03.05.2025

Taiwan Today

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Herrliche Insektenfauna auf Taiwan

01.09.1993
Taiwans Insektenreichtum zeigt sich besonders bei den Schmetterlingen.
Die Insel Taiwan liegt im ostchinesischen Meer, 355 Kilometer nördlich von der philippinischen Insel Luson und 595 Kilometer südlich vom japanischen Okinawa. Durch die Taiwanstraße wird das Eiland von der Provinz Fukien auf dem chinesischen Festland getrennt. Die Insel ist 402 Kilometer lang und bis zu 140 Kilometer breit; die gesamte Fläche der Insel beträgt rund 36 000 Quadratkilometer.

Fast drei Viertel der Fläche Taiwans werden von Bergen bedeckt. Das Zentralgebirge verläuft von Norden nach Süden und bildet das Rückgrat der Insel. Der höchste Berg ist der Yühan, zu deutsch "Jadeberg", mit 3952 Metern. Daneben gibt es noch 62 Gipfel, die sich über 3000 Meter erheben. Die auf Taiwan anzutreffenden Witterungsverhältnisse reichen von der kalten bis zur tropischen Klimazone. Wegen seiner geographischen und klimatischen Eigenschaften besitzt Taiwan eine reichhaltige Flora und Fauna: Es kommen beispielsweise 404 Vogel- und 1264 Fischarten vor. Die größte Vielfalt aber findet sich bei den Insekten.

Laut einer von dem Entomologen Ma Chao-jiun im Jahr 1956 angestellten Untersuchung kommen 13 889 Insektenarten auf Taiwan vor, und daneben gibt es laut Schätzungen wahrscheinlich noch weitere 30 000 bis 40 000 bislang unentdeckte Arten. Taiwans Insektenreichtum wird besonders am Beispiel der Schmetterlinge deutlich. Diese Gattung ist mit 410 Arten vertreten; das bedeutet 113 Schmetterlingsarten pro 1000 Hektar. Japan im Vergleich ist zwar flächenmäßig zehnmal größer als Taiwan, hat aber nur 225 Schmetterlingsarten beziehungsweise nur sechs Arten pro 1000 Hektar. England weist 68 Arten oder 2,4 Arten pro 1000 Hektar auf; Malaysia verfügt über die enorme Vielfalt von 898 Arten, die sich jedoch auf durchschnittlich 68,5 Arten pro 1000 Hektar verteilen. An diesen Zahlen läßt sich erkennen, daß Taiwan wirklich mit einer reichen Vielfalt dieser fliegenden Insekten gesegnet ist und mit Recht den Namen "Königreich der Schmetterlinge" trägt.

Aber auch bei den anderen Insektengattungen, wie Libellen und Käfer, findet sich auf Taiwan eine unerschöpfliche Vielfalt. Der Hirschkäfer, der auf der ganzen Welt in ungefähr tausend Arten vorkommt, aber beispielsweise in Mitteleuropa nur mit sieben, in ganz Europa mit elf und in Japan mit 36 Arten vertreten ist, wurde auf Taiwan bereits in 49 Arten, davon die Hälfte endemisch, entdeckt und beschrieben,

Die unter Naturschutz stehende Fleckenfalterart Sasakia charonda formasana

Die auf Taiwan anzutreffende Insektenfauna zeigt eine große Ähnlichkeit mit denen der Nachbarregionen, und viele in hohen Lagen lebende Insekten auf Taiwan ähneln den in der Provinz Yunnan (Südwest-China), in Nord-Birma und in Tibet vorkommenden Arten. Gemäß biologischsystematischer Einteilungen stammen diese Insektenarten aus der Himalaya-Region. Beispiele sind die rotgelbe Knotenameisenart Myromica rugosa arisana, der Iphiclides eurous (eine Segelfalterart aus der Papilionidae-Familie) und die Edellibelle Aeschna atayal. Weiterhin gibt es auf Taiwan eine Wintermückenart, die Trichocera arisaneusis aus der Familie Trichoceridae, die auch im Er-mei-Gebirge in der festlandchinesischen Provinz Szechwan vorkommt. Weitere Beispiele sind der Neozephrus taiwans, eine Bläulingsart der Tagfalterfamilie Lycaenidae, die Ritterfalterart Agehana malaho sowie die Laubheuschreckenart Niitakacris formosatettix.

Im übrigen ergänzen auch die Tiere aus der Paläarktis die Insektenfauna auf der Insel, wie der Schwalbenschwanz, Papilio machaon aus der Familie Papilionidae sowie die Laufkäferarten Coptolabrus nanrotaizanus und Damaster blaptoides hanae aus der Familie Carabidae.

Die Insektenfauna im Gebiet der Ebenen ist überwiegend von der Orientalis beeinflußt. Hier findet man beispielsweise die Vogelflüglerart Troides aeacus aus der Familie Papilionidae, die Weißlingart Prioneris thestylis aus der Familie Pieridae, den Fleckenfalter Ariadne ariadne aus der Familie Nymphalidae und viele andere. Daneben kommen weiterhin Insektenarten vor, die man sonst nur in Südchina findet, nämlich der Ritterfalter Papilio dialis, die Weißlingart Pieris naganu und andere.

Allgemein läßt sich sagen, daß die Schmetterlingsarten Taiwans und der Himalayaregion in engstem Zusammenhang stehen. Die Vogelflüglerart Troides magellanus und der Rüsselkäfer Pachyrrhynchus, welche auf den Philippinen und in Malaysia vorkommen, sowie im gesamten Südpazifik-Gebiet anzufindende Insekten trifft man auch auf der zum Taiwan-Gebiet gehörenden Insel Lanyü an. Auf der südwestlich von Taiwan gelegenen Insel, deren Name auf deutsch "Orchideeninsel" bedeutet, finden sich viele von den Philippinen her bekannte Insektenarten, wie der oben erwähnte Pachyrrhynchus. Diese Rüsselkäferart hat eine Körperlänge von rund 15 Millimetern und einen wie eine elliptische Kugel geformten Hinterleib. Der außerordentlich harte Panzer ist glänzend schwarz mit blauen Flecken und schützt ihn durch seine Härte und leuchtende Farben davor, von Vögeln verspeist zu werden. Auch andere Insektenarten, darunter einige auf Lanyü vorkommende Bockkäfer, haben diese Schutzfärbung nachgeahmt (Mimikry), um sich vor ihren natürlichen Feinden zu schützen. Die auf der Orchideeninsel lebenden Ureinwohner fangen die Käfer, um durch Zusammenpressen der Panzer ihre Fingerkraft zu beweisen.

Der japanische Entomologe Umeino Akira hat darauf hingewiesen, daß man aus der Verbreitung der Insektenarten auf Taiwan und den Philippinen die Schlußfolgerung ziehen kann, daß die Inseln im Tertiärzeitalter durch eine Landbrücke verbunden waren. Weiterhin gibt es geologische und biologische Funde, die darauf hinweisen, daß Taiwan einst mit Festlandchina und anderen Ländern Südostasiens eine Landmasse bildete.

Einer der schönsten und größten Bockkäferarten auf Taiwan: Anoplophora horsfieldi

Den Vogelflügler Troides magellanus beispielsweise findet man nicht nur auf der Orchideeninsel, sondern auch auf den Philippinen und sogar im südamerikanischen Peru. Im Süden der Insel kann man auch noch eine weitere ähnliche Art antreffen, nämlich den Troides aeacus. Der Troides-Schmetterling kommt in 24 Arten und doppelt sovielen Unterarten vorwiegend in tropischen Zonen vor. Beim Troides magellanus sind die Hinterflügel des Männchens mit goldenen Flecken bedeckt. Betrachtet man den Schmetterling im spitzen Winkel von hinten, läßt sich eine wunderschöne schillernde Strukturfärbung erkennen. Der Troides magellanus, Familie Papilionidae, ist das ganze Jahr hindurch anzutreffen, hauptsächlich jedoch im Frühling und Sommer. Die Schmetterlingsraupe ernährt sich von der Aristolochia, einer Kletterpflanze. Aufgrund zunehmender Landkultivierung hat die Zahl der prächtigen Schmetterlinge auf der Orchideeninsel in den letzten Jahren jedoch leider abgenommen.

