25.04.2025

Taiwan Today

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Traditioneller Fast-food

01.01.1992
Weil Herr Liu seine Fischbällchen nur mit den frischesten Zutaten eigenhändig zubereitet, ist es kein Wunder, daß seine Garküche schon seit drei Generationen bei den Leuten Erfolg hat. Er serviert drei Sorten von Bällchen, wobei eine aus reiner Milchfischpaste, die andere aus einer Milchfisch-Krabbenpaste und die dritte aus Schweinefleisch gemacht wird. Diese drei ergeben zusammen in einer Suppe einen ganz besonderen Geschmack.
Die Redewendung Ch'ih-tsai Chung-kuo (吃在中國), "Essen in China", ist allen Chinesen geläufig und eine Selbstanerkennung ihres außerordentlichen kulinarischen Talents. Die Freude am Essen, und das in großzügigen Mengen, zieht sich durch alle Schichten der chinesischen Gesellschaft. Der Gelehrte und Schriftsteller Lin Yu-tang hat einmal von seinen Landsleuten gesagt, daß "alle Streitigkeiten und Dispute am Essenstisch statt am Gerichtshof beigelegt werden."

Seit der Reise des damaligen US-Präsidenten Richard Nixon nach Peking im Jahre 1972 haben die Gedanken an mächtige Bankettafeln voll hinreißender Gerichte, darunter der Peking-Ente, sowie voller Mao-t'ai, ein feuriger klarer Schnaps, der die Sinne umnebelt, die Vorstellungen von verwestlichtem kantonesischem Essen verdrängt. Gerichte wie fettige Eierrollen und Chop-suey, von denen Ausländer dachten, sie seien typisch für authentisches chinesisches Essen, gelten nicht länger als repräsentativ für die chinesische Küche.

Die vermehrte Begegnung mit Chinesischem durch die letzten fünfzehn Jahre hindurch hat Nicht-Chinesen allmählich bewußter werden lassen hinsichtlich der Unterschiedlichkeit von chinesischem Essen, von einer Variationsbreite, die auf regionaler Ebene gleichermaßen reichlich ist. In der Tat, wenn die westliche Seite ihre "sich unter den Speisen biegenden Tafeln" rühmt, so kommt das selten den schier endlosen Speisenfolgen eines chinesischen Banketts gleich, was jeder europäische oder amerikanische Diplomat, der schon einmal von einem solchen davongestakt ist, wohl zu bestätigen weiß.

Der als Hsiao-ch'ih (小吃) bekannte kulinarische Stil ist Westlern weit weniger geläufig, doch beim wahren chinesischen Genußmenschen - der trotz dem endlosen Streben nach Zufriedenstellung seines Gaumens sicherlich doch kein Snob ist - nicht minder beliebt als eine besondere Abendgesellschaft. Wörtlich übersetzt als "etwas Kleines zum Essen", ist diese Speisenkategorie eine innige Komponente der chinesischen Philosophie vom Essen: ganz einfach die Überzeugung, daß Essen, und zwar gutes Essen, zu allen Zeiten und Orten verfügbar sein soll.


Für Chinesen ist Essen nicht etwas, an dem man sich nur zu Hause oder in Restaurant erfreut, wenn die Uhr Essenszeit anzeigt, sondern wann und wo der Magen es verlangt. Viele Chinesen sagen bei der Rückkehr von Arbeit oder Studium im Ausland, daß sie die begrenzten Zeiten, zu denen Restaurants im Westen Speisen servieren, als die größte der Härten ansahen, die sie in der Zeit ertrugen, als sie von zu Hause weg waren. Zwar haben auch viele Restaurants in China eingeschränkte Öffnungszeiten, doch wird der Mangel durch den vitalen Einsatz der in der Nachbarschaft allgegenwärtigen Garküchen und Stände ausgeglichen, die buchstäblich bei Tag und Nacht Hsiao-ch'ih verkaufen.

Während es richtig ist, daß Hsiao-ch'ih nicht das Allerfeinste von Chinas Kochkünsten darstellt, welche in den letzten Jahren westliche Feinschmecker zum Kauf von Zutaten in spezielle Feinkostgeschäfte hasten ließen, so ist es doch von einer eleganten Schlichtheit, zu der sich noch eine familiäre Atmosphäre gesellt - und die Geschmackserinnerungen auslöst fast so wie das schlichte, von Muttern zubereitete Essen der Kindheit, das im Geschmacksgedächtnis eines jeden Menschen haften bleibt.

In ähnlicher Weise sind Zutaten und Methoden der Zubereitung von Hsiao-ch'ih erheblich einfacher als die der Speisen, die bei Banketten gereicht werden. Trotzdem sollte es nicht als "einfaches" Essen betrachtet werden, und genauso wenig ist es nur eine Zwischenmahlzeit. Es alleine kann eine ganze Mahlzeit ausmachen und ist bei vielen Gelegenheiten die chinesische Entsprechung für "einen Happen zu sich nehmen". Wie bei einem Café in Frankreich ist der Verzehr von Hsiao-ch'ih ein kulinarisches Erlebnis für sich, das von den Restriktionen des formellen Essens befreit ist, jedoch hinsichtlich regionaler Buntheit und Geschmacksrichtungen den komplexeren Zubereitungsweisen in nichts nachsteht. Und für diejenigen, welche nicht wissen, wann der biologische Impuls, dem am meisten Beachtung geschenkt wird, - nämlich Hunger - zuschlägt, ist Hsiao-ch'ih eine stetige und zuverlässige Erlösung von einem knurrenden Magen.

