Hunderte von Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehanstalten aus der ganzen Welt über die Ereignisse im März 1996, so daß die Menschen nicht nur unsere Demokratisierung in Augenschein nehmen, sondern auch den starken Kontrast der politischen Systeme beiderseits der Taiwanstraße erkennen konnten. Kurz gesagt, unser politischer Fortschritt erleichtert ausländischen Geschäftsleuten und Beamten den Aufbau gehaltvoller Beziehungen zu uns.


Substantielle Beziehungen und internationale Organisationen

Wie kann die Republik China ihren internationalen Status ohne breite diplomatische Anerkennung stärken? Dies ist unsere zentrale Herausforderung. Die VR China und die Republik China konkurrieren seit über vierzig Jahren um Weltgeltung, wobei die diplomatische Anerkennung oft eine zentrale Rolle spielt. Ab 1971 wendete sich das Blatt dramatisch, als die UNO anstelle der Republik China die VR China anerkannte. Wegen dieses Geltungsstrebens mochte keine der beiden Seiten einer parallelen Anerkennung zustimmen.

Trotz der weiteren diplomatischen Erfolge der VR China in den achtziger und neunziger Jahren können Zahlen allein kein scharfes Bild vermitteln. Die scheinbare diplomatische Isolation der Republik China - gegenwärtig unterhalten nur dreißig Staaten formale Beziehungen mit Taipei - sagt über die Realität nicht genug aus. In internationalen Angelegenheiten kann Format auch auf andere Weise erworben werden.

Die wichtigsten substantiellen Beziehungen der Republik China sind bilaterale Länderbeziehungen, offizielle wie inoffizielle. Das Außenministerium beispielsweise finanziert das Personal von 130 Botschaften, Konsulaten und inoffiziellen Vertretungsbüros in mehr als achtzig Ländern. Die Mehrheit davon sind Vertretungsbüros, aber in den meisten Fällen handeln sie wie Quasi-Botschaften: Die entsprechenden Funktionen sind vorhanden, nur eben nicht der offizielle Status. In diesen Büros arbeiten Fachleute für internationale Beziehungen, Tourismus, Wirtschaft, Information und Visa-Angelegenheiten.

Außer unseren Botschaften und Vertretungsbüros hat unser zum Teil vom Landwirtschaftsrat unterstütztes Komitee für internationale technische Zusammenarbeit 47 Einsatzgruppen in 33 Ländern, die dort landwirtschaftliche, technische und medizinische Hilfsdienste leisten. Der CETRA (China External Trade Development Council - Rat für Außenhandelsentwicklung), eine halb private und halb öffentliche Organisation zur Förderung des internationalen Handels, hat 38 Büros in 28 Ländern. Der zum Außenministerium gehörende Internationale Kooperations- und Entwicklungsfonds (International Cooperation and Development Fund, ICDF) - früher als Internationaler Fonds für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (International Economic Cooperation and Development Fund, IECDF) bezeichnet - stellt ebenfalls wichtige weltweite Verbindungen her (diesbezüglich siehe auch Artikel "Nachbarschaftliche Hilfe"). Diese und andere Alternativen zum formalen Botschaftsbetrieb können Taiwans Erfolg bei der Beteiligung an internationalen Angelegenheiten erklären.

Wenn dieser selten benutzte Weg internationaler Beziehungen nun so erfolgreich war, warum hat Taipei dann in den letzten Jahren so entschlossen um eine Aufnahme in die UNO gekämpft? Dieses Thema wurde durch innenpolitischen Druck akut. Es gab einen breiten, überparteilichen Konsens für dieses Ziel, obwohl die politische und öffentliche Unterstützung dafür im letzten Jahr wieder etwas abgenommen hat. Das lag an der Erkenntnis, daß Peking in dieser Organisation ein Veto-Recht hat.

Trotzdem kann man aus dem Streben in die UNO einiges lernen. Die taiwanesische Öffentlichkeit ist weitläufiger geworden, und sie ist überzeugt, daß Taiwan (sich) einen besseren internationalen Status als den jetzigen verdient hat. Ihre Erwartungen reichen über eine bloße Beteiligung an der Generalversammlung der Vereinten Nationen hinaus. Tatsächlich machen viele geltend, eine Beteiligung an UN-Organisationen wäre viel wichtiger.