Der Schwalbenschwanz Agehana maraho ist eine sehr seltene Schmetterlingsart, die erst 1936 entdeckt wurde. Das Charakteristikum dieses großen und schöngefärbten Insekts ist sein breiter Schwanz mit zwei Adern. Männchen und Weibchen weisen dieselbe Zeichnung auf, jedoch ist das Weibchen etwas größer und seine Flügelenden mehr gerundet als beim männlichen Partner. Im Frühling und Sommer findet man den Agehana in den zentralen und nördlichen Bergregionen auf Taiwan. Weil er eine der seltenen und endemischen Arten hierzulande ist, wurde er zum "National-Schmetterling" der Republik China auf Taiwan erklärt. Die Raupe des Agehana lebt auf dem Sassafrasbaum (Sassafras randaiense), dessen hochwertiges Holz gerne für Möbelfurnier verwendet wird. Der Sassafrasbaum, welcher in drei verschiedenen Arten vorkommt, stammt aus der Tertiärzeit, und seine Verbreitung reicht von Ostasien bis Nordamerika. Der Sassafrasbaum spielt eine bedeutende Rolle in der Evolutionsgeschichte der Pflanzen. Sassafrasbäume finden sich in Mischwäldern in einer Höhe von 1000 bis 2000 Metern ü.d.M. Wildwachsende Sassafrasbäume werden oftmals vom Bockkäfer (Paraleprodera itzingeri) heimgesucht, welcher großen Schaden anrichtet. In den letzten Jahren ist es dem Amt für Forstwirtschaft nach langjährigen Versuchen mit der Jungpflanzenzucht gelungen, die Hänge des Tai-ping-Bergs in der Nähe von Ilan im Nordwesten Taiwans mit Sassafrasbäumen aufzuforsten. Dadurch hat der unter Naturschutz stehende Agehana maraho einen neuen, sicheren Lebensraum gefunden.

Eine weitere, ebenfalls unter Naturschutz stehende Schmetterlingsart ist der Sasakia charonda formosana aus der Familie der Nymphalidae, die in den zentralen und nördlichen Berggebieten zwischen 800 und 1000 Meter ü.d.M. verbreitet ist. Exemplare dieser Art haben eine Flügelspannweite von 85 bis 100 Millimeter, und die Flügel des Männchens weisen einen violetten, metallischen Glanz auf. Die Schmetterlinge fliegen nur zwischen Mai und Juli. Die Raupen ernähren sich von einer Ulmenart, der Celtis sinesis. Die Bewegungen der ausgewachsenen Falter sind sehr geschwind; sie saugen gerne Baumsaft und Saft aus gegorenem Obst, und man sieht sie häufig auf feuchtem Untergrund in der Nähe von Bächen oder an Pfützen, wo sie sich zum Trinken niederlassen. Unterarten des Sasakia charonda kommen auch in Japan, Korea und auf dem chinesischen Festland vor. Da die Bauern auf Taiwan früher bei der Pilzzucht die Rinde der Celtis sinesis verwendeten, ging der Bestand dieser Ulmenart sehr zurück. Das hat auch rezessive Auswirkungen auf die Verbreitung und Zahl des Sasakia charonda, gehabt. Auch die Bockkäferart Anoplophora, deren Larven sich ebenfalls von der Celtis sinesis ernähren, ist unter dem verstärkten Abholzen der Ulmenart zurückgegangen.

Die Gattung der Bockkäfer oder Cerambycidae ist mit vielen Arten auf Taiwan vertreten: Die drei schönsten und größten sind der Anophlophora (Cyrio crates) horsfieldi tonkines, der Neocerambyx oenochrous und der Callophlophora albopicta. Der Anophlophora horsfieldi ist schwarz gefärbt und hat gelbe Flecken auf dem Rückenpanzer. Der Unterleib ist leicht behaart. Am Kopf und Hals befinden sich gelbe Streifen. Diese Bockkäferart findet man in Nordvietnam, China und auf Taiwan.

Dorcus formosanus

Der Callophlophora albopicta ist ebenfalls von schwarzer Farbe, der Rückenpanzer ist jedoch stark metallisch glänzend und mit weißen Flecken verziert. Die Insektenraupe lebt auf den Magnolienbaumarten Michelia alba und Michelia compressa. Die Larven der Bockkäferart Neocerambyx oenochrous sowie die fertig ausgebildeten Insekten leben auf Kirschbäumen (Prunus campanulata Maxim) oder wilden Pfirsichbäumen. Sie kommen in Südchina und in den nördlichen und zentralen Bergregionen auf Taiwan vor. Ihr Körper ist purpurrot und samtig behaart; die Körperlänge mißt ungefähr 60 bis 70 Millimeter.

Der größte Käfer Taiwans ist der Beinkäfer (Cheirotonus macleayi formosanus), welcher auf der ganzen Insel, aber hauptsächlich in Hügel- und Berglagen zwischen 200 und 500 Meter ü.d.M. vorkommt. Diese Käfer, welche auf Lichtreize reagieren, sind 50 bis 55 Millimeter lang; die Männchen haben bis zu 50 Millimeter lange Beine, während die des Weibchens nur zirka 30 Millimeter messen. Ihr dunkelbrauner Körper hat einen matten Glanz, und die Flügeloberseiten sind mit rotbraunen Flecken verziert. Die fertig ausgebildeten Insekten schlüpfen zwischen Juli und September.

In der vergangenen Zeit hat Herr Yu Ching-kin, Leiter des Musheng-Museums für Entomologie in Puli den Beinkäfer mit Erfolg künstlich gezüchtet. Laut seiner Aufzeichnungen dauert die Entwicklung vom Larvenstadium bis zum Imago, dem vollausgebildeten, geschlechtsreifen Insekt, ungefähr ein Jahr. Danach verharrt das ausgewachsene Insekt noch ein weiteres Jahr im Ruhestadium, ehe es sich aus dem Kokon entpuppt. Außerdem fanden Wissenschaftler heraus, daß sich nicht alle Larven gleichzeitig zur Puppe entwickeln; stattdessen überwintern einige und verpuppen sich erst später. Dadurch wird im Fall einer Umweltkatastrophe nicht das gesamte Gelege zerstört und das Überleben der Art gesichert.

Die künstlich gezüchteten Exemplare des Beinkäfers sind meist kleiner als die in freier Natur aufwachsenden. Der Cheirotonus kommt in fünf bis sechs Arten vor. Sein Verbreitungsgebiet reicht von Kleinasien bis Südchina, Okinawa und Taiwan. Es sind träge Tiere mit langsamen Bewegungen, die man oft an verletzten Kampferbäumen findet, wo sie den gegorenen Saft aufsaugen.

Ein anderer großer Käfer, den man auf Taiwan häufig antrifft, ist der Nashornkäfer Allomyrina dichotomus. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich von China über Taiwan bis nach Japan. Dieser schwarzbraune Käfer kann bis zu 75 Millimeter lang werden, und das Bemerkenswerteste an ihm sind seine geweihähnlichen Hörner. Die stark nach unten gebeugten Hörner spalten sich wie bei einem Elch zu einer flachen Gabelung mit scharfen, spitzen Enden.

Eine Käferfamilie mit großen Mandibeln bilden die Hirschkäfer (Lucanidae), welche auf Taiwan in zahlreichen Arten vorkommen; bislang hat man 49 unterscheiden können. Viele Hirschkäfer sind in ihrem Verbreitungsgebiet lokalisiert oder nur in Gebieten einer bestimmten Meereshöhe verbreitet. Der Serrognathus platymelus beispielsweise kommt zwar in großer Zahl vor, aber nur in den Küstenwäldern und niedrigen Berglagen. Ab 1200 Meter ü.d.M. trifft man ihn selten an. Stattdessen findet man in den Berg- und Gebirgslagen zwischen 400 und 1800 Metern ü.d.M. eine andere Hirschkäferart, nämlich den Serrognathus kynaraunesis. Eine weitere häufig anzutreffende Art ist der Odontolabis siva, welcher in Bergen bis zu 1300 Meter ü.d.M. lebt.

Die Höhe über dem Meeresspiegel spielt eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung der Hirschkäfer; solche Arten, die man in niedrigen Höhen findet, können nicht in Gebirgslagen leben und sich vermehren. Umgekehrt gilt das Gleiche. Als Beispiel dient der Lucanus taiwanus, der in Gebirgslagen von 1400 bis 3000 Meter ü.d.M. anzutreffen ist, aber nicht in tieferen Lagen vorkommt.

Die Hirschkäfer bewohnen alte, vermoderte Bäume und Baumstümpfe, in deren Torf sie ihre Larven ablegen. Die Entwicklung der Larve bis zum Imago kann je nach Art zwischen ein bis drei Jahre dauern. Die Hirschkäferlarven leben auf engem Raum in den Bäumen und wechseln selten den Standort. Aus diesem Grund können die Lebensräume und Entwicklungsbedingungen für die Larven sehr unterschiedlich aussehen. Die Art der vermoderten Bäume, ihre Lage, klimatische Bedingungen wie Temperatur, Feuchtigkeit. Niederschläge: all diese Faktoren beeinflussen die Entwicklung der Hirschkäfer. Daraus erklärt sich auch die interessante Entdeckung, daß Exemplare der gleichen Art unterschiedlich groß sein können oder ortsspezifische Merkmale aufweisen. Hirschkäferlarven sind äußerst aggressiv und kampflustig; wenn sich in einem Baumstamm zwei Larven zu nahe kommen, beginnen sie miteinander zu kämpfen, und wenn zu viele Larven auf einem Raum leben, verwandeln sie sich in Kannibalen und ein Teil der Larven wird von den anderen gefressen. Zur Verteidigung ihres Lebensraumes geben sie Warnsignale durch das Zusammenreiben ihrer mit dornigen Fortsätzen ausgerüsteten Hinter- und mittleren Beine ab.

Odontolabis siva

Auf Taiwan häufig anzutreffende Hirschkäferarten sind zum Beispiel Rhaetulus crenatus, Odontolabis siva, Lucanus formosanus, Prosopocoilus blanchardi und Neolucanus lama swinhoei.

Der Lucanus taiwanus und der größte Käfer Europas, Lucanus cervus, gehören zur selben Gattung. Der Lucanus taiwanus ist eine ausschließlich im Gebirge, in Höhen zwischen 1400 und 3000 Meter ü.d.M. auftretende Art. Das Männchen hat ohrförmige Leisten, die sich vom Kopfhinterrand mit scharfem Knick nach vorne zur Kopfmitte hin biegen. Der Körper ist dunkelbraun und behaart. In den sechziger Jahren kam es zu einer enormen Vermehrung dieser Käfer auf Taiwan. Der Grund dafür war, daß nach dem Bau der Ost-West-Verbindungsstraße viele Bäume am Li-Berg (Li-Shan) abgeholzt wurden, um Obstplantagen anzulegen. Die vermodernden Baumstümpfe boten ideale Lebensbedingungen für die Hirschkäfer, die sich rapide vermehrten. E dauerte viele Jahre bis die Zahl der Käfer wieder zurückging.

Der andere große auf Taiwan beheimatete Käfer der Lucanus-Familie ist der Lucanus formosanus. Dieser leuchtend rotbraune Käfer lebt in Berglagen zwischen 500 und 1500 Meter ü.d.M. Neben den starken Mandibeln weist er an den Hinterbeininnenseiten jeweils einen orangegelben Fleck auf. Es gibt drei verschiedenen Typen dieser Hirschkäferart, die sich entsprechend des Verbreitungsgebiets in Körpergröße sowie auch Form und Länge der Mandibeln voneinander unterscheiden. Es gibt auf Taiwan noch weitere Lucanus-Arten, wie Lucanus kanoi, Lucanus swinhoei, Lucanus miwai und Lucanus datunesis. Es ist erwähnenswert, daß von der letzteren Art erst 1984 ein männliches Insekt entdeckt wurde; bis heute hat man noch kein Weibchen finden können.

Ein auf Taiwan häufig anzutreffender Hirschkäfer ist der Odontolabis siva, mit einer Körperlänge von bis zu 80 Millimetern. Die Mandibeln bei den Männchen variieren stark in der Größe und können in vier Kategorien eingeteilt werden. Weitere Merkmale dieser Hirschkäferart sind die ganz gerandeten Augen sowie das Fehlen der Dornen an den Hinterbeinen. Das große Verbreitungsgebiet des Odontolabis siva reicht von Nordindien über Indochina und Südchina bis nach Taiwan. Das Larvenstadium dauert zwei bis fünf Jahre. Laut Zuchtaufzeichnungen legen die Weibchen Ende November bis Anfang Dezember die Eier ab, aus denen einen Monat später die Larven schlüpfen. Diese Larven verpuppen sich schließlich zwischen August und September, und zirka einen Monat später schlüpft der fertige Käfer.

Andere große Hirschkäfer auf Taiwan sind der zur Gattung Dorcus gehörende Dorcus formosanus, welcher auf ganz Taiwan vorkommt, sowie Dorcus schenklingi, welcher in Nord- und Südtaiwan zwischen 200 und 2400 Metern ü.d.M. zu finden ist. Da die Käfer zwischen 75 und 85 Millimeter groß werden, sind sie ein beliebtes Sammelobjekt bei Käferliebhabern. Aufgrund der zurückgehenden Zahl sind sie jedoch unter Naturschutz gestellt worden.

Die Hirschkäfer sind keine Forstschädlinge, denn obwohl sie gerne den Saft verletzter Bäume saugen, schaden sie dem Gewächs dadurch nicht. Ihre Larven ernähren sich von moderndem Holz. Im ökologischen System nehmen sie eine dem Erdwurm vergleichbare Rolle ein und helfen bei der Zerlegung von natürlichem Abfall wie Baumstümpfen. Die größte Gefahr für den Hirschkäfer geht vom Menschen aus. Zum einen sind diese Insekten nachtaktive Tiere, die vom Licht angezogen und darum leicht und oft eingefangen werden. Zum anderen wird der Lebensraum der Hirschkäfer, die sich gerne in Mischwäldern aufhalten, bedingt durch Landkultivierung immer kleiner. Gefällte Bäume werden sogleich als Bauholz abtransportiert, wodurch die Hirschkäfer ihre Nahrungsquellen verlieren.

Die Wälder im ursprünglichen Zustand zu erhalten, das Baumfällen und die Zerstörung der Natur zu verbieten sind die wichtigsten Maßnahmen zum Schutz und Erhalt der Hirschkäfer. Auch in Deutschland vermindert sich die Zahl der Lucanus cervus, da erkrankte Bäume ebenfalls gleich abtransportiert werden und die Eichenbestände zurückgegangen sind.

Erst durch die Appelle der Entomologen konnte die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf die Bedeutung der Bäume für das Öko-System gerichtet werden. Taiwan besitzt eine überaus reichhaltige Fauna, doch leider legten die Menschen hierzulande früher keinen Wert auf den Erhalt der Naturschätze. Bedingt durch die wirtschaftliche Entwicklung und die zunehmende Bevölkerungszahl ist der Naturreichtum beeinträchtigt worden. Einige Tier- und Pflanzenarten sind fast ausgestorben. Um die Fauna und Flora auf Taiwan zu schützen, wurde 1982 das Gesetz zur Erhaltung des Kulturgutes erlassen, welches gleichzeitig seltene und bedrohte Tiere und Pflanzen unter Naturschutz stellt. Im Juni 1986 wurde das Wildtierschutzgesetz verabschiedet. Damit ist der Tierschutz auf Taiwan in eine neue Phase getreten. Derzeit gibt es 16 besonders geschützte Insektenarten, darunter der oben genannte Schwalbenschwanz Agehana maraho, die Vogelflüglerarten Troides aeacus und Troides magellanus, der Fleckenfalter Sasakia charonda, der Beinkäfer Cheirotonus macleayi formosanus, der Bockkäfer Neocerambyx (Hemadius) oenochrous, die Hirschkäfer Dorcus formosanus und Dorcus schenklingi, der Schnellkäfer Campsosternus gemma, der Prachtkäfer Burprestis mirabilis, die Zikadenart Formotosena seebohni, der Laufkäfer Coptolabrus nankotaizanus und andere.

Die Insekten sind neben den Pflanzen und anderen Tieren ein wichtiger Teil der Natur, deren Fortpflanzung wir schützen müssen. Die Einrichtung von fünf Nationalparks hat sehr zum Schutz der Flora und Fauna auf Taiwan beigetragen. Doch die fortschreitende Landkultivierung und die Verwendung von Pestiziden stellen immer noch eine große Gefahr für die Tierwelt dar. Die in Flüssen lebende Wasserwanze ist beispielsweise wegen der Pestizidverwendung in der Landwirtschaft auf Taiwan sehr selten geworden. Besonders die Zahl der bis zu 100 Millimeter lang werdenden Wasserwanze Lethocervus indicus, die auch in Thailand und Indien vorkommt, ist hierzulande stark zurückgegangen.

Auf den Obstplantagen kann man nach dem Verspritzen von Pestiziden immer eine große Anzahl von Laufkäferleichen auf dem Boden finden. Obgleich diese Insekten sich vorwiegend von anderen Insekten ernähren und den Bäumen keinen Schaden zufügen, werden auch sie zum Opfer.

Die Insekten sind ohne Zweifel ein Schatz der Natur. Derzeit gibt es noch viele unerforschte Bereiche in der Insektenwelt auf Taiwan, wie die zur Gattung Lepidoptera gehörenden Nachtfalter, die Weichkäfer und auch die Schaumzikaden, von denen es auf der Welt rund 3000 verschiedene Arten gibt. Hierzulande hat man bislang noch keine Untersuchungen über diese Insekten angestellt und kann deswegen keine Aussagen über die Artenanzahl machen. Die Singzikaden kommen hierzulande in 70 verschiedenen Arten vor, doch über ihre Entwicklungsstadien sind sich die Entomologen noch weitgehend im unklaren. Auch über den Rüsselkäfer gibt es noch viel zu erforschen.

Wir müssen es als unsere Aufgabe betrachten, die Natur zu schützen und den Artenreichtum der Pflanzen, Tiere, darunter natürlich auch die Insekten, zu erhalten. Vielleicht sollten wir uns ein Beispiel am deutschen Bundesland Bayern nehmen, das kürzlich die Käfersammlung des verstorbenen Hobby-Entomologen und Besitzers des Lodenfrey-Unternehmens zum nationalen Kulturgut erklärte, und auch unseren Insektenreichtum als Kulturschatz für die Nachkommen bewahren.

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