19.06.2025

Taiwan Today

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Gewissenhafte Werbung

01.07.1993
Die Stiftung Brandunfälle bei Kin­dern verbreitet seit 1989 wichtige Informationen über Gefahren und Prävention von Verbrennungen. Wichtige Erste-Hilfe-Maßnahmen werden in diesem Comicstreifen aufgezeigt.
Geben Sie das Rauchen auf. Schützen Sie Wildtiere. Finden Sie abgängige Kinder. Solche Aufrufe setzen sich durch. Regierung, Privatunternehmen und sogar berühmte Persönlichkeiten engagieren sich immer mehr auf diesem Gebiet.

Im Oktober 1990 setzte sich Hsueh Yueh, ein auf Taiwan beliebter Sänger, mit der gemeinnützigen Antirauchervereinigung "John-Tung-Stiftung" (John Tung Foundation) in Verbindung, um zur Hervorbringung eines öffentlichen Aufrufes anzuregen. Der Sänger litt an einer unheilbaren Krebserkrankung und wollte seine Fans daran erinnern, wie wichtig die Sorge um die Gesundheit ist. Er bot seine kostenlose Mitwirkung in dem Aufklärungsspot an. Die Stiftung nahm das Angebot an und produzierte nach Einholung einer finanziellen Unterstützung von IBM Taiwan einen einminütigen Film, der über die drei hiesigen Fernsehkanäle ausgestrahlt wurde.

Dieser von Herzen kommende Appell an die Öffentlichkeit wurde mit Begeisterung aufgenommen, was die John-Tung-Stiftung zur Produktion einer Folge von weiteren, gleichermaßen gesundheitsbezogenen Spots veranlaßte. Die Stiftung brachte im Dezember 1990 einen Fernsehappell gegen den Gebrauch von Amphetamin heraus und gestaltete 1991 einige Einschaltungen, die Heranwachsende vom Rauchen abhalten sollten. Im Juni letzten Jahres brachte man den aufwendigsten Film heraus, in dem sich Innenminister Wu Poh-hsiung, der Kinostar Sun Yueh und die Fernsehschauspielerin Chen Shu-li gegen Nikotingenuß aussprachen. Die drei wohlbekannten Persönlichkeiten versuchten das jugendliche Publikum über ein Wortspiel anzusprechen, dem die klangliche Nähe des chinesischen Namens der John-Tung-Stiftung zum mandarinchinesischen Ausdruck für "vernünftig sein" zugrunde liegt.

In den vergangenen Jahren haben auch andere soziale Vereinigungen versucht, ihren Zielen durch öffentliche Aufrufe Ausdruck zu verleihen. Die "Stiftung Brandunfälle bei Kindern" der Republik China (Childhood Burn Foundation of the ROC) war eine der aktivsten auf diesem Gebiet. Sie stellte 1989 einen Film über die Brandunfallverhütung bei Kindern her. In der Folge gestaltete die Stiftung weitere drei Features über die Behandlung von Brandwunden und über Erste Hilfe für Brandopfer. Haben solche Aufklärungsmaßnahmen Erfolg? Die Mitarbeiter der John-Tung-Stiftung bejahen diese Frage. Ihre Nichtraucherkampagnen haben einer breiten Öffentlichkeit zu dem Bewußtsein verholfen, daß Rauchen und "Mitrauchen" der Gesundheit schaden. In den späten achtziger Jahren begann man in Regierungsämtern wie Privatunternehmen, das Rauchen in Büroräumen zu untersagen.

Vertreter der Stiftung Brandunfälle bei Kindern berichten, daß sie durch ihre Aufrufe nicht nur imstande waren, wichtige Erste-Hilfe-Informationen zu verbreiten; gleichzeitig haben sich die Spendengelder erhöht, welche zur finanziellen Unterstützung von Familien brandgeschädigter Kinder verwendet werden. Die "Blutspendevereinigung der Republik China" (ROC Blood Donation Association) konnte mit ihren in den Jahren 1990 und 1992 herausgebrachten TV-Beiträgen, welche Blutspenden als eine lohnende Aufgabe der Nächstenhilfe in den Mittelpunkt stellten, ebenso positive Erfolge verzeichnen. Vertreter der Vereinigung sagten aus, die Kampagnen hätten zur Beiseitigung des Mangels an Blutkonserven beigetragen.