Andere gehaltvolle Verbindungen werden zwischen unseren nichtstaatlichen Organisationen und internationalen Organisationen geknüpft, darunter die Wild Bird Society und andere Naturschutzgruppen. Kooperation dieser Art öffnet zwei Perspektiven. Einerseits können internationale nichtstaatliche Organisationen auf die Führung der Republik China Druck ausüben, ihre Innenpolitik zu überdenken. Andererseits können sie Regierungen anderer Länder ermutigen, Taiwan eine gleichberechtigte Stimme auf internationalen Foren zu gewähren, von denen Taiwan auf Druck Pekings bisher ausgeschlossen war.

Die Republik China hat in vielen internationalen Angelegenheiten eine gute Figur gemacht, auch wenn sie von den Gremien, die die Entscheidungen treffen, ausgeschlossen ist. Unser Engagement für Umweltfragen wie Schutz der Tierwelt, Verbot der Treibnetzfischerei und Verbot der ozonschädigenden Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) ist bekannt. Das betrifft auch unsere Leistungen auf dem Gebiet der Menschenrechte, Zollsenkungen und Lockerung von Handelsbeschränkungen. Taiwan hat diese und andere heiße Eisen angepackt, und wir haben unsere politischen Maßnahmen international anerkannten Standards angepaßt. Meiner Meinung nach beweist unsere Leistungsbilanz in internationalen Angelegenheiten, daß wir im In- und Ausland verantwortungsbewußt handeln.

Zum Schluß bleibt noch die Frage, welche Reaktionen die Menschen in Taiwan von der Weltgemeinschaft auf ihre wirtschaftlichen, demokratischen und internationalen Leistungen erwarten. Zunächst einmal bin ich der Ansicht, daß uns politisch eine bessere Behandlung von den anderen Ländern zusteht; eine Behandlung, die mit unserem wirtschaftlichen Einfluß und den multinationalen Leistungen im Einklang steht. Eine gleichberechtigte Beteiligung der Republik China an internationalen Entscheidungsprozessen ist gerade deswegen angemessen, weil man unfairerweise von uns erwartet, daß wir uns an internationale Abkommen halten, uns aber die Chance verwehrt, an ihrer Formulierung und Durchführung teilzuhaben.

Außerdem macht es Taiwans wachsende finanzielle und wirtschaftliche Stärke in zunehmendem Maße für andere Länder notwendig, daß wir einen Platz in den maßgeblichen Wirtschaftsgremien wie etwa der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO), dem Internationalen Währungsfonds (International Monetary Fund, IMF) und der Weltbank erhalten. Das moralische Argument - daß wir aufgrund unserer Existenz und unserer Leistungen einfach das Recht haben, in diese Gremien aufgenommen zu werden - klingt zwar schön, aber das Argument des Eigeninteresses ist noch überzeugender: Es liegt im Interesse der Weltgemeinschaft, eine Wirtschaftsmacht unserer Stärke und Bedeutung als ein gleichberechtigtes Mitglied in solche Institutionen aufzunehmen.

Nach meiner Ansicht wird die Zeit kommen, daß die Länder aus Eigeninteresse davon abkommen, sich die Bedingungen eines Mitspracherechts Taiwans auf internationalen Foren von Peking vorschreiben zu lassen. Dann dürfte Peking zwar auf rein politischen Bühnen erfolgreich bleiben, wenn es aber um wirtschaftliche oder militärische Fragen geht, werden die Regierungen ihre Beschlüsse nach anderen Kriterien fassen. Die logische Folge wird dann die Befürwortung einer wichtigeren Rolle Taiwans in internationalen Angelegenheiten sein.

Chi SU(蘇起), geb. 1949, ist der ehemalige Generaldirektor des Regierungsinformationsamtes der Republik China und heute Minister ohne Geschäftsbereich.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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