Auf ganz Taiwan ist eine große Vielfalt von Hsiao-ch'ih erhältlich. Sogar in der geschäftigen Metropole Taipei, wo in den letzten Jahren Fast-food-Ketten die kommerziell bedeutenden Gebiete durchdrungen haben, bilden kleine Straßen und Seitengassen die Zufluchtsstätten der Hsiao-ch'ih Tradition. Die unbestrittene Hauptstadt des Hsiao-ch'ih auf Taiwan ist jedoch die im Süden gelegene Stadt der Kultur, Tainan. Hier ist diese Speisenart seit langem ein integraler Bestandteil im sozialen Umfeld der Stadt, und viele der Hsiao-ch'ih-Garküchen und -Stände liegen in der Nähe der beeindruckenden buddhistischen und taoistischen Tempel der Stadt.

Die in Bambusblätter gewickelten süßen Tsung-tzu, die mit Reis und anderen süßen Zutaten wie Erdhüssen gefüllt sind.

In vergangenen Tagen dienten diese Tempelbereiche als Marktplätze, Basare und Treffpunkte, womit ihre soziale Funktion so bedeutend war wie die religiöse. Während nun der soziale Aspekt von Tainans Tempeln in letzter Zeit an Bedeutung verlor, behalten viele der langbestehenden Hsiao-ch'ih-Stände ihren ursprünglichen Platz neben den rußigen Gefäßen voller Räucherwerk und den Wächterstatuen an den Tempeltoren bei.

Die Einwohner von Tainan sind stolz auf ihren althergebrachten Ruf als Feinschmecker, und die wenigen westlichen Fast-food-Ketten, die sich einen Platz in der Stadt erkämpften, haben bestenfalls ein laues Geschäft. Die Konkurrenz für Neuankömmlinge ist hart. In der ganzen Stadt bieten zahllose Straßenhändler appetitliche Zubereitungen von Hsiao-ch'ih à la Tainan an, die praktisch Tag und Nacht zu bekommen sind. Abgesehen von den frühen Morgenstunden, zwischen 2 Uhr und 5 Uhr, sind buchstäblich Tausende von Hsiao-ch'ih-Garküchen geöffnet. Wo kann der uneingeweihte Gourmet beginnen, ohne sie alle aufs Geratewohl zu probieren?

Ein weiser, erster Schritt auf dem Weg zur Entwicklung eines verfeinerten Gaumens ist, ältere Einwohner Tainans über ihre bevorzugten Stellen zum Kauf von Hsiao-ch'ih zu befragen. Doch selbst dieser Ansatz, so intelligent er auch erscheinen mag, ist nicht ohne Tücken. Wenn man beispielsweise eine Gruppe von "Insidern" geradewegs fragt, wer die besten fleischgefüllten süßen Reisklöße macht, könnte die Erwiderung eher ein delphisches Rätsel als eine klare Antwort sein:

"Der Onkel vom Soundso macht die besten Klöße dieser Art in Tainan", sagt eine grauhaarige Frau, während sie ihre Sitzhaltung auf dem abgesessenen Stuhl eines Straßengeschäftes verändert.

"Nein", hält ein gleichermaßen verhutzelter Mann, der in der Nähe hockt, dagegen, "es ist die Tante vom Soundso, die sie wirklich gut macht."

"Ihr habt beide keine Ahnung", schaltet sich eine andere Frau ein, "die von der älteren Schwester des Onkels sind weitaus besser."

Doch Geduld ist eine Tugend bei der Suche nach Wahrheit. Als die lebhafte Auseinandersetzung und die allgemeine Erhitzung schließlich wieder abgeklungen sind, haben sich die Anwesenden mehr oder weniger darauf geeinigt, daß tatsächlich die ältere Schwester des Onkels die besten Klöße macht. Doch damit hat die Reise erst ihren Anfang genommen. Wo ist das Geschäft?

"Oh, sie hat schon mindestens zehn Jahre keine mehr gemacht."

"Salzige" Tsung-tzu erkennt man daran, daß sie ohne Bambusblätterhülle serviert werden. Sie sind mit Fleisch, Gemüsen u. a. Zutaten gefüllt.

Der Verstand dreht sich ein bißchen im Kreise und wechselt die Gänge; tatsächlich, Buddhismus und seine K'ung-an-Rätselsprüche, darauf abzielend, das normale Denken zu verwirren und einen dadurch zur Erleuchtung zu führen, gedeihen im Hier und Jetzt von Tainan. Zurück zum Ausgangspunkt: wo kann man jetzt die besten Klöße kaufen? Kaum sind die Worte heraus, beginnt das Spektakel von neuem.

"Ihr jüngerer Bruder und seine Frau haben eine Garküche unten an der Minchuan-Straße."

"Aber die von der Schwester des Onkels ... "

Wenn man sich's noch einmal richtig überlegt, ist die Zufallsmethode ohnehin interessanter.

Es ist tatsächlich so, daß der Versuch, das beste Hsiao-ch'ih Tainans zu finden, ein bißchen der Suche nach dem Heiligen Gral gleichkommt. Nahezu alle Garküchen in Tainan, die sich auf Hsiao-ch'ih spezialisieren, sind Familienbetriebe, und einige von ihnen sind schon seit mehreren Generationen im Geschäft. In der Folge überschneiden sich Beurteilungen hinsichtlich des besten Ortes zum Essen mit Fragen der Familienloyalität und der Freundschaft, was einen Einfluß auf die Objektivität hat.

Durchhaltevermögen zahlt sich jedoch aus, und nach einigen weiteren Bemühungen - und dank dem Beistand des "Regionalberaters" von "Free China Review", Su Hsin-yi (蘇信義), - entstand eine repräsentative Liste von Tainans besten Hsiao-ch'ih, die nur auf einen gesunden Appetit warten, sie alle auszuprobieren. Der beigefügte Überblick über "Tainans Favoriten" sollte selbst den kritischsten Gaumen zufriedenstellen können, sei es den eines Einheimischen oder den eines abenteuerlustigen Westlers, der einen Ausflug nach Tainan plant. Guten Appetit!