Dieser Tage beschränkt sich die Produktion von Sendungen mit sozial-appellierendem Inhalt nicht mehr nur auf gemeinnützige Organisationen. Zunehmend sind es Regierungsbehörden, die nun durch werbende Aufrufe das Bewußtsein der Menschen gegenüber Themen wie Urheberrechtsschutz, Verhalten im Straßenverkehr, ja sogar landwirtschaftliche Verkaufsstrategien wecken wollen. Auch Privatunternehmen haben den Wert solcher Appelle als Instrumentarien der Öffentlichkeitsarbeit entdeckt. So tritt King Car Industrial Food Co. Ltd. in der Reklame für eines seiner Getränkeprodukte, Mr. Brown Coffee, für den Schutz von Wildvögeln ein. Su En-min(蘇恩民), Leiter der Firmenabteilung für Geschäftsplanung, erklärt, die Idee dazu leitete sich von der Überzeugung ab, "kommerzielle Werbung sollte nicht bloß den Verkauf eines Produkts ankurbeln, sondern auch soziale Verantwortung mittragen."

Gemeinnützige Vereine haben die Erfahrung gemacht, daß Privatfirmen mehr und mehr willens sind, Geldmittel für aufklärende Werbekampagnen zur Verfügung zu stellen, wenn sie zum Ausgleich dafür als Sponsor Erwähnung und Beachtung finden. Die von der Fubon-Gruppe gegründete "Fubon-Stiftung für Kultur und Erziehung" (Fubon Cultural and Educational Foundation) finanzierte der John-Tung-Stiftung einen Beitrag gegen das Rauchen und gestaltete zusätzlich eine eigene Serie von vier einstündigen Fernsehsendungen, die aufzeigen, wie Erwachsene Probleme vermeiden können. Diese wurden in den Jahren 1991 und 1992 ausgestrahlt.

Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften bieten zwar kostenlose Publikationsmöglichkeit für Appelle sozialen Inhalts, doch existieren bezüglich der zur Verfügung gestellten Sendezeit bzw. Plazierung keine Bestimmungen. Um etwa einen solchen Beitrag auf den Bildschirm zu bringen, müssen sich die Produzenten erst um die Bescheinigung des Regierungsinformationsamtes bemühen, welche bestätigt, daß es sich um nichtkommerzielle Inhalte handelt. Sodann gelangt der Film zu den drei Fernsehanstalten und bekommt, sofern die Programmdirektoren mitspielen, gratis Sendezeit zugeteilt. Der Nachteil dabei ist, daß die Hersteller kein Mitspracherecht betreffend den Zeitpunkt der Ausstrahlung haben und es so oftmals zu Klagen kommt, die Spots würden zu ungünstigen Zeiten gebracht. Doch wenn die Auftraggeber ihre Auf­rufe zur Hauptprogrammzeit im Fernsehen haben wollen - dann müssen sie die normal gültigen Werbetarife bezahlen.

In letzter Zeit stellten sich einige talentierte Menschen in den Dienst der guten Sache. Berühmte Persönlichkeiten haben herausgefunden, daß solche Kampagnen sowohl dem guten Zweck als auch ihrer persönlichen Bekanntheit in der Öffentlichkeit förderlich sind. Beispielsweise wirkte der Hongkonger Kungfu-Star Cheng Lung, alias Jackie Chan, 1992 gratis in einem Blutspendeappell mit. Der Beitrag wurde im Rahmen des Times- Werbepreises 1992 zum besten gemeinnützigen Aufruf erklärt.

