22.06.2025

Taiwan Today

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Erziehungsversuche im Zoo

01.03.1993
Ein Tag im Tiergarten ist ein Erleb­nis für Kinder! Mit Erziehungs- und Informationsaktivitäten versucht der Taipeier Zoo auch, Wissen über Umwelt- und Tierschutz zu vermitteln und dadurch Bewußtsein und Verständnis bei Groß und Klein zu wecken.
Der Taipeier Zoo ist die größte touristische Attraktion hierzulande, aber die Tiere verhalten sich gesitteter als viele Besucher. Die Lösung? Zooangestellte unterrichten die Öffentlichkeit über den Schutz von wilden Tieren.

"Einmal brachten wir einen Gibbonaffen zur tierärztlichen Routineuntersuchung", erzählt Yang Chien-jen(楊健仁), Chef der Tierabteilung im Taipeier Zoo. "Er war zappelig und hatte offensichtlich Probleme mit der Verdauung. Kein Wunder! Wir fanden siebzehn Geldstücke in seinem Stuhlgang."

Obgleich die "Bitte nicht füttern"-Schilder in jedem Zoo anzutreffen sind, können die Besucher oftmals nicht der Versuchung widerstehen. Reste ihres Mittagessens oder Snacks mit einem ausgelassenen Affen, einem umhertrottenden Bären oder einer anmutigen Schwalbe zu teilen. In Taipei ist das Problem besonders ernst, weil die Bevölkerung im allgemeinen wenig Ahnung von den Gefahren solcher Verhaltensweisen hat und weil so viele Besucher in den Zoo kommen - seit 1989 hat er jährlich über drei Millionen angezogen. Nachdem einige hundert Leute an die Käfigfenster einer sensiblen Servalkatze geklopft haben, geht sie bildlich gesprochen die Wände hoch.

Die Verwalter sind zwar erfreut über die Besucherzahlen, aber zufrieden sind sie dennoch nicht. Ihr endgültiges Ziel ist, mehr zu tun als die Besucher nur zu unterhalten. Der stellvertretende Direktor des Zoos, Chen Pao-chung(陳寶忠), erklärt: "Als Touristenattraktion sind wir schon ein großer Erfolg, aber daneben würden wir gerne unserem Publikum mehr über den Schutz wilder Tiere vermitteln. Wir wollen nicht nur, daß sie etwas über die Wildtiere lernen, sondern auch, daß sie erfahren, wie wichtig ihr Schutz und ihre Erhaltung ist."

Der Taipeier Zoo, der im Süden der Stadt in Mucha liegt, bedeckt eine Fläche von 172 Hektar, wovon seit Januar 1987 90 Hektar für das Publikum freigegeben worden sind. Es gibt insgesamt 2600 Tiere, die 317 Arten repräsentieren, sowie Sektionen für einheimische, afrikanische, australische, Nacht- oder Wüstentiere. Ein Wasservogelgebiet und ein Schmetterlingshaus sind die beliebtesten Attraktionen des Zoos. Zu den Einrichtungen gehören außerdem ein tierärztliches Zentrum, ein Picknick- und Rastplatz, ein Verwaltungszentrum sowie verschiedene Werkstätten und zusätzliche Gebäude. Wenn der Zoo 1996 fertiggestellt sein wird, soll er daneben über ein Aquarium und Abteilungen für Regenwald-, Prärie- sowie Polartiere verfügen.

Ursprünlich wurde der Zoo 1915 während der japanischen Besetzung (1895-1945) erbaut, und zwar auf einem sechs Hektar großen Gelände in Yuanshan im Norden von Taipei. Im Laufe der siebziger Jahre begannen die Einrichtungen aus allen Nähten zu platzen. Die Tiere wurden hinter Eisengittern in engen, veralteten Käfigen gehalten. 1973 kaufte man in dem damals noch relativ wenig entwickelten Stadtteil Mucha Land an, und 1986 konnten die Tiere an den neuen Ort umgesiedelt werden.

In der 1987 in Mucha eröffneten Anlage haben Besucher Gelegenheit, über 2500 Tiere in weiträumiger, natürlich gestalteter Umgebung zu beobachten. Besonders beim Wasservogelgebiet bewiesen sich ein kleines Tal mit aufgestautem Bach als perfekter Lebensraum für diese Tiere.

Die Mucha-Anlage bietet freien Platz im Überfluß, was ein Grund für ihre Beliebtheit ist. Dies ist der ideale Ort für Familien, die der Enge der Stadt entfliehen und sich in ruhiger, großflächiger Umgebung erholen möchten. Der Zoo, der zwischen Hügeln eingebettet ist, wird durch kleine Täler und Bäche unterteilt.

Die Zoodesigner versuchten das Beste aus der topographischen Vielfalt der Umgebung zu machen, und in einem Fall hat die Natur bei der Planung geholfen. Chen sagt, daß das Wasservogelgebiet - ein schmales Tal, durch das ein kleiner Bach fließt - ursprünglich als Gehege für die asiatischen Tiere vorgesehen war. Bald nachdem man den Fluß aufgestaut hatte, um einen künstlichen See zu schaffen, kamen wilde Mandarinenten und andere Zugvögel angeflogen. "Es entpuppte sich als das perfekte Gebiet für Wasservögel und brachte uns auf die Idee, ein Beobachtungsreservoir für diese Tiere einzurichten", erinnert sich Chen. "Wir trimmten die Flügel einiger Wasservögel, die sich schon in unserer Sammlung befanden, und setzten sie in dem Gebiet aus. Sie konnten nicht wegfliegen und zogen andere Artgenossen an, sich niederzulassen."

Um die Vögel vor Störungen zu schützen, zäunte man das Gebiet ein, und jeden Nachmittag stellen die Zoowärter Eimer mit Fischen an den See. So können die Besucher von speziellen Beobachtungsplätzen aus den Tieren beim Fressen zusehen. Die gefiederten Zweibeiner sind das ganze Jahr über eine Attraktion. Je nach Jahreszeit kommen um die 600 Land- und Wasservögel zum Fressen, darunter zahlreiche Reiher, grünflügelige Krickenten und Tüpfel-Schnabel-Enten.

Mit einer sehr beliebten und einzigartigen Zooeinrichtung, dem Schmetterlingshaus, gab es anfangs mehr Probleme. Taiwan liegt am Wendekreis des Krebses und ist die Heimat von Schmetterlingen der tropischen und der gemäßigten Zone. Es gibt ungefähr vierhundert Arten hierzulande, davon sind fünzig endemisch. Deswegen gilt Taiwan als das "Königreich der Schmetterlinge". Um die Öffentlichkeit besser über diesen Naturreichtum zu informieren, wurde ein Schmetterlingshaus mit einem zwei Hektar großen zusätzlichen Garten eingerichtet. Das 540 m2 große Gebäude, das einem Gewächshaus ähnelt, wurde mit Wirtspflanzen für Raupen und nektarproduzierenden Pflanzen für die Schmetterlinge bepflanzt.

Unglücklicherweise entpuppte sich das Aviarium kurz nach seiner Fertigstellung als Todesfalle für die grazilen Schwärmer. Anstatt Schmetterlingsschwärme im Flug zu sehen, konnten die Besucher beobachten, wie sie in Scharen starben. "Es gab viele Probleme mit der Gebäudekonstruktion", führt der Chef des Schmetterlingshauses, Chen Chien-chih(陳建志), an. Das Grünhaus wäre für ein gemäßigteres Klima perfekt gewesen, aber für Taiwans heißes und feuchtes Wetter war es nicht geeignet. Drinnen kletterten die Temperaturen oftmals zu hoch. Außerdem gab es eine Reihe von baulichen Problemen; zum Beispiel waren Pfeiler zu nahe an die Fenster gesetzt worden und bildeten eine Sackgasse, in der Schmetterlinge sich leicht verfingen. Da sie nicht in der Lage waren, sich selbst zu befreien, büßten sie ihre Flügel ein. Die Zooarbeiter handelten schnell, um die Probleme zu lösen. Zuerst wurde eine Reihe von Fenstern am Boden des Gebäudes eingesetzt, damit die frische Luft besser zirkulieren konnte. Ein Sprinklersystem wurde eingebaut, um die Anlage zu kühlen, und entlang der Wege pflanzte man nektarproduzierende Pflanzen, um die Schmetterlinge dorthin zu locken, wo die Besucher sie besser sehen konnten. Die Todesfallen wurden ebenfalls abgeschafft. Die Verbesserungen erwiesen sich als erfolgreich, und die Schmetterlinge fangen nun an, sich zu vermehren. "Aber an Regentagen fliegen die Schmetterlinge nicht. Nicht mal drinnen", meint Chen. "Einige Besucher beschweren sich, daß wir zwar ein Haus für diese Insekten bauen können, es aber immer noch nicht schaffen, sie zum Fliegen zu bewegen. Es jedem recht zu machen, ist wirklich schwer."