Milchfisch in Reissuppe

Im Vorderhof des Kuang-an-kung ("Tempel des Allumfassenden Friedens") ist ein populärer Frühstücksstand gelegen, der sich auf in Reissuppe gekochten Milchfisch spezialisiert hat. Der dem Hering ähnliche Milchfisch ist ein silbriger, zahnloser Fisch, der sich im tropischen Bereich des Pazifiks und vor der Küste Tainans in überreichlichen Mengen findet. Sein Fleisch ist sehr zart und schmeckt süß mit einem kaum "fischigen" Geschmack.

Milchfisch kann auf zahlreiche Weisen zubereitet werden und zählt zu Taiwans beliebtesten Meeresfrüchten. Gerade dieser Frühstücksstand bereitet eine außergewöhnlich schmackhafte Zusammenstellung aus dünner Reissuppe versetzt mit frischen Venusmuscheln und Milchfischstücken zu, die 20 NT$ pro Schale (1 US$ entspricht ungefähr 28 NT$) kostet. Für nur weitere 15 NT$ wird der Suppenschale ein beachtliches Stück vom Magen des Fisches hinzugegeben - was, nebenbei gesagt, als eine ausgezeichnete Wahl gilt.

Der Imbißstand hat, da neben dem Tempel und nahe eines Lebensmittelmarktes gelegen, eine erstklassige Lage. Obwohl letzterer vor Mittag nicht vollständig geöffnet wird, ist er in den frühen Morgenstunden bereits voll mit Leuten, die eine immense Vielfalt an Speisen verzehren, die auch schon zum Frühstück als passend gelten: gedämpfter Fisch, Bratwürste, kurz angebratene Gemüse, mit allerlei Zutaten versehener Sojabohnenkäse, gekochtes Schweinefleisch und vieles mehr.

Der Inhaber des Standes, Cheng Chi (鄭吉), betreibt das Geschäft zusammen mit seiner Frau und zwei weiteren Familienmitgliedern. Sie haben von morgens um sieben bis zum Ausverkauf am Mittag oder sogar früher geöffnet. Ihr Dutzend im Vorhof des Tempels zusammengerückte Tische sind selten frei. Doch ist die Fluktuation hoch und gewöhnlich wird nach ein oder zwei Minuten des Wartens ein Platz frei.

Es wird direkt bestellt, denn es ist keine Speisekarte aufgehängt. Und es wird auch nichts aufgeschrieben, da Cheng und einer seiner Mitarbeiter sofort mit der Zubereitung beginnen. Die Wartezeit ist minimal; nach wenigen Momenten des Begutachtens von Dekorationen und Schnitzereien am Dach des 268 Jahre alten "Tempels des Allumfassenden Friedens" wird dem Gast eine Schale dampfender Suppe an seine Seite gesetzt, zusammen mit Eßstäbchen und einem chinesischen Suppenlöffel mit seinen hochgebogenen Seitenrändern.

Jou-pao, in speziellen Bambuskörben gedämpfte "Fleischklöße", erinnern mit ihrer Hülle aus ausgereiftem Korn, was im reisbauenden Süden eher unüblich ist, an Nordchina.

Nachdem Cheng eine Kelle voll Reissuppe aus einem der mächtigen Töpfe geschöpft hat, die in den Stand (an dem zubereitet wird und der eigentlich ein Karren auf Rädern ist) eingelassen sind, fügt er eine Prise Gewürz, ein oder zwei Büschel chinesischer Petersilie sowie, auf Wunsch, ein Stück Fischmagen hinzu, und fertig ist die brodelnd heiße Bestellung. Selbst bei dem bescheidenen Preis ist der Fisch der frischeste, der erhältlich ist und der am selben Morgen um drei Uhr von den Booten geliefert wurde. Bei diesem Imbißstand bleibt nie etwas übrig; an einem normalen Tag verbrauchen sie mehr als 125 Pfund Milchfisch und 75 Pfund Venusmuscheln.

Der Geschmack ist eine angenehme Weise, den Morgen zu beginnen, und das einzige, was dem, der zum ersten Mal davon kostet, etwas Mühe bereiten könnte, sind die kleinen, für den Milchfisch charakteristischen Gräten. Selbst diese Schwierigkeit kann jedoch leicht umgangen werden, wenn man zuerst die Suppe samt der Zusätze auslöffelt und das große Stück Fisch bis zum Schluß aufhebt. Dann ist es eine einfache Sache, mit der Spitze eines Eßstäbchen den Fisch der Länge nach aufzuschlitzen und die Gräten von dem im Innern weichen, elastischen Fleisch zu trennen. Ergebnis: zufriedengestellte Geschmackssinne und keine Gräten, die dort stecken bleiben, wo man sie nicht haben will. (Adresse: Mintsu-Straße, Abschnitt 2, Nr. 240)

Suppe mit Fischbällchen

Die meisten Gäste sind Stammkunden in "Ah Chuan's Imbißstube"; sie hat zwar einen Namen, doch weist kein Schild darauf hin. Liu Yung-shun (劉永順) ist in dritter Generation Inhaber der Garküche und wohlbekannt dafür, eine besonders appetitliche Fischbällchensuppe zu machen. Auf nahezu jedem Markt in Taiwan werden Fischbällchen verkauft, wovon einige recht gut sind, doch Liu serviert nur solche, die er selbst gemacht hat. Das bedeutet Frühaufstehen.

Liu und seine Frau sind schon lange vor Tagesanbruch auf den Beinen, ziehen, noch mit Schlaf in den Augen, zum Fischmarkt, um ganz frischen Fisch zu kaufen, und danach weiter, um den Rest der Zutaten zu besorgen, die sie für ihre Spezialität brauchen. "Wenn wir zu unserem Geschäft zurückkommen und mit dem Entgräten und Zermahlen des Fisches zu einer Paste sowie dem Ansetzen der Suppenbrühe beginnen, hat der Himmel gerade angefangen sich aufzuhellen", sagt er.

Eigentlich gibt es zwei Arten von Fischbällchen in jeder Suppenschale, genauso wie ein gleichermaßen leckeres Bällchen aus Schweinefleisch. Der beliebte Milchfisch spielt hier wieder eine Rolle, da die eine Sorte der Fischbällchen aus reiner Milchfischpaste gemacht ist. Sie sind oval geformt und haben nach dem Kochen die Größe etwa eines Daumens; das andere Fischbällchen ist eine Kombination aus Krabben und Milchfisch.

Die Suppe, in der die Fischbällchen gekocht werden, ist eine Brühe auf der Grundlage von Schweinsknochen, wodurch eine angenehme Vermischung von Geschmacksrichtungen hervorgerufen wird. Zu jeder Portion gehört eine Kelle Suppe, etwas Salz, Pfeffer und weitere Gewürze, jeweils zwei von den beiden Fischbällchenarten, ein Schweinefleischbällchen, einige Stücke eines Tainaner "Ölsteckens" und ein wenig gehackter Lauch. Das Ergebnis ist sowohl von angenehmer Ästhetik für das Auge als auch eine Wonne für den Gaumen.

Jede Schüssel kostet 30 NT$, und für weitere 10 NT$ wird Liu gekochte Fischhaut dazugeben, die um ein Beträchtliches wohlschmeckender ist als es sich anhören mag. Die Fischbällchen sind delikat gewürzt und in der Tat jeglichen fertig gekauften weit überlegen. Der Hauptvorzug der Suppe ist, daß sie leicht, aber sättigend ist. Vielleicht als eine eigenständige Mahlzeit nicht ausreichend, ist sie genau das Richtige, wenn man später am Morgen wieder hungrig ist. Aber natürlich ist eine Schale Fischbällchensuppe wirklich zu jeder Zeit gerade richtig. (Adresse: Chungshan-Straße, Seitengasse 8, Nr. 30)

Frühlingsrollen

Im Gegensatz zu Chop-suey-Gerichten, dem verwestlichten chinesischen Essen, sind Frühlingsrollen tatsächlich ein Bestandteil der traditionellen Küche. Sie sind auf Taiwan ein besonderer Favorit und werden in Basaren und Nachtmärkten auf ganz Taiwan zubereitet. Eine namenlose Imbißstube an einer geschäftigen Ecke der Mintsu-Straße hat in den letzten dreißig Jahren eine besonders zufriedenstellende Version à la Tainan zubereitet, die auf einem Familienrezept basiert. Das einzige, was so etwas wie ein, wenn man so will, Hinweiszeichen darstellt, ist ein kleiner Plastikanschlag, der innerhalb der Garküche hängt und (auf Chinesisch) "Frühlingsrollen, 15 NT$ die Rolle" kundtut.

Taiwanesische Frühlingsrollen sind von ihren kantonesischen Gegenstücken recht unterschiedlich. Größer und mit mehr Zutaten, werden sie nicht fritiert wie die nach kantonesischer Art - eine willkommene Abwechslung für diejenigen, die viele chinesische Speisen, und das vielleicht zu Recht, ein bißchen arg fettig finden. Die Frühlingsrollen werden auf der Stelle am Imbißstand zubereitet und dann den Gästen heiß gebracht, die an einem der halben Dutzend Tische warten, welche entlang der Straßenecke aufgestellt sind.

Die Frühlingsrollen werden zu jeweils fünf Stük auf einem Tisch vorbereitet, der wie ein Mini-Fließband wirkt. Der Wickel der Frühlingsrolle ist eine superdünne, fettlose Hülle aus Reispaste von etwa fünfzehn Quadratzentimetern Größe. Jede Frühlingsrolle besteht aus drei solcher Hüllen, die einander überlappen. Sobald fünf solcher Garnituren auf dem langen Tisch ausgelegt sind, werden die Füllungen nacheinander aus an der Längsseite des Tisches aufgereihten Schalen hinzugefügt.

Zuerst kommt eine Mischung aus gekochtem Kohl, Bohnensprossen und kleinen Zwiebeln, worauf Streifen von getrocknetem Sojabohnenkäse, Eier und Schweinefleisch hinzugefügt werden, zusammen mit ein paar gekochten Krabben und etwas Petersilie. Den letzten Pfiff gibt ein Löffel Würzpulver auf der Grundlage von gemahlenen Erdnüssen und Zucker, das obenauf gestreut wird. Daraufhin werden die Frühlingsrollen gerollt, an den Ecken einwärts gesteckt und in eine trockene Pfanne mit einem kleinen Feuer darunter gegeben, um der Hülle einen gewissen knusprigen Biß zu verleihen.

Der Geschmack ist recht interessant und keine typisch chinesische Kost. Zunächst wird ein süßer Geschmack wahrnehmbar, wenn das Zucker- und Erdnußpulver sich im Mund auflöst, in dessen süßes Aroma sich dann der salzige Geschmack der Füllung mischt, der sich entwickelt, wenn man tiefer in sie hineinbeißt. Schließlich, eher einander ergänzend als überlagernd, erreichen die beiden einen Ausgleich. Die Hülle selbst ist auch ziemlich schmackhaft und mehr als nur eine praktische Verpackung, um die Füllung an Ort und Stelle zu halten. Auf keinen Fall ein Gericht von zartem Geschmack, kann diese Art von Frühlingsrolle nicht unbedingt jeden, der sie zum ersten Mal ißt, vollständig zufriedenstelln. Doch ist sie unter den Leuten in Tainan fraglos populär und einen Versuch wert. (Adresse: Mintsu-Straße, Abschnitt 3, Nr. 19)

Gedämpfte Fleischklöße

Der Name dieser Garküche ist schlicht und ohne Umschweife: "Wumiao-ch'ien" (武廟前), "Vor dem Tempel des Kriegsgottes". Chang Ta-chun (張大均), der Inhaber des Standes, dämpft seit zehn Jahren vor dem Haupteingang des Tempels Fleischklöße. Obwohl er vergleichsweise, also gemessen an den Standards in Tainan, wo viele Hsiau-ch'ih-Garküchen schon in der dritten oder vierten Generation betrieben werden, ein Neuling ist, hat Chang es geschafft, in dieser kurzen Zeit Tainans appetitlichsten Einstand im Klößchen-Geschäft zu schaffen. Sowohl Chang's Klöße als auch der dreihundert Jahre alte Tempel des Kriegsgottes, eines von Tainans sieben bedeutendsten Kulturrelikten, lohnen einen Abstecher in diese Gegend. Die Klöße kosten 20 NT$ pro Portion mit jeweils zwei Stück. Der Eintritt zum Tempel ist frei.

Das deutsche Wort "Klöße" ist eine irreführende Bezeichnung; es gibt mindestens ein halbes Dutzend chinesischer Speisen, alle mit verschiedenen Benennungen, die in Ermangelung eines besseren Namens als "Klöße" übersetzt werden. Chang's Spezialität sind Jou-yüan (肉圓), was wie "rou yüän" klingt und wörtlich übersetzt "Fleisch-Rundling" heißt. Eine gewürzte Füllung aus Fleisch wird in einer unten abgeflachten Reispastenhülle von etwa sechs Zentimetern Umfang gedämpft. Die Hülle bzw. die Haut der Klöße wird aus gekochtem und in einem Großküchenmixer zerkleinerten Reis hergestellt, welchem dann ein bißchen Süßkartoffelmehl beigegeben wird, um das Aufbrechen der Hülle beim Dämpfen zu verhindern.

Die Füllung hat einen für Tainan typischen Geschmack und wird aus gehacktem Fleisch sowie kurz angebratenen kleinen Zwiebeln, Sojasoße und einer Gewürzmischung gemacht. Als letzten Schritt der Zubereitung drückt Chang mit einem Löffel ein bißchen Fleischfüllung in ein flaches Stück von bereits abgekühlter Reispaste, welche er dann um die Füllung herumdrapiert und in einen rechteckigen Dampfkochtopf plaziert, der insgesamt 36 Jou-yüan faßt.

Jou-yüan wird zusammen mit einer braunen Soße nach einem Tainaner Rezept serviert, die aus Sojasoße, Essig, Zucker, Tomatensoße und verschiedenen Gewürzen besteht. Die regional bevorzugte Geschmacksrichtung von Süß-Salzigem zeigt sich bei dieser Soße, welche sich bei einer Vielzahl von Tainan Hsiau-ch'ih findet, besonders deutlich. In diesem Fall ist sie eine besonders gute Ergänzung zur Klößchenhülle, die anderenfalls ein bißchen fade wäre, obwohl das bis zu einem gewissen Maß den Geschmack der Fleischfüllung überdeckt; wenn Gäste ihn bitten, etwas weniger Soße zuzugeben, kommt Chang dem gerne nach. Wasabi, ein grüner japanischer Senf, der schwer verstopfte Stirnhöhlen durchputzen kann, wird auch noch als Würzmittel zu Jou-yüan gereicht. Dies ist ein nachhaltiger Einfluß der japanischen Besetzung Taiwans bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges vor fünfzig Jahren, und Wasabi bildet tatsächlich eine gute Zutat zum Gesamtgeschmack, da er ein bißchen von der Süße wegnimmt. (Adresse: Yungfu-Straße, Abschnitt 2, Nr. 225)

Süße Klöße mit Reisfüllung

Tsung-tzu (粽子), Klöße aus süßem Reis mit verschiedenen Zutaten, sind nicht nur eine Spezialität aus Tainan, sondern auch eine bedeutende traditionelle Speise Chinas. Jedes Jahr werden in ganz China zur Erinnerung an Ch'ü Yüan, einen von Chinas antiken Helden, während des Drachenbootfestes Tsung-tzu gegessen [siehe auch "Freie China", Juli-August 1991, Titelinnenseite]. Die meisten Tsung-tzu in Tainan sind nach südchinesischer Art mit Fleisch und anderen ergänzenden Zutaten gefüllt und stehen damit im Gegensatz zu den einfacheren im nördlichen China, die in Zucker gewälzt und kalt gegessen werden.

"Tsai Fa Hao" ist die älteste und bestbekannte Garküche, die Tsung-tzu à la Tainan macht. Sie ist seit vier Generationen, seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts, im Geschäft. Ihre Tsung-tzu kosten 20, 40 und 70 NT-Dollar pro Stück, je nach Größe und Art der Füllung.

In früheren Tagen machten die meisten Bauernfamilien ihre eigenen Tsung-tzu; die Zubereitung ist einfach, erfordert jedoch Übung. Zuerst wird gekochter süßer Reis in eine Hülle aus zusammengesteckten Bambusblättern geschaufelt. Verschiedene althergebrachte Zutaten wie gekochte Schweinehachse, getrocknete Pilze, Maronen, getrocknete Krabben und gesalzenes Entenei werden in dem Reis plaziert. Als nächstes werden die Bambusblätter zu einer Dreiecksform um das Ganze gewickelt, verschnürt und dann in einen großen Dampfkochtopf gegeben, der auf einem Kohlenfeuer vor dem Geschäft sitzt. Es werden mehrere Dutzend gleichzeitig gedämpft, und wenn sie fertig sind, werden die Blätter weggeschält und die Tsung-tzu mit der in Tainan üblichen süß-salzigen Soße auf einem kleinen Teller serviert. Man verzehrt sie mit einem spatelförmigen Bambuslöffel.

Die Tsung-tzu zu 20 NT$ sind ein bißchen knauserig hinsichtlich der Zutaten, während die teureren größer und mit mehr Fleisch gefüllt sind. Für den normalen Hunger jedoch ist die 40-NT$-Größe eigentlich ausreichend. Der Geschmack ist wahrlich ausgezeichnet, doch sind Tsung-tzu gewöhnlich ein bißchen schwer und zuviel kann auf den Magen drücken. Tsung-tzu sind eine Speise von kultureller Bedeutung, und sowohl aus geschichtlichen als auch aus geschmacklichen Gründen gleichermaßen einen Versuch wert. (Adresse: Minchuan-Straße, Abschnitt 2, Nr. 71)

Vegetarische Klößchen aus süßem Reis

Wenn eines der Charakteristika von Hsiao-ch'ih-Speisen die Einfachheit ihrer Zubereitung ist, dann können vegetarische Klößchen aus süßem Reis, eine Frühstücks-Delikatesse, sicherlich als die repräsentativsten angesehen werden: die einzigen Zutaten sind süßer Reis und Erdnüsse. Doch wie jeder gute Koch weiß, ist es um so schwieriger, es recht zu machen, je weniger komplex ein Gericht ist.

Seit 1949 verkauft Cheng Li-chin (鄭麗金) vor dem 315 Jahre alten "Sha Tao-Tempel" Tainans leckerste vegetarische Klößchen aus süßem Reis. Cheng's Klößchen sind eine Lieblingsspeise nicht nur von buddhistischen Gläubigen, die sich an eine strikt vegetarische Diät halten, sondern von Jung und Alt in ganz Tainan. Cheng's reges Geschäft ist ein guter Indikator für die Beliebtheit einer Klößchen; für 10 NT$ das Stück kann er zu Hauptgeschäftszeiten nahezu tausend in weniger als drei Stunden verkaufen.

Das vegetarische Klößchen aus süßem Reis macht man aus einer halbgaren Mischung süßen Reises und Erdnüssen, die in Bambusblätter gewickelt und bis zum Garpunkt gedämpft wird. Falls das einfach klingt: andere Stände in Tainan verkaufen ähnliche Klößchen, bei denen jedoch der Reis zäh wie Kaugummi und die Erdnüsse hart wie kleine Steine sind. Bei Cheng's Version hat der Reis gerade die richtige weiche Konsistenz (süßer Reis ist von Natur aus bißfester als normaler Reis), und die Erdnüsse sind zart und schmackhaft. Die Klößchen werden direkt aus dem riesigen hölzernen Bottich, in dem sie gedämpft werden, serviert. Nach dem Beseitigen der Bambusblätter wird eine spezielle Klößchen-Soße - wieder süß-salzig - darüber gegossen und der Gast kann mit dem Essen beginnen.

Cheng's vegetarische Klößchen sind nicht nur die besten in Tainan, sie sind auch die kleinsten; andere Straßenhändler verkaufen welche zum selben Preis, die aber doppelt so groß sind. "Wir verwenden die besten verfügbaren Qualitäten an süßem Reis und Erdnüssen, welche auch die teuersten sind", erklärt Cheng. "Es ist sogar so, daß die Gewinnspanne vor beinahe vierzig Jahren, als ich erstmals anfing, mit meinem Vater hier am selben Platz Klößchen zu verkaufen, größer war als jetzt. Damals kostete eine Portion mit zwei Klößchen 1NT$. Zu jener Zeit zahlten wir nur 7 NT$ pro Tou (20 Pfund) süßen Reises, wovon wir etwa hundertachtzig Klößchen machen konnten."

Durch Taiwans wirtschaftlichen Aufschwung in den letzten vier Jahrzehnten hat sich der Preis von süßem Reis auf etwa 280 NT$ pro Tou vervierzigfacht. Doch selbst bei 20 NT$ für eine doppelte Portion ist der Preis von Cheng's Klößchen immer noch mehr als angemessen. Cheng's Betonung von Qualität statt Quantität hat eine loyale Anhängerschaft angezogen, und seine Klößchen werden nachdrücklich zum Frühstück empfohlen. (Adresse: Hsimen-Straße, Abschnitt 2, Seitengasse 16, Nr. 6)

Milchfischsuppe (Teil II)

Die "Hsin Wei"-Garküche ist ein anderer Neuling in Tainans Hsiao-ch'ih-Szene; Lin Chin-nan (林進南) und seine Frau betreiben diese Garküche an der Kaiyuan-Straße erst seit etwa zehn Jahren. Doch in dieser kurzen Zeit haben auch sie es geschafft, sich durch Herstellung eines der besten Hsiao-ch'ih, das Tainan zu bieten hat, abzuheben. Vor allem wenn man der zahlreichen süß-sauren Soßen, die als ein lokales Aroma nicht ohne Verdienst sind, müde wird, bietet ein Abstecher geradewegs zu "Hsin Wei" auf eine Schale ihrer Milchfischsuppe eine erfreuliche Alternative.

Die klare und duftende Suppenbrühe und der absolut frische und unverfälschte Geschmack des Milchfisches sind es, was chinesische Feinschmecker als Yüan-wei (原味), "originales, echtes Aroma", bezeichnen. Jede Schale Milchfischsuppe mit ihren zwei großzügig bemessenen Stücken Milchfisch (einschließlich des Magenteils, natürlich) kosten 45 NT$.

Lin ist hinter einer Zubereitungstheke geschäftig; er bedient vier Kocher, welche beständig in Gebrauch sind und eine größere Speisenvielfalt ermöglichen als in den meisten anderen Hsiao-ch'ih-Garküchen. Außer Fischbällchensuppe, Milchfisch in Reissuppe und anderen Gerichten mit Meeresfrüchten bereitet er auch noch Fleischsoße auf süßem Reis zu. Doch ist es seine Milchfischsuppe, die am meisten Zuspruch erhält. Im Gegensatz zu anderen Garküchen, die zuerst allen Fisch kochen und dann in einem großen Topf lassen, bis sie ihn brauchen (wie bei dem Frühstücksstand vor dem "Tempel des Allumfassenden friedens") bereitet Lin jede Milchfischsuppe auf Bestellung einzeln zu.

Lin schöpft zuerst etwas Suppenbrühe, die aus Milchfischgräten gekocht ist, in einen kleinen Topf; sobald sie kocht, fügt er zwei Stücke frischen, ungekochten Milchfisch und ein paar hausgemachte Fischbällchen hinzu. Nachdem er dies mit peinlich genauer Perfektion gegart hat, wird nichts mehr dazugetan - und es bedarf auch nichts weiter - außer einer Prise Salz, etwas Petersilie und einiger weniger hauchdünner Ingwerstreifen. Die Suppe ist großartig: delikat, aber verführerisch, wie eine Frühlingsmaid aus einem der alten chinesischen Gedichte. Und nicht nur ist der Fisch frisch und süß, sondern auch sehr zur Überraschung und Erleichterung des Gastes vollständig entgrätet, was den Verzehr leichter und sicherer macht.

Ein anderes Angebot bei "Hsin Wei", das von einheimischen Feinschmeckern hoch eingestuft wird, ist die Fischmagensuppe. Milchfisch ist einer der wenigen Fischarten, die einen zum Verzehr geeigneten Muskelmagen haben, und "Hsin Wei" kocht die Suppe, wiederum auf Bestellung, in derselben wunderbaren Brühe wie den Fisch. Eine Schale kostet 25 NT$. Der Geschmack ist weit besser, als man erwarten würde, und sollte nicht wegen Überempfindlichkeit übergangen werden. Aber man muß sie früh essen gehen; die Fischmagensuppe ist das erste, was morgens ausverkauft ist. Sie bietet eine erfrischende Abwechslung zu Kaffee, Toastbrot und Käseomelette. (Adresse: Kaiyuan-Straße, Nr. 309)

Reispudding à la Tainan

Wenn man Westlern gegenüber "Reispudding" erwähnt, kommt den meisten die süße und köstliche Versuchung in den Sinn, die alljährlich in der Weihnachtszeit gereicht wird. Doch der taiwanesische Reispudding steht nicht einmal in entfernter Verwandtschaft dazu. Der Wan-kuo (碗粿),wie er auf Chinesisch heißt, besteht aus Schweinefleisch und getrockneten Krabben. Bei seiner Beliebtheit auf ganz Taiwan ist die Weise, nach der er in Tainan zubereitet wird, besonders bekannt. Wu Ting-chiang (吳定江), der vor nicht allzulanger Zeit "Fu Sheng Hao" von seinem Vater übernahm, welcher sich in den Ruhestand begeben hat, führt eine 70 Jahre bestehende Familientradition weiter. Da der Stand gerade um die Ecke von dem liegt, wo die Frühlingsrollen gemacht werden, kann man die beiden zu einem herzhaften und sättigenden Mittagessen zusammenfassen.

Wu macht den Reispudding weiterhin auf die überlieferte Weise. Zuerst zermahlt er den Reis mit einer Steinmühle zu einer Paste und fügt dann etwas gekochte Schweinshachse, Schweinefleischsoße und getrocknete Krabben dazu. Nachdem die Mixtur in Porzellanschalen gegeben ist, wird sie bei hoher Hitze zwanzig Minuten lang gedämpft. Wu's einzige Konzession an moderne Methoden ist ein riesiger stählener Dampfkochtopf, in dem man fünfzig Schalen mit Pudding auf einmal garen kann. Der Topf hat angeblich mehr als 10 000 US$ gekostet, eine bei einem Hsiao-ch'ih-Stand geradezu unerhörte Investition. Nach dem Garen läßt man den Pudding abkühlen und etwas fester werden, wobei er die Form der Schale annimmt. Er wird mit einer dicken, leicht süßlichen Sojasoße, deren Verwendung auch bei vielen anderen Tainaner Gerichten typisch ist, serviert. Der Preis liegt bei 15 NT$ pro Schale.

Im Vergleich zu den buchstäblich Dutzenden von Garküchen, die Tainan-Reispudding verkaufen, ist "Fu Sheng Hao" in der Tat weit überlegen. Nach seinem "Geheimnis" gefragt, erläutert Wu: "Erstens verwenden wir nur die frischesten, ausgewähltesten Zutaten. Wenn man darauf wartet, daß Straßenhändler einem das Benötigte bringen, bekommt man gewöhnlich nicht das Beste und manchmal sogar nur Überbleibsel vom Tag davor. Die Zubereitung ist auch wichtig; sogar die Art und Weise, mit der die Schweinshachse in kleine Stücke zerteilt wird, hat einen Einfluß auf den Geschmack."

Dann weist er auf seinen Dampfkochtopf aus rostfreiem Stahl und sagt stolz: "Kein anderer in Tainan hat einen Dampfkochtopf wie diesen hier." Ob das der Fall ist oder nicht, es ist keine Frage, daß die Ergebnisse die besten sind, die der Gast in Tainan finden kann. (Adresse: Hsimen-Straße, Abschnitt 2, Seitengasse 333, Nr. 8)

Gedämpfte Klöße

Bei "Pao Tsai Lu", einem Veteranen der Hsiao-ch'ih-Branche in Tainan, verkauft man seit 1886 diese einzigartige Version gedämpfter Klöße. Die Garküche wird jetzt von Shih Wen-hsiung (石文雄), dem Eigentümer in vierter Generation, betrieben. "Pao Tsai Lu" liegt in der Nähe des Ch'ing-shui-ssu (清水寺), dem "Tempel des Reinen Wassers". Der buddhistische Tempel, der 1779, im 40. Jahr der Regierungszeit des Ch'ing-Kaisers Ch'ien-lung, erbaut wurde, ist der Verehrung der "Göttin der Barmherzigkeit" gewidmet.

"Pao Tsai Lu" macht, wiederum unter der Falschbezeichnung "Klöße", zwei verschiedene Arten. Die eine heißt Shui-ching-chiao (水晶餃), "Kristallkloß", und die andere einfach Jou-pao (肉包), "Fleischkloß". Von den beiden ist der "Kristallkloß", ein sehr schmackhaftes und entschieden einheimisches Gericht, empfehlenswerter. 

Die Füllung der "Kristallklöße" besteht aus Stückchen frischer Bambussprossen, chinesischer Rübe, Schweinefleisch, getrockneten Krabben sowie Gewürzen und wird in eine Kloßhülle aus Reispaste gewickelt und bei hoher Temperatur gedämpft. Die Hülle ist dünner als die bei den Fleischklößen von Wu Chien, und die Bambussprossen und die Rübe geben der Kloßfüllung einen leichten und knusprigen Geschmack, welcher eine angenehme Abwechslung zu der schweren Zubereitung aus Stärke und Fleisch bei einigen der anderen Hsiao-ch'ih bietet. Um diesem leichteren Geschmack zu entsprechen, ist es ratsam für den Gast, die Soße wegzulassen - die Klöße bedürfen ihrer nicht. Die "Kristallklöße" kosten 6 NT$ das Stück; drei oder vier ergeben einen leichten Imbiß.

Die gedämpften Fleischklöße ähneln denen, die in Nordchina beliebt sind. Die Hülle ist ein Teig aus ausgereiftem Korn, eine Zubereitungsart, die für den reisbauenden Süden untypisch ist. Die Füllung besteht nach taiwanesischer Art aus Schweinefleischsoße und gesalzenem Entenei, getrockneten Pilzen und Krabben sowie aus einer Gewürzmischung, die mit Piment hergestellt wird. Auch wenn Shih's gedämpften Fleischklößen nicht allerhöchste Ehren zugesprochen werden, vor allem im Vergleich mit einigen in Taipei erhältlichen echten nordchinesischen Versionen, so sind sie doch nicht ohne Verdienst. Shih macht den Teig mit traditionellen Methoden, ohne Verwendung von treibenden Zusätzen oder Sauerteig; das macht die Hülle leicht und gleichzeitig fest. Zum Dämpfen der Klöße nimmt er - für gleichmäßig starke Hitze - Holzfeuer. Jeder Fleischkloß ist etwa doppelt so groß wie ein "Kristallkloß" und kostet 12 N$. (Adresse: Kaishan-Straße, Seitengasse 3, Nr. 27)

 

Fritierte Krabbenrollen

In den Morgenstunden ist der Kuang-fu-Markt auf der Chengkung-Straße voll mit Händlern, die frisches Gemüse und Obst verkaufen. Nach dem Mittagessen schließen die Gemüseverkäufer ihre Stände und zahlreiche Garküchen nehmen ihre Plätze ein, welche bis in die späten Abendstunden geöffnet bleiben. Unter ihnen ist ein Stand, der sich auf einen anderen leckeren Imbiß von Feinschmeckerqualität in Tainan spezialisiert hat: gebackene Krabbenrollen. Die Gäste können hier zuschauen, wie frische Krabben mit Schalotten und Weißkohl sowie Gewürzen und Gewürzmischungen kombiniert und dann kräftig ausgebacken werden, bis sie außen knusprig sind, während die Innenseite zart und saftig bleibt. Jede Portion besteht aus zwei Krabbenrollen und kostet 20 NT$.

Der Inhaber, Huang Chin-shui (黃金水), hat die Zubereitung der Krabbenrollen zuerst mit 26 Jahren gelernt. Ursprünglich arbeitete er als kleiner Angestellter in einer Bank im Norden Taiwans, suchte jedoch eine unabhängigere Tätigkeit in seiner Heimatstadt Tainan. Beeindruckt von dem gutgehenden Geschäft einer Krabbenrollen verkaufenden Garküche am Shi-ching-chiu-Markt in Tainan, stellte sich Huang dem Inhaber, Wu Szu, vor und bat darum, als Lehrling aufgenommen zu werden.

Wu, der aus der Stadt Foochow in der Provinz Fukien stammt, gab dem Ansinnen des jungen Mannes nach und erklärte ihm: "Meine Familie macht Krabbenrollen seit drei Generationen auf dieselbe Weise. Lern' dieses eine Gericht gründlich, und du wirst nie mehr eine andere Arbeit brauchen." Er hielt sich an diesen Rat, der sich in der Tat als prophetisch erweisen sollte - Huang zog sich kürzlich im Alter von 64 Jahren, nach beinahe vierzig Jahren des Zubereitens von Krabbenrollen, aus dem Geschäft zurück, welches nun sein Sohn, Huang Ta-hsiung (黃大雄) führt, der weiterhin die Krabbenrollen auf genau dieselbe Weise macht wie die vier Generationen vor ihm, ebenfalls für Generationen zufriedener Gäste jede Portion Krabbenrollen auf Bestellung backend. (Adresse: Chengkung-Straße, Nr. 158)


(Deutsch von Martin Kaiser)

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