Immer mehr professionelle Werbeproduzenten gehen nun auch zur Gestaltung solcher Einschaltungen über. Zu ihnen zählt Nancy Wang(王念慈). Wang arbeitete zwölf Jahre als Werbetexterin bei verschiedenen Agenturen hierzulande, einschließlich der United Advertising Co., Ogilvy & Mather (Taiwan) und McCann-Erickson Taiwan. Ab 1987 zog sie sich für zwei Jahre von der Arbeitsstelle zurück, um ein Fernseh- und Filmstudium an der Universität von Kalifornien in Los Angeles zu absolvieren, während dessen sie sich besonders mit Dokumentarfilmen beschäftigte. Nach ihrer Rückkehr auf Taiwan 1990 entdeckte sie im öffentlichen Aufruf ein Medium, das Elemente des Dokumentarfilms mit der Werbung verbindet.

Sie nahm einen Kredit von 110 000 US$ und eröffnete damit das Werbebüro "She Creative Shop" in Taipei. "Zu Anfang nahm ich auch einige kommerzielle Aufträge an, um mein Studio zu finanzieren", erzählt Wang. "Aber diese rangierten bei mir ständig an zweiter Stelle, was sich natürlich auf die Qualität auswirkte. Also entschied ich mich, von kommerzieller Reklame Abstand zu nehmen."

In den letzten zwei Jahren stellte Wang außer Aufklärungsspots über Recycling, öffentliche Sicherheit, gegen das Rauchen und für Blutspenden außerdem eine Folge von Fernsehsendungen über Pubertätsprobleme her. Zur Zeit arbeitet sie an einem von der "Taipeier Stiftung für Frauenschutz" (Taipei Women's Rescue Foundation) finanzierten Film, der jungen Mädchen Schutzmethoden gegen Vergewaltigung und Mißbrauch aufzeigen soll. Für ihre Verdienste auf dem Gebiet des sozialen Aufrufs wurde Wang zu einer der "herausragenden zehn jungen Frauen des Jahres 1992" der Republik China ernannt.

Durch den Zustrom begabter Produzenten, die wachsende Verfügbarkeit von Finanzen und den leichteren Medienzugang haben sich sowohl Qualität als auch Wirksamkeit öffentlicher Appelle in den vergangenen Jahren drastisch gesteigert. Nancy Wang weist darauf hin, daß, um Erfolg zu erzielen, zumindest dem Niveau der teuren kommerziellen Reklamespots entsprochen werden muß. Sie fordert die Geldgeber auf, gemeinnützige Aufrufe mit der gleichen Aufmerksamkeit zu bedenken wie jede andere Werbung. Zielsetzung ist schließlich, das Publikum zu anderen Denk- oder Handlungsweisen zu bewegen. "Als die Blutspendevereinigung zum ersten Mal zu mir kam, bot sie nur 100 000 NT$ (4000 US$) für einen Film", erinnert sich Wang. "Ich erklärte, daß wir mit derart geringen Mitteln bloß eine langweilige Einschaltung von niedriger Qualität schaffen könnten, die wenig Eindruck auf die Zuschauer machen würde. Daraufhin erhöhte man das Budget auf 500 000 NT$ (20 000 US$)." Frau Wang möchte mehr Sponsoren ermutigen, sich diese Einstellung anzueignen. "Ein öffentlicher Aufruf muß die Konkurrenz mit kommerziellen Spots aufnehmen können", meint sie.

Werbefachleute haben zudem ein Konzept für eine Kampagne ausgearbeitet, bei welcher der Fernsehspot durch Druckerzeugnisse, Pressekonferenzen, Veranstaltungen und andere unterstützende Aktivitäten unterstrichen wird. Im vergangenen Winter etwa suchte die Werbeagentur Eastern Advertising Co. bei ihrem jüngsten Werbefilm für Brandunfallverhütung die Zusammenarbeit mit der Schnellimbißkette McDonald's. Bei der gemeinsamen Aktion legte man in den Fast-Food-Restaurants Informationsblätter über die Verhütung von Brandunfällen an der Kasse aus.

Gleich den Produzenten kommerzieller Reklame stützen sich auch die Hersteller öffentlicher Aufrufe zur Feststellung der Auswirkungen ihrer Arbeit auf die Marktforschung. Frau Wang beruft in regelmäßigen Abständen Treffen mit Vertretern aus Zielgruppen ein, um sie als Hilfe für die inhaltliche und stilistische Feinabstimmung heranzuziehen. So half ihr eine Gruppe von Jugendlichen bei der Beurteilung verschiedener Versionen der Drehvorlage für eine Fernsehserie über Pubertätsprobleme. Die Reaktionen und Meinungen dieser Heranwachsenden trugen zur inhaltlichen Gestaltung der Endfassung bei.

Nach Durchführung einer Studie über Zuschauerreaktionen auf Antiraucherfilme beschloß die John-Tung-Stiftung, in einem ihrer neuesten Werbezüge Jugendliche davon abzuhalten, mit dem schädlichen Tabakgenuß überhaupt anzufangen; denn schließlich ist es eine weit schwierigere Aufgabe, einen bereits süchtigen Raucher zum Aufhören zu bewegen.

Es gebe einen großen Unterschied zwischen dem gemeinnützigen Aufruf und der kommerziellen Reklame, meint Wang. "Das wichtigste Attribut des sozialen Appells ist dessen Aufrichtigkeit", analysiert sie. "Die Produzenten müssen sich zutiefst mit der angesprochenen Problematik beschäftigen. In der Folge werden sie oft zu aktiven Mitarbeitern in der Kampagne. Im Laufe der Arbeit an der Sendung zum Schutz heranwachsender Mädchen bin ich zusammen mit Mitgliedern der Taipeier Stiftung für Frauenschutz in verschiedene Teile Taiwans gereist." Gleichzeitig ermahnt Wang die Produzenten, nicht in melodramatisch-reißerische Aufmachungen zu verfallen. Ist eine Botschaft zu überdreht, dann kommt sie falsch an. "Zahlreiche Neue auf dem Gebiet tendieren dazu, Bilder mit viel Blut oder Intensivstationen in Krankenhäusern heranzubemühen", kritisiert sie. "Das ergibt aber kein positives Resultat."

Auf die Frage, welche Produktion sie als ihre beste betrachte, nennt Wang den Fernsehspot in memoriam der Unfallopfer des Kindergartens "Chienkang". Im Mai letzten Jahres kamen 25 Kleinkinder in den Flammen eines brennenden Schulbusses um, dessen Notausstiege sich nicht öffnen ließen. Das Busunternehmen hatte mehrere Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten. In dem von den Eltern der Kinder finanzierten Appell wird eindrucksvoll gezeigt, was passieren kann, wenn gegen die Sicherheitsbestimmungen verstoßen oder diesen keine Beachtung geschenkt wird. Im Film sieht man eine einzige Einstellung - das Bild des ausgebrannten Busses -, und eine Stimme beschreibt dazu den Hergang des Unglücks. Jedwede Darstellung gruseliger Szenen oder Laute ist überflüssig. "Der geräuschlose Anblick allein wirkte sehr stark auf die Zuschauer", bestätigt Wang.

Ein etwas untertriebenes, rationales Herangehen sei laut Wang oft am effektivsten. Ihre Aufrufe zum Blutspenden etwa sagen aus, es sei geistig befriedigend und eine Wohltat für die Gesellschaft, Blut zu spenden; jedoch schaukeln sie das Ganze nicht zur "edlen Tat" hoch. Auch der stellvertretende Geschäftsführer der Werbeagentur Eastern Advertising, Chen Chien-chou(陳建舟), berichtet, die Beiträge seiner Firma für die Verhütung von Brandunfällen hätten sich von Anfang an eines rationalen, wenig gefühlsbetonten Stils bedient.

Obschon solche Aufrufe dem Produzenten kaum bis gar kein Geld einbringen, sind aufgrund der sich einstellenden anderweitigen Befriedigung immer mehr Firmen zu derartiger Arbeit bereit. "Wenn es auch geringen materiellen Gewinn abwerfen mag, die geistige Belohnung ist dafür umso größer", stellt Wang fest. "Wenn man vom besonders guten Ankommen seiner Arbeit erfährt, oder davon, daß die Blutspendevereinigung den Mangel an Blutkonserven ausgleichen konnte, oder daß ein vermißtes Kind gefunden wurde - dann ist die Freude unbeschreiblich groß."

(Deutsch von Brigitte Rieger)

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