07.08.2025

Taiwan Today

Frühere Ausgaben

Rhapsodie in Tusche

01.05.1996

Der junge Maler Peng Kang-lung zeigt ein außerordentliches Talent dafür, durch eine übertriebene Darstellung von Form und diversen Strukturen in seinen Landschaften Emotionen Ausdruck zu verleihen.

Etwas verunsichernd kann der erste Blick auf ein Werk von Peng Kang-lung(彭康隆)wirken. In etwa so, als ob man zum ersten Mal die freie Interpretation eines bekannten Musikstücks hören würde. Obwohl grundsätzlich dem herkömmlichen Leitmotiv einer verherrlichten Landschaft im zweidimensionalen Raum folgend, erscheint die Stimmung in diesen untypisch großformatigen Werken durch ihre Komposition, Tönung und Strichtechnik im Vergleich zu traditionellen Gemälden doch eher eigenartig. Bei genauerem Hinsehen erkennt man die vielfältigen Variationen traditioneller Themen, die sich kurz darauf in den Gedanken des Betrachters wieder zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen - unbestreitbar alt, und doch auch absolut neu: eine Rhapsodie in Tusche.

Peng's Werke halten an etablierten Prinzipien der Tuschmalerei fest. Die Landschaft ist immer ihr Motiv, und ihnen ist eine Perspektive zu zeigen, die den westlichen Betrachter irritieren könnte. Klassische Maler des Abendlandes würden sich auf einen bestimmten Punkt fixieren, zusammenlaufende Striche einsetzen und, um Tiefe darzustellen, Figuren in unterschiedlichen Größen malen. Ihre chinesischen Pendants, Peng ist da keine Ausnahme, schaffen die Zweidimensionalität hingegen durch den Einsatz unterschiedlicher Perspektiven. Hinzu kommt, daß Peng immer mit traditionellen Materialen arbeitet, unter anderem mit Tusche, chinesischen Pinseln und Farben, die aus Pflanzen und Mineralien gewonnen werden. Hier enden jedoch die Gemeinsamkeiten zwischen Peng und seinen Vorgängern. Verglichen mit den Werken klassischer Maler sind Peng's wesentlich gefühlsbetonter und individualistischer.

Peng ist ein Multitalent. Von seinen Kollegen wird er als Maler mit Wasser und Tusche hoch angesehen, aber zugleich malt er auch in Öl und lehrt privat die Kunst. Seine Fähigkeit, so viele unterschiedliche Stimmungen heraufzubeschwören und Gefühle mit solch einer Intensität auszudrücken, ist vielleicht seine größte Begabung. In seinem Gemälde Schneegestöber zum Beispiel kommen hinter den dichten, wilden Strichen und dem Schneesturm nur andeutungsweise die Umrisse des Berges zum Vorschein. Möge der Himmel den Reisenden beistehen, die sich unglücklicherweise dort verirren sollten! Als Kontrast dazu sollte man sich das Bild Herbstunruhe ansehen, in dem eine Kombination aus trockenen Strichen und gerubbelter Kohle eine Atmosphäre von Stille und Immobilität erweckt. Einzig ein Baum zeugt gegen den Hintergrund eines Felsgesteins noch von Leben, obwohl auch er schon am Verdorren ist. Dieses Werk ruft dem Betrachter die eigene Sterblichkeit in Erinnerung und rührt beunruhigende, gar trostlose Gefühle auf.

Peng Kang-lung, dessen Eltern Hakka sind, wurde 1962 im Kreis Hualien geboren. Er scheint mit seinen 34 Jahren für diesen Malstil, der soviel Übung und einen langen Reifeprozeß voraussetzt, noch viel zu jung zu sein. Als Architekturstudent an der Berufsfachoberschule im Kreis Hualien fing er an, sich für die Kunst zu interessieren. Kurz darauf erhielt er von einem dortigen Galeriebesitzer etwas Unterricht und gründete zusammen mit einigen Kommilitonen eine Kunstgruppe. Dann ging er, von seiner ersten großen Liebe dazu ermutigt, nach Taipei, um an der Aufnahmeprüfung zum Nationalen Institut für Künste teilzunehmen. Sein erster Versuch mißlang, aber beim zweiten Anlauf 1983 schaffte er die Aufnahme.

Während seines zweiten Jahres an der Abteilung für bildende Künste des Instituts studierte er unter dem berühmten zeitgenössischen chinesischen Landschaftsmaler und Kunstkritiker Ho Huai-shuo (何懷碩), der das Talent des jungen Mannes erkannte. Abendgewitter, eine kleine Landschaftsmalerei, die in dieser Zeit entstand, zeigt sehr deutlich, daß Peng schon damals wußte, wie man durch die Anwendung von tsun fa ( 皺法 ), eine Technik zur Darstellung von Unebenheiten, eine nebelhafte Atmosphäre erzeugen konnte.

In den späten achtziger Jahren wurden Peng's Bilder für Austellungen in der Städtischen Kunsthalle Taipei sowie für die Kunstaustellung der Provinz Taiwan ausgesucht, aber er mußte bis 1991 auf seine erste Einzelaustellung warten. Diese sorgte allerdings für großes Aufsehen. "Peng's Fähigkeiten gehen weit über das hinaus, was man von einem Maler seines Alters erwarten würde", meint der Kalligraphiekünstler Li Yeh-shuang(李葉霜). "Man würde niemals denken, daß seine Arbeiten von so einem jungen Maler geschaffen wurden."

Der Architekt und Kunstliebhaber Chen Tzu-ying ( 陳梓楹) geht in seiner Wertschätzung sogar noch weiter. "Unter den beinahe 20 000 Landschaftsmalern, die derzeit auf dem Festland und auf Taiwan vorzufinden sind, sind nur etwa eine Handvoll in der Lage, die Grenzen der traditionellen Maltechniken zu überschreiten", meint er. "Ich habe unter ihnen noch keinen gefunden, der das Majestätische von Peng's Landschaften, ihre Dichte und ihre Wirkung auf den Betrachter erreichen könnte." Seit Chen Peng auf dessen erster Ausstellung 1991 zum ersten Mal getroffen hat, hat er mehr als dreißig seiner Bilder erworben.

Chen's Ansicht über die majestätische Wirkung der Landschaften in Peng's Gemälden, die hauptsächlich durch übertriebene Formen und individuelle Komposition erzielt wird, würde sicherlich von niemandem angefochten werden. Lin Chuan-chu ( 林銓居 ), ehemaliger Redakteur der Monatszeitschrift Art of Collection, welche die Trends auf dem Kunstmarkt analysiert, hebt ein immer wiederkehrendens Merkmal in Peng's Werken hervor: Ein Motiv, ob ein imposanter Berg oder ein endloser Wald, beherrscht nahezu die gesamte Leinwand. Nur ein kleiner Baum oder ein Boot ist in eine untere Ecke gezwängt, von wo aus das Objekt den Betrachter zwangsläufig in das Bild hineinziehen wird. Der Fachbegriff dafür stammt aus dem Französischen und heißt "Repoussoir".

Ein gutes Beispiel dafür ist Frühlingskälte. Das wichtigste Sujet ist hier ein riesiger Berg, der sich aus der Mitte des Bildes erhebt und mehr als die Hälfte der Fläche einnimmt. Im Vordergrund biegt sich am Fuß des Bergs eine Baumreihe im starken Wind nach hinten. Der Künstler benutzt trockene Pinselstriche (bei dieser Methode wird mit nur wenig Tusche auf eine nasse Leinwand gestrichen), um die Erhabenheit und Immobilität des Bergs zu betonen. Er wendet des weiteren Tuschespritzer und -punkte an, um die Verletzlichkeit der Blätter zu demonstrieren und um dem harten Hintergrund etwas Weiches entgegenzusetzen. Die gesamte Fläche ist mit Pigmenten überdeckt.

In Sanfter Schnee wird diese Unterordnung von allem anderen unter das Hauptsujet noch deutlicher. Eine dichte Felsmasse füllt die gesamte Fläche bis auf die Ecke rechts unten im Vordergrund, wo ein kleines schneebedecktes Boot vor Anker liegt. Felsklippen ragen dicht übereinander auf, so daß kein Raum mehr für den Himmel gegeben ist, was dem Bild etwas Erdrückendes verleiht. Eine einsame Wolkenformation zieht von links horizontal hinein, wodurch das Bild zweigeteilt und ihm ein wenig von seiner doch beinahe unerträglichen Schwere genommen wird. Das im Kontrast zu den riesigen im Hintergrund aufragenden Bergen geradezu absurd winzig wirkende Boot ist tatsächlich der Schlüssel zur Dreidimensionalität des Bildes, weil es das einzige Objekt ist, welches andeutet, daß zwischen dem felsigen Vordergrund und den hinteren Bergen ein Fluß verläuft.

Solche Methoden würden in der klassischen Schule der Tuschmalerei, in der als oberstes Gebot gilt, durch Raum die dynamische Spannung eines Gemäldes zu erhöhen, wohl als bilderstürmend eingestuft werden. Sich nach der Tradition richtende Maler betonen oft hsu-shih hsiang-sheng ( 虛實相生, wörtlich übersetzt "die Interaktion zwischen Leere und Fülle"), also die Technik, in der aus dem Ausgleich zwischen Konkret und Abstrakt ein rhythmisches Gefühl entstehen soll. Daher meinen einige Kritiker, Peng's größter Fehler sei seine Unbeholfenheit beim Einsatz abstrakter Vorstellungen von Raum. "Peng muß bezüglich hsu-shih hsiang-sheng noch einiges tun", sagt sein allererster Mentor Ho Huai-shuo. "Durch seine Vorliebe für imposante Bergformationen überwältigen die konkreten die abstrakten Elemente und lassen keinen Kontrast enstehen. Deshalb bleibt seine Gesamtkomposition immer unvollendet."

Nicht alle teilen diese Meinung. "Peng sollte sich wegen des Problems 'Konkret gegen Abstrakt' keine Sorgen machen", kommentiert ein weiterer zeitgenössischer Künstler, Kuan Chih-chung ( 管執中 ). "Im Gegenteil, seine außerordentliche Betonung des Konkreten entwickelt sich zu seiner persönlichen Handschrift."

Mit dieser Ansicht stimmt Peng überein. "Es ist mir bewußt, daß meine Bilder eine Dichte und Schwere an sich haben, aber ich habe keine Kontrolle darüber", sagt er. "Genauso wie ich vom Charakter her anderen sehr wenig Entfaltungsspielraum zugestehe, lasse ich in meinen Bildern sehr wenig offenen Raum." In ähnlich direktem Ton fahrt er fort. "Ich denke, daß zwischenmenschliche Beziehungen dicht und schwermütig sein sollten ... meine Vorstellung von einer vollkommenen Beziehung ist nicht die einer oberflächlichen und vorübergehenden, sondern die einer tiefgehenden und ewig haltenden ..... und so werde ich wohl noch dichter und schwermütiger werden."

Peng konzentriert sich nicht ausschließlich auf die Tuschmalerei. Auch für Ölgemälde hegt er großes Interesse. "Die Tuschmalerei erlaubt mir keine Zeit zum Denken, und ich kann nicht ausradieren oder übermalen", erklärt er. "Ich muß jedes Bild innerhalb kürzester Zeit zu Ende gebracht haben. Die Ölmalerei hingegen ist ein langwieriger und komplizierter Prozeß. Ich muß über jedes, auch das kleinste Detail, nachdenken vom Gesamteindruck des Bildes bis hin dazu, wieviele Farbstufen ich einsetzen werde."

In all seiner Geschäftigkeit findet er auch noch die Zeit zum Unterrichten. Momentan hat er etwa 50 Schüler: von Kindern im Grundschulalter bis hin zu Hausfrauen sind sie bunt durcheinander gemischt. "Ich versuche, in meinem Studio die Neigungen und Talente eines jeden Schülers herauszufinden", erklärt Peng. Obwohl er ein wenig den Verzweifelten mimt, ist es nicht zu übersehen, daß er seine Klassen sehr gerne hat. "Diese quengeligen Kinder rauben mir noch den letzten Nerv," behauptet er. "Ihre Eltern sehen mein Studio wohl als eine Art Kinderhort an." Das mag sogar sein, doch die Zuneigung des Künstlers zu seinen Schülern wird offenbar erwidert - einer bringt ihm sogar jeden Tag das Mittagessen. "Ich habe keinen blassen Schimmer, was in Zukunft aus diesen Kindern werden soll", meint Peng etwas nachdenklich. "Sie leben in einer so materiell orientierten Welt. Ich kann nur versuchen, ihnen das Gefühl mitzugeben, daß es irgendwo da draußen noch etwas Wunderschönes gibt."

Seltsamerweise lehrt er trotz seiner Hauptbeschäftigung mit Tusche zum Großteil nur westliche Malerei und Medien. "Der optische Effekt der westlichen Kunst ist viel ausgeprägter", argumentiert er. "Es ist sehr schwierig, Tuschmalerei zu lehren, egal ob dabei die Technik oder die spirituelle Bedeutung gemeint ist."

Peng's große Liebe jedoch galt und gilt der Tuschmalerei. In dieser Hinsicht hat er eine weitere Gemeinsamkeit mit seinen Vorgängern in der klassischen Malerei: Er betrachtet die Landschaftsmalerei nicht als eine Darstellung seiner Umwelt, sondern als einen Ausdruck seiner Gedankengänge. Trotzdem lehnt er die humanistischen Ideale der traditionellen Maler ab, wie zum Beispiel deren über alles gestellte Suche nach der spirituellen Erhabenheit oder ihren Glauben, daß das menschliche Wesen eine absolute Einheit mit der Natur bilden sollte.

Weil er sich diesen traditionellen Themen und ihrer Auseinandersetzung mit der anonymen spirituellen Perfektion verweigert, schafft es Peng, seinen Arbeiten ein hohes Maß an Emotionalität und Individualität einzuimpfen. Gedanklich kommt er damit allerdings den europäischen Impressionisten näher als den Meistern der Kunst, deren Techniken er sich zu eigen gemacht hat. Durch Experimentieren mit verschiedenen Strichtechniken und übertriebenen Formen versucht Peng, so wesentliche Emotionen wie Wut, Sehnsucht nach innerer Ruhe und Verzweiflung hervorzurufen.

Eines seiner expressionistischsten Werke hat den Titel Der wütende Berg. In diesem Gemälde hat der Künstler Gefühle des Zorns heraufbeschworen, die einen weit über die bloße Betrachtung der Szenerie hinausführen. Die kraftvollen und rastlosen Schwingungen der Striche, welche die Spuren des schmelzenden Schnees darstellen, haben den Berg in ein schreiendes weißes Ungeheuer verwandelt. Der starke Kontrast zwischen dem weißen Schnee und den schwarzen Berggipfeln, die im Hintergrund hervorragen, sorgen für eine düstere Atmosphäre, aber die sich kreuzenden Pinselstriche des reißenden Flusses im Vordergrund manifestieren als Echo des unruhigen Schneegestöbers, den Eindruck einer unbezwingbar launischen Natur.

Auf die Schilderung dieser Eindrücke reagiert Peng mit einem Lächeln. "Nein, man wird bei der Ansicht meiner Bilder wohl kaum von einer Seelenruhe überwältigt", sagt er. "Sie kommen einem vor wie enorme Mauern, die einem den Weg versperren. Eine verlorene Welt vielleicht, oder eine Zeit, in der die Menschen mit der Natur in Einklang lebten. Sie fragen sich, ob diese Welt je wieder zurückgewonnen werden kann. Für mich ist Tuschmalerei eine Form des Protests gegen den Verrat der Menschheit an der Natur. Auch ist es eine Art des Exils, in dem ich meine Seele vor dieser chaotischen Welt behüten kann. Bei der Entstehung meiner Arbeiten schere ich mich nicht um irgendwelche humanistischen Idealvorstellungen."

Viele würden seine Weltanschauung nicht aus seinen Bildern herauslesen können, aber alle, die sie sehen, sind von der etwas anderen Struktur seiner Landschaftsgemälde und der Art und Weise, wie er mit einer Dringlichkeit versucht, eine ganze Reihe von Emotionen auszudrücken, sehr angetan. Kuan Chih-chung faßt diese Ansichten folgendermaßen zusammen: "Offen gesagt kann ich in Peng's Bildern keine Beziehung zwischen dem Menschen und der Natur ausmachen. Seine wahre Gabe ist seine Fähigkeit, persönliche Gefühlswelten auszudrücken, indem er mittels ständig wechselnder Strichtechniken subjektive Emotionen herbeiführt."

Derselben Meinung ist auch Peng's Mentor Ho Huai-shuo. "Seine Stärke liegt darin, eine verschwommene, neblige und düstere Atmosphäre zu kreieren sowie die lebhaft gesprenkelte Struktur