07.07.2025

Taiwan Today

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Multikulturelle Küchen

01.11.1996

Wirksame Methoden zur Internationalisierung der Wirtschaft zu finden ist auf Taiwan ein topaktuelles Thema, denn die Insel bemüht sich, ein Wirtschaftszentrum im asiatisch-pazifischen Raum zu werden. Eine gute Anregung könnte ein Blick in die Küchen der Spitzenhotels in Taipei bieten.

Da Taiwans wirtschaftliche Struktur sich immer stärker in Richtung High-Tech-Industrie und Dienstleistungsgewerbe entwickelt, suchen die Unternehmer in diesen Branchen händeringend nach örtlichen Fachkräften, die ihre Geschäfte den internationalen Anforderungen gemäß abwickeln können. Ein ausreichendes Angebot an Personal mit den entsprechenden Qualifikationen ist allerdings nicht vorhanden, so daß sich die Suche zeitweise als ziemlich problematisch erweisen kann.

Eine Lösung wäre, die eigenen Angestellten ins Ausland zu Fortbildungskursen zu schicken, was jedoch einen hohen Zeit- und Finanzaufwand bedeutet. Außerdem ist es leider gang und gäbe, daß solche Trainees nach ihrer Rückkehr bald die Firma wechseln. Aber es gibt eine attraktivere Alternative. Eine der billigsten und schnellsten Methoden, die einheimischen Arbeitskräfte auf internationales Niveau zu bringen, ist, sie Hand in Hand mit ausländischen Fachkräften arbeiten zu lassen, welche die gewünschten Fähigkeiten und Erfahrungen bereits mitbringen. Die Ergebnisse dieser Form der Zusammenarbeit können täglich in mehreren Spitzenhotels der Hauptstadt Taipei beobachtet werden. Dabei gewinnen alle Beteiligten - Gäste, Angestellte und Arbeitgeber -, und es gibt weitere positive Nebeneffekte, weil Fachkenntnisse erweitert werden und die Qualität des Busineßklimas in Taiwan verbessert wird.

"In der heutigen Geschäftswelt - Hotels eingeschlossen - kann man es sich nicht mehr leisten, eine rein lokale Sichtweise zu haben; eine, die sich nur auf ein Land bezieht", sagt Jean-Pierre Dosse, Direktor des Grand Formosa Regent in Taipei. "Man braucht eine Weitsicht. Die Leute hier stammen ja nicht nur aus Taiwan, sondern sie sind auch Asiaten, und sie sind ein Teil der Weltgemeinschaft. Wenn man diese Einstellung nicht hat, kann man gleich einpacken.

Diese weltoffene Haltung scheint sich in der ganzen Hotelbranche Taiwans zu verbreiten, was teilweise auch auf den verschärften Wettbewerb durch die ständig nachrückenden neuen First Class Hotels zurückzuführen ist. Welchen Vorteil bringt der Einsatz ausländischer Fachkräfte also dann? Eine Antwort darauf könnte man beispielsweise durch Besuche in verschiedenen Hotelküchen und die Befragung der chinesischen und westlichen Mitarbeiter zu ihren gemeinsamen Arbeitserfahrungen bekommen.

Der zweite Chefkoch F.C. Hsiao(蕭福船), mit 15 Jahren Betriebszugehörigkeit bereits ein Veteran im Taipei Hilton, ist absolut begeistert von der Zusammenarbeit mit ausländischen Küchenchefs. "Sie führen uns an ein höheres Niveau heran", lobt er. "Man lernt ständig Neues hinzu, und das ist sehr wesentlich." Hsiao hat einen besonders reichen Erfahrungsschatz im Umgang mit ausländischen Kollegen, da das Hilton wie einige andere Hotels regelmäßig Gastköche einlädt, die bei kulinarischen Sonderaktionen helfen. In den letzten Jahren haben die örtlichen Spitzenhotels - meist in Zusammenarbeit mit ausländischen Handelsbüros und Fluggesellschaften - besondere Menüs und die dazugehörige Unterhaltung aus Irland, England, Spanien, Österreich, Italien, Indien, Thailand, Singapur, Indonesien, den USA und vielen anderen Ländern gesponsert.

"Ausländische Köche im Hotel sind eine ständige Quelle neuer Ideen, und die Gourmet-Werbeveranstaltungen sind ebenfalls sehr wertvoll", findet Hsiao. "Die Gastköche zeigen uns neue Trends und Ideen. Wir können insbesondere unsere Kenntnisse in der nicht-chinesischen Küche verbessern. Zum Beispiel war unlängst der Küchenchef David Keindel aus Edmonton hier, um für die kanadische Küche zu werben, und ich habe einige großartige Methoden gelernt, Hummer zuzubereiten und anzurichten. Und vom Restaurant Boulevard in San Francisco kam Nancy Oakes, die Erstaunliches aus Kartoffeln zauberte - Kartoffeln mit Knoblauch oder Paprikaschoten und alle möglichen Formen von Kartoffelpüree. Ich habe bis dahin nicht gewußt, daß man die unscheinbare Kartoffel so kreativ nutzen kann."

Hsiao hebt eine weitere wichtige Dimension des Kulturaustauschs über den Herd hervor: der "kulinarische Transfer" verläuft in beiden Richtungen. Auch die taiwanesischen Küchenchefs haben viel zu bieten. "Mir gefällt die Einstellung der ausländischen Kollegen", sagt Hsiao. "Wir tauschen viele Erfahrungen aus. Zum Beispiel hat sich Nancy Oakes sehr dafür interessiert, wie wir eine chinesische Rindfleisch-Nudelsuppe zubereiten. Und alle ausländischen Köche sind von Taipeis frühmorgendlichen Märkten begeistert, besonders von dem großen Angebot an Obst und Gemüse." Hsiaos ständiger Kontakt zu den verschiedenen Kochkünsten der Welt und ihren Techniken ist für ihn auch in anderer Hinsicht von Bedeutung. In seiner Freizeit unterrichtet er in einer Fachschule nahe dem Hilton die Grundlagen des Kochens.

Jean-Pierre Dosse hebt ebenfalls die Vorteile hervor, welche die ausländischen Küchenchefs dem Hotel bringen, egal ob als Festangestellte oder als Gastköche. "Wir machen alle möglichen Werbeveranstaltungen - Kulinarisches aus Europa, Nordamerika und Südostasien. Davon haben wir so vier oder fünf pro Jahr, und wir veranstalten sie aus zwei Gründen. Wir wollen unseren Gästen verschiedene Küchen der Welt vorstellen, aber wir wollen auch unsere Köche damit vertraut machen. Durch die Sonderveranstaltungen können sie sich beruflich weiterentwickeln. Man braucht nur einen Koch für einige Jahre in die Küche eines Cafés zu stecken, und schon bald wird er sich langweilen und faul werden, und er wird nach Schnellverfahren suchen. Dadurch verschlechtert sich die Qualität. Wenn man aber einen Küchenchef fragt, was er von den Sonderaktionen hält, so wird er ihnen sagen, daß die Arbeit mit einem Gastkollegen mehr bringt als die formelle Berufsausbildung."

Ist es hart für chinesische Chefköche, sich mit der westlichen Mentalität und den Kochmethoden zu arrangieren? Wie schwierig ist denn die Kommunikation mit den westlichen Kollegen?

Phil Chow(周國庭), Leiter der Abteilung für westliche Küchen im Rebar Holiday Inn Crowne Plaza, kann genau den Ausbildungshintergrund vorweisen, von dem viele hiesige Hoteldirektoren träumen. Er ist gebürtiger Festlandchinese, wuchs aber in Kanada auf, ist zweisprachig und hat in Kanada, Hongkong, den USA und jetzt in Taiwan in seinem Beruf gearbeitet. Er hat eine Urkunde als Chef de Cuisine und hat sich auf Assistenz bei der Eröffnung neuer Hotels spezialisiert. In Taipei hat er Köche in der europäischen und anderen westlichen Kochkünsten ausgebildet und den taiwanesischen Küchenchefs dabei geholfen, sich an die unterschiedlichen Perspektiven anzupassen, welche die westlichen Kollegen in die multikulturelle Küche einbringen.

"Ich sage den Chinesen, daß sie von den europäischen Chefs mehr Offenheit und Direktheit erwarten müßten", erklärt Chow. "Das ist ganz besonders der Fall, wenn es in der Küche richtig hektisch wird. Jede Kultur hat ihre eigene Mentalität, also mache ich den Chinesen klar, daß sie sich genau ansehen müssen, wie ein bestimmter Ausländer arbeitet."

Laut Chow sei die Erkenntnis erste Voraussetzung, daß entgegen dem in Taiwan üblichen "In-einen-Topf-Werfen" aller Nicht-Chinesen nicht alle Ausländer gleich sind. "Verallgemeinerungen über typische Eigenschaften sind natürlich ungenau, aber ich werde mich trotzdem einiger bedienen", setzt er an. "Die Deutschen sind sehr leistungsfähig und direkt, stehen aber neuen Ideen weniger flexibel gegenüber - und können sehr stur sein, wenn sie noch wenig Erfahrung außerhalb des eigenen Landes haben. Aber es macht großen Spaß, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Sie machen sich immer gleich an die Arbeit, sind eifrig und bemühen sich um ein hohes Leistungsniveau und gute Teamarbeit. Schweizer Köche sind flexibler, weil die Schweiz selbst ein multikulturelles Land ist. Die Franzosen sind sehr stolz auf ihre Cuisine, ihr Kulturstolz ist sehr ausgeprägt. In ihren Küchen herrschen strenge Regeln, die sie strikt einhalten - alles muß auf eine bestimmte Weise getan werden. Wenn man zum Beispiel Fleisch oder Gemüse schneidet, müssen alle Scheiben gleich dick sein, sonst werden sie abgelehnt, und man muß noch einmal von vorn anfangen. Ihre Ansprüche sind sehr hoch."

"Bis jetzt", erzählt Chow, "glaube ich, habe ich am liebsten mit Italienern zusammengearbeitet. In der Küche herrscht dann immer eine warme und freundliche Atmosphäre. Es macht mehr Spaß, mit ihnen zu kochen, weil Kochen für sie etwas sehr Spannendes ist und sie offen für Experimente mit neuen Gerichten sind. Sie behandeln Essen wie eine attraktive Frau - sie gehen sehr romantisch und emotional damit um."

Wie sieht es mit der Sprachbarriere in der Küche aus? Küchenchef Hsiao vom Hilton meint, das sei kein nennenswertes Problem: "In unserem Beruf ist das Beobachten, wie etwas gemacht wird, ein wesentlicher Teil unserer Ar­beit - Köche haben die gleiche Körpersprache. Aber wir haben auch einen Dolmetscher in der Küche." Dies kann Chow nicht bestätigen. "Die sprachlichen Unterschiede stellen ein großes Problem dar und können zu folgenschweren Mißverständnissen führen", sagt er. "Es ist sehr wichtig, zweisprachige chinesische Köche zu haben, die genau übersetzen können, was der westliche Kollege möchte. Englisch ist die meistbenutzte Kommunikationssprache der Welt, auch in der Hotelbranche. In Taiwan ist das Niveau des Englischen niedriger als in Hongkong und vielen anderen asiatischen Ländern."


Die Sprachbarriere ist nur ein Aspekt des Anpassungsprozesses, den westliche Küchenchefs durchlaufen müssen, wenn sie nach Taiwan ziehen. Obwohl sie eine Reihe von Dingen erst lernen müssen, berichten die meisten von ihnen sehr positiv über die Erfahrung.

Olaf Niemeier, seit März 1995 Chefkoch im Taipei Hilton, ist seit zwölf Jahren bei der Hilton-Kette beschäftigt. Begonnen hat er seine Karriere in Deutschland. Bevor er nach Taiwan kam, hat er in Filialen in London, New York, Hongkong und Festlandchina gearbeitet.

"Als ich 1990 im Hongkong Hilton anfing, war das meine erste Begegnung mit der asiatischen Küche", berichtet Niemeier. "Damals wußte ich noch nicht viel darüber. Der größte Unterschied lag für mich zunächst in der Mentalität. In Europa schreit man seine Leute an, wenn etwas schiefläuft. Also habe ich das anfangs auch so versucht, aber die Kollegen sagten: 'Das kannst du hier nicht machen, du mußt es in einem freundlichen Ton sagen.' Daran war ich nicht gewöhnt. Meine Erfahrung war, daß der Chef durch die ganze Küche brüllte, wenn ich etwas falsch machte. Nach einer Weile war ich aber schon etwas ruhiger geworden."

Wie weiß ein Ausländer, daß er über den Berg ist, daß die chinesischen Kollegen ihn akzeptieren? "Sie beobachten einen", sagt Niemeier. "Sie fragen sich, was der Kerl da wohl will. Sie stellen einem viele Fragen und wollen deine Meinung hören - um herauszufinden, wie gut deine Kenntnisse sind. Sie legen einem eine einheimische Gemüseart vor die Nase und fragen: 'Chef, wissen Sie, was das ist?' Wenn ich die richtige Antwort gebe, erkennen sie, daß ich auch etwas weiß. Noch besser ist, wenn man es nicht weiß und neugierig genug ist, um nachzufragen, denn dann merken sie, daß man ein echtes Interesse hat. Wenn man sich bei ihnen erkundigt, wahren sie ihr Gesicht - dieser Ausländer bittet um Hilfe. Dann sind sie ganz begeistert. Sie legen alles mögliche auf den Tisch und erklären die einzelnen Zutaten und was man damit machen kann. Mir gefällt das."

Wie Niemeier weiter betont, brauche man aber auch eine gehörige Portion Geduld. Man könne das Ei nicht von einer Minute auf die andere brechen. "Zu Anfang ist es immer schwierig", sagt er. "In den ersten drei Monaten haben mich die anderen Köche nur beobachtet und versucht herauszufinden, wie weit sie bei mir gehen können - an welchem Punkt ich ärgerlich werde, wann diese Grenze überschritten ist. Das ist normal."

Wenn man seinen Ärger also nicht wie in Europa einfach herauslassen kann, wie kann man seine Leute dann zur Räson bringen und sie anleiten? "Manchmal muß man schon ein wenig lauter werden", erklärt Niemeier, "aber wenn ich richtig aufgebracht bin, zitiere ich den Betreffenden in mein Büro, schließe die Tür und schreie ihn dann an. Grundsätzlich muß man vermeiden, daß ein Chinese das Gesicht verliert, wenn er einen Fehler gemacht hat aber man muß auch sicher teilen, daß er versteht, wie er es richtig machen muß. Ich zeige auch, daß ich ihre Meinungen schätze. Ich beteilige sie an anderen Arbeiten, wie zum Beispiel der Menüplanung. Es gefällt ihnen, daß wir so oft unser Menü ändern, weil sie dann etwas lernen und experimentieren können. So wird es nie langweilig; Köche lernen nie aus. Sie sind immer offen für Neues, besonders von einem Ausländer. Dadurch verlieren sie nicht das Interesse am Kochen."

Markus Schneider, Chefkoch im Grand Hyatt Taipei, hat zehn Jahre Erfahrung in Asien gesammelt und ist kürzlich nach Taipei zurückgekehrt. Vor fünf Jahren war er bereits einmal Küchenchef im Bel Air, dem besten westlichen Restaurant des Hyatt Hotels. Laut seiner Ausage hat ihm eine frühere Erfahrung in Taipei sehr genützt. "Ich finde, am meisten muß ein Chefkoch hier seinen Führungsstil anpassn. Er muß im Umgang mit den chinesischen Kollegen viel diplomatischer vorgehen. Um erfolgreich zu sein, muß er die Nummer eins unter den chinesischen Kollegen in alles einbeziehen. Wenn man ihn nicht hinter sich hat, wird niemand im Team auf einen hören, besonders, wenn man die Landessprache nicht beherrscht."

Auch die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe schaffen Probleme. Schneider berichtet: "In einer europäischen Küche sagt man nur: 'So will ich es haben, und in zwei Wochen muß alles so laufen.' Die Mitarbeiter haben bereits die Grundkenntnisse und -ausbildung. Beim Stichwort 'italienische Hausmannskost' wissen sie also gleich, was gemeint ist. Wenn man aber in Taipei sagt, man möchte in seinem italienischen Restaurant auch Hausmannskost kochen, muß man viel zusätzlich erklären. Sobald sie aber deine Denk- und Arbeitsweise akzeptiert haben, sind sie sehr, sehr loyal - vielleicht loyaler als die Mitarbeiter in einem europäischen Land."

Wenn es mitten in einem riesigen Bankett auch einmal hart auf hart kommt und das Küchenpersonal dann Fehler macht, geht man mit einer solchen Situation dann anders um als zum Beispiel in Frankfurt? "Wir stehen immer unter Druck, weil ein so hoher Anteil des Personals kaum Berufserfahrung hat", merkt Schneider an. "Der Mangel an Erfahrung ist in der gesamten Branche hier immer eine große Herausforderung."


Für Jerome Carrouee, ehemals zweiter leitender Küchenchef im Far Eastern Plaza Taipei (er ging kürzlich nach Malaysia und arbeitet dort in der gleichen Position im Shangri-La Hotel Kuala Lumpur), war Taipei die erste Begegnung mit dem asiatischen Kontinent. Er stammt aus der Bretagne und kommt aus einer Familie, die schon immer mit Lebensmittelgewerbe zu tun hatte. Sein Vater war ein bekannter Bäcker und Konditor in Paris. Als er sein Jahr in Taipei Revue passieren läßt, bezeichnet er seine Erlebnisse durchweg als positiv. Er betont, daß sich Geduld später auszahlen würde.

"Die chinesischen Kollegen sehen einen vor allem als eine Vaterfigur an", behauptet er. "Sie haben riesigen Respekt vor einem, und das muß man erwidern. Zwischenmenschliche Beziehungen sind sehr wichtig. Wenn man sich Zeit für sie nimmt und sich für ihre Probleme und Ziele interessiert, findet das Anerkennung. Sie sind sehr wißbegierig und wollen etwas erreichen; sie wollen Fortschritte machen und weiter nach oben kommen. Dafür brauchen sie Unterstützung."

Nach seiner Lehrzeit in Frankreich arbeitete Carrouee in drei verschiedenen Hotels in New Orleans, bevor er nach London und danach nach Taipei ging. "In unserem Geschäft ist es ganz normal, daß man ein oder zwei Jahre irgendwo arbeitet und dann woandershin geht. Auf diese Weise versuchen wir, aufzusteigen und so viel wie möglich zu lernen", sagt er. Er meint, diese Art, seine Karriere zu gestalten, werde auch von chinesischen Köchen immer öfter übernommen. "Wenn man immer in der gleichen Umgebung lebt, am gleichen Ort, kann man nur einen begrenzten Erfahrungsschatz gewinnen und nur bis zu einem gewissen Punkt Fortschritte machen. In dieser Branche ziehen viele Leute von einem Ort zum anderen. Für einen Koch ist dies die einzige Metho­de, um sich weiterzuentwickeln und zu lernen - man lernt immer neue Kollegen, neue Kulturen und neue Hotelklassen kennen."

Wie steht es mit dem Niveau der Hotels in Taipei? Können sie mit internationalen Standards mithalten? "Viele Leute von hier gehen für ihre Ausbildung nach Europa und kommen dann zum Arbeiten zurück", berichtet Carrouee. "Richtige Berufserfahrung haben sie aber keine. Sie kommen mit einem Management-Diplom zurück und steigen ohne praktische Erfahrung sofort in eine leitende Position ein. Das ist für die Anhebung des hiesigen Niveaus wenig hilfreich. Im Grunde genommen sind sie Jungmanager mit guten Englischkenntnissen. Wenn es aber um bestimmte Arbeitstechniken geht, sind sie aufgeschmissen, und das könnte sich negativ auf das Hotelgeschäft in Taiwan auswirken. In Hongkong ist dies nicht der Fall, es ist eher ein auf Taiwan beschränktes Problem. Hier wollen die Leute gleich ganz oben einsteigen, aber im weiteren Verlauf ihrer Kar­riere wird ihnen das Probleme bescheren."

Was also hat der ausländische Chef zu bieten? "Zunächst würde ich sagen, daß wir vielleicht flexibler und eher bereit sind, beim Ausprobieren neuer Sachen auch einmal ein Risiko einzugehen", findet Markus Schneider. "Wir meinen nicht von uns , schon so gut sein, daß wir nichts mehr verändern müssen; wir sagen nicht, daß das ,was in den letzten fünf Jahren funktioniert hat, auch in den nächsten fünf noch völlig in Ordnung sein wird."

Jean-Pierre Dosse betont, daß das Erreichen und Bewahren hoher Qualitätsstandards für ihn immer eine Herausforderung sei. "Die hiesigen Köche lernen sehr schnell, neue Gerichte zuzubereiten", sagt er. "Aber man muß immer darauf achten, auch einen westlichen Chef in der Küche zu haben, der die westlichen Gerichte kocht. Wenn er geht, werden die einheimischen Köche sich schnell nach zeitsparenderen und einfacheren Methoden umsehen, mit denen sie die gleichen Gerichte herstellen. Das Endergebnis sieht zwar fast gleich aus, aber der authentische Geschmack ist verlorengegangen. Wenn der Chef mit dem 'authentischen Gaumen' weg ist, gibt es keine Qualitätskontrolle mehr. So arbeiten in unseren Küchen italienische, amerikanische, französische, kantone­sische und taiwanesische Chefs, damit das Niveau hoch bleibt."

Wie stehen die Chancen, daß auch andere Hotels auf der Insel dem Vorbild der Fünfsternehäuser in der Hauptstadt folgen? Ein hiesiger Hotelfachmann, der es vorzieht, anonym zu bleiben, beklagt, daß eine erstaunlich hohe Zahl von Hotelbesitzern hier immer noch zögere, Ausländer einzustellen. "Es ist ihnen zu teuer und den ganzen Ärger nicht wert, besonders wegen des Sprachproblems. Sie verstehen aber nicht, daß sie dann hinter dem internationalen Standard zurückbleiben. Einige von ihnen sehen es sogar nicht gern, wenn ihre eigenen chinesischen Küchenchefs und Manager sich die Zeit nehmen, um in anderen Hotels und Restaurants nach neuen Ide­en zu suchen. Sie sagen: 'Das ist Zeitverschwendung; ich bezahle dich fürs Arbeiten und nicht dafür, daß du in der Stadt herumläufst.'" Mit dieser Einstellung läßt sich im Hinblick auf den Regierungsplan für Taiwan als regionales Wirtschaftszentrum allerdings kein Blumentopf gewinnen.

(Deutsch von Christiane Gesell)

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