Die guten Lebensbedingungen in der Taipeier Anlage tragen Früchte: Viele Tiere haben sich in erstaunlicher Zahl vermehrt. Im afrikanischen Gehege sind die polygamen Oryxgazellen dabei, die anderen Tiere zu überrennen.

Der Taipeier Zoo ist der größte in Asien, und seine Planer haben versucht, die bestmögliche Umgebung für die Tiere zu schaffen. Im Gegensatz zu den eingeengten, schmutzigen, neurotischen Kreaturen, die in ihren kleinen Käfigen in Yuanshan hin und her liefen, haben die Tiere nun viel Platz in den großzügigen Gehegen, die mit Büschen und Bäumen aus ihrer entsprechenden Heimat bewachsen sind. Auf diese Art können die Tiere in einer natürlicheren Umgebung beobachtet werden. Aber viele Besucher beschweren sich über die großen Gehege. "Einige von ihnen sind sehr tief", macht Chen aufmerksam, "und die Bewohner verstecken sich oft zwischen den Baumhainen. Doch die Leute wollen viele Tiere aus nächster Nähe sehen. Sie erinnern sich noch an die Tiere in den Käfigen in Yuanshan.

Die verbesserten Lebensbedingungen bekommen den Zoobewohnern jedenfalls gut und führten zu einem Geburtenanstieg. Die Formosanischen Makaken, das Formosanische Skia-Reh, Anubis-Paviane, die Baktrischen Kamele, Servalkatzen, Tiger und Leoparden haben sich in erstaunlicher Zahl vermehrt. Im afrikanischen Gehege, wo mehrere Tierarten zusammenleben, haben sich die afrikanischen Oryxgazellen so stark vermehrt, daß sie dabei sind, die anderen Tiere zu überrennen. "Da Oryxgazellen polygam sind, trennen wir neuerdings die Männchen von den Weibchen", erklärt Tsai Hui-ying(蔡惠瀛), Chef der Veterinärabteilung. Die Flußpferde waren ebenfalls sehr fruchtbar und nun gibt es mehr, als der Zoo gebrauchen kann. "Es gibt nicht genug Platz in den Becken, und sie tragen wilde Kämpfe um das Territorium aus", fügt Tsai hinzu.

Eine lösung für dieses Problem hat man im Tieraustausch gefunden. Vor zwei Jahren wurde ein Paar Formosanische Zibetkatzen an den Zoo in Singapur geschickt und ein Tiger an den Malabon-Zoo in Manila. Auch der Negara-Zoo in Malaysia führt Gespräche über einen möglichen Austausch von Tieren mit dem Taipeier Zoo. Tsai meint: "Durch Austausch können wir Inzucht vermeiden, die zu einem minderwertigen Bestand führt."

Das Zoopersonal versucht darüber hinaus, Lebensräume hierzulande, die durch Jäger, Fallensteller und Immobilienhändler ausgeräubert worden sind, wiederzubesiedeln. Ein Beispiel dafür ist das einheimische Formosanische Skia-Reh. Früher konnte man es überall auf Taiwan finden, aber seit zehn Jahren gilt es in freier Natur als ausgestorben. Der Taipeier Zoo hat 90 dieser Rehe gezüchtet und gemeisam mit Wildhütern des Kenting-Nationalparks diese Art wieder in die Natur eingeführt. 1985 erhielten die Beamte des Kenting-Parks 22 Skia-Rehe. Sie wurden fünf Jahre lang beobachtet, um Informationen uber ihr Verhalten, Freßgewohnheiten sowie bevorzugte Lebensräume zu sammeln und schließlich in ein 120 Hektar großes Gebiet innerhalb des Parks ausgesetzt. Heute gibt es mehr als hundert Rehe in dem Park.

Obgleich das Zoopersonal sein Bestes getan hat, eine gesunde Umwelt für die Wildtiere zu schaffen und sie zu erhalten, ist die Arbeit damit bei weitem nicht beendet. Ein Großteil ihrer Zeit wird durch die Beschäftigung mit Menschen in Anspruch genommen, für die sie Erziehungsmethoden und -materialien ausarbeiten, um die Wichtigkeit des Wildtierschutzes zu erklären. Die Angestellten merken, daß sie bei den Grundlagen anfangen müssen, da wenig über diesen Bereich bekannt ist. Tatsächlich gibt es eine lange Tradition dessen, was dem Schutz von wilden Tieren zuwiderläuft. Die chinesische Küche verwendet häufig, vor allem zu besonderen Gelegenheiten, exotische Zutaten - und je seltener oder schwieriger zu finden, umso begehrenswerter sind sie für den Tisch. Eine Liste des Besten vom Besten aus früheren Zeiten, genannt "acht köstliche Speisen", führt in einer Anordnung, die dem Wert der Speisen entspricht, gebratene Zikaden, Bärentatzen, Gorillalippen, gegrillte Eule, Karpfenschwanz, den Fötus eines Panthers, Knochenmark eines Phönix und Drachenleber an. Obwohl die meisten dieser Delikatessen auf keinem gewöhnlichen Markt angeboten werden (und einige mythisch sind), gibt die Liste einen Hinweis auf die Verwendung von exotischen Zutaten, welche für vom Aussterben bedrohte Tierarten fatal sein könnte.

Seit das Artenschutzgesetz 1989 erlassen wurde, hat die Regierung betont, daß man öffentliches Bewußtsein wecken müsse, besonders da Taiwan einen Ruf als einer der größten Mitspieler im weltweiten Handel mit bedrohten Arten genießt. Es wird zum Beispiel angenommen, Taiwan sei das Ziel für von Wilderern erbeutetes schwarzes Rhinozeroshorn aus Afrika, welches in der traditionellen chinesischen Medizin als Aphrodisiakum benutzt wurde. Tang Hsiao-yu(湯曉虞), Abteilungsleiter im Landwirtschaftsrat, erzählt: "1987 gab es einen Zwischenfall - der internationale Beachtung erlangte - als ein Tiger für den Verzehr getötet wurde. Viele Menschen denken, daß Chinesen Barbaren sind und alles essen, von den bedrohten Arten bis zum besten Freund des Menschen. Wir hoffen, daß die Zoobesucher eine aufgeklärtere Einstellung zum Tierschutz gewinnen können. Der Zoo ist eine erzieherische Einrichtung."

Wenn man nach dem Benehmen einiger Besucher urteilt, die den Zoo am Wochenende bevölkern, sind die Aufklärungsprogramme dringend nötig. In vieler Hinsicht beschützen die Käfige eher die Tiere vor den Menschen als umgekehrt. "Wir bemühen uns, den besten Lebensraum für unsere Schützlinge zu schaffen", stellt Yang Chien-jen fest, "aber wir müssen auch auf die Zusammenarbeit mit den Besuchern zählen. Normalerweise resultiert die Mißhandlung aus Unwissenheit. Die Besucher zeigen zum Beispiel den Tieren ihre Freundlichkeit, indem sie sie mit Süßigkeiten und Knabbereien füttern, woraufhin viele Tiere nach einem Wochenende krank sind." Im Nacht- und Kleintierhaus ist es eine übliche Erscheinung, daß Besucher die dortigen Bewohner falsch behandeln. Die Tiere in dieser Einrichtung würden normalerweise tagsüber schlafen und abends auf Futtersuche gehen. Indem man jedoch ultraviolettes Licht benutzt, kann man ihnen weismachen, es sei Nacht, so daß die Leute ihre Aktivitäten beobachten können. Weil die meisten Nachttiere von Natur aus recht nervös und unruhig sind, hat der Zoo eine gut überwachte und kontrollierte Umgebung für sie bereitet. Die gesamte Einrichtung wird durch ein zentrales Ventilationssystem belüftet und die Temperatur zwischen 22-25ºC gehalten. Das Problem ergibt sich durch die Besucher. "Viele der Leute klopfen gerne an die Fensterscheiben, um die Tiere, die sowieso schon sehr angespannt sind, aufzuscheuchen", sagt Chen.

Für die jüngsten der Besucher gibt es einen Kleintierzoo, wo sie Ziegen, Kaninchen, Gänse und Enten aus nächster Nähe ansehen und streicheln können. Für viele Stadtkinder ist dies die einzige Möglichkeit, Erfahrungen im Umgang mit Tieren zu machen.

Daneben werfen Besucher Steine, Geldmünzen und sogar Limonadenflaschen aus Plastik nach den Tieren, um sie aufzuwecken oder einfach nur zu ärgern, ohne sich bewußt zu machen, daß sie sie dadurch mißhandeln. Der stellvertretende Zoodirektor Chen Pao-chung verteidigt: "Prinzipiell denke ich, daß unsere Besucher die Tiere mögen. Sie müssen nur eine bessere Einstellung zu ihnen bekommen. Etwas viel Schlimmeres ist der Trend, wilde Arten als Haustiere zu halten, was einfach unmenschlich ist." Wenn die Besitzer ihrer exotischen Haustiere überdrüssig werden, muß der Zoo sie meistens übernehmen. "Den Leuten macht es Spaß, wilde Tiere großzuziehen", stellt Tsai Hui-ying fest. "Sie mögen ja niedlich sein, wenn sie klein sind, aber wenn sie ausgewachsen sind, können sie gefährlich werden."

Das Personal beschäftigt sich gerade mit einem typischen Fall. Ein Gibbonaffe war von seinem Besitzer ausgesetzt worden, nachdem der Affe ihn gebissen hatte. Zuerst wurde mit dem Tier ein Tuberkulosetest gemacht, woraufhin es auf der Isolierstation des Zoos untergebracht wurde. Nach weiteren Blut- und Kotuntersuchungen wurde es in das Affengehege gelassen. Aber Tsai gibt zu Bedenken, daß ein Neuling von der Gruppe abgelehnt werden kann. Affen zum Beispiel, welche zu den beliebtesten wilden Haustieren gehören, haben ihre eigene Gruppenhierarchie, in der ein Außenseiter tyrannisiert werden kann. "Es ist, als ob jeder Affe seinen eigenen Platz hätte", sagt Tsai. "Ein Neuling muß sich seinen Platz erst suchen. Wenn wir weiterhin diese ausgesetzten Tiere aufnehmen, wird das Aufziehen von wilden Spezies zu Hause nur noch ausarten. Die Besitzer werden annehmen, daß sie die Tiere immer an uns weitergeben können, wenn sie zu problematisch werden."

Die lange Quarantäneprozedur für ausgesetzte Tiere trägt außerdem zur Arbeit der Angestellten bei. Vor drei Jahren machte der Ausbruch von Tuberkulose unter den Skia-Rehen die Einführung von strengen Quarantänebestimmungen erforderlich. Wahrscheinlich war die Tuberkulose durch die Aufnahme von einigen ausgesetzten Tieren verbreitet worden.

Um die Zoobesuche so informativ wie möglich zu gestalten, werden freiwillige Führer angeworben und ausgebildet. Das Programm hat vor elf Jahren begonnen, und in jedem Jahr bieten um die 120 Personen ihre Dienste an. Wang Hu-cheng(王虎城), ein 63jähriger pensionierter Soldat, begann vor zehn Jahren als freiwilliger Helfer. "Als Führer mußt du über alles Bescheid wissen", sagt er, "wie zum Beispiel über den Unterschied zwischen einem Affen und einem Menschenaffen. Die Aufgabe kann sehr befriedigend, aber auch manchmal frustrierend sein. Vor allem Grundschüler herumzuführen, ist ein harter Job. Es erfordert eine gehörige Portion Energie, um ihre Aufmerksamkeit wachzuhalten. Nichtsdestotrotz sind sie oftmals viel aufgeschlossener als Erwachsene für das, was wir sagen. Enttäuschend ist es, wenn ich mich mit den Erklärungen bemühe, die Besucher sich aber beschweren, weil sie gar keine Informationen wollen. Sie sagen, sie seien schließlich nicht in der Schule."

Die Zooverwalter verbinden einige der pädagogischen Veranstaltungen mit der chinesischen Kultur. Zum Beispiel war laut dem Mondkalender 1992 das Jahr des Affen, aus welchem Grund es viele Sonderveranstaltungen gab, die sich um die Primaten drehten, das heißt welche die verschiedenen Arten, ihren Lebensraum sowie ihre Eigenschaften und Gewohnheiten erklärten. "Wir hoffen wirklich, daß die Taipeier Bevölkerung unsere Angebote voll ausnutzen kann", meint Yao Chung-chih(姚重志), von der Erziehungsabteilung des Zoos. "Im allgemeinen kommen die Leute her, um sich zu amüsieren. Sie rechnen nicht damit, belehrt zu werden. Es ist also unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, daß sie einen fröhlichen und außerdem informativen Besuch verleben."

Die meisten der Besucher sind Eltern mit Kindern im Alter von bis zu sechs Jahren. Um die Kleinen als Zielgruppe anzusprechen, hat man einen Kleintierzoo eingerichtet. Dort können die Kinder zum Beispiel Ziegen, Kaninchen, Gänse, Enten und Hühner streicheln oder auf den Arm nehmen. Es ist dies der einzige Kontakt mit Tieren, den viele Stadtkinder erleben und stellt eine große Lernerfahrung dar, besonders wenn sie die Gelegenheit haben, den Zoowärtern in der Aufzuchtstation bei der Pflege von Tierbabys zuzusehen. Andere Veranstaltungen wie zum Beispiel der Tierkunst-Workshop, Theater und Tiervorführungen sind mit großem Erfolg durchgeführt worden. Während Erwachsene lange brauchen, um ihre Einstellung zu Tieren zu ändern, können die Kleinen von Anfang an mit einer aufgeklärteren Gesinnung beginnen.

Leider sind Lehrer alles andere als begeistert von Klassenausflügen in den Zoo. Um die Schulen zum Ausnutzen der Anlagen zu ermuntern, begann das Zoopersonal mit einem eintägigen Studienausflug für Viertklässler. Am Morgen werden ihnen Dias vorgeführt und ein Experte erzählt ihnen über einige der Tiere. Am Nachmittag gehen die Schüler in Begleitung ihrer Lehrer umher und sehen sich die Tiere an, über die sie am Vormittag gelernt haben. Obwohl es den Schülern anscheinend Spaß macht, sind die Lehrer nicht davon begeistert, Führer zu spielen. Sie denken, daß es keinen gleichwertigen Ersatz für Bücher gibt. Obwohl festgefahrene Meinungen schwer zu ändern sind, gibt das Zoopersonal nicht so leicht auf. Bald wird es einen speziellen Anleitungskurs für Lehrer geben, um sie dazu zu bringen, den Klassenraum öfter zu verlassen.

Auf einem spezielleren Niveau dient der Zoo Wissenschaftlern und Studenten als Forschungsquelle. Chi Chun-chen(紀純貞)zum Beispiel führte die meisten Forschungen für ihre Doktorarbeit im Zoo durch. Ihre Dissertation für die Zoologieabteilung der Nationalen Taiwan-Universität behandelte die sozialen Verhaltensweisen bei Formosanischen Makaken. Die Beobachtung dieser Affenart in freier Natur ist sehr schwierig, da sie in unzugänglichen Berggegenden leben und sehr scheu sind. "Mit seinen vierzig Makaken hat der Zoo mir sehr geholfen", erzählt Chi. "Ich hatte viel Gelegenheit, ihr Verhalten aus der Nähe zu beobachten. "

In Verbindung mit privaten Tierschutzgruppen veranstaltet der Zoo außerdem Erziehungsprogramme für die Öffentlichkeit. Im Juli letzten Jahres zum Beispiel arbeiteten die Zooangestellten mit der Orang-Utan-Stiftung und der Stiftung "Schönes Taiwan" zusammen, um eine zweitägige Kampagne über Tierschutz und Recycling zu veranstalten. Tierliebhaber wurden aufgefordert, ihren wiederverwertbaren Abfall in den Zoo zu bringen und eine Reihe von Ausstellungen über bedrohte Tierarten und die Bedeutung von Recycling zu sehen. Der Erlös ging an die Orang-Utan-Stiftung, um beim Aufbau einer Station für ausgesetzte wilde Haustiere zu helfen. Durch solche Erziehungs- und Informationsaktivitäten beabsichtigen die Zooverwalter, die Haltung der Öffentlichkeit gegenüber Tieren zu verändern. Mit einem besseren Verständnis für die Notwendigkeit weltweiten Tierschutzes werden vielleicht mehr Leute dafür eintreten, die Tierarten lieber zu erhalten als sie zum Essen aufzutischen. "Es ist zu hoffen, daß die Menschen durch ihre Zoobesuche lernen, Tiere zu achten", meint der stellvertretende Direktor Chen.

(Deutsch von Jessika Steckenborn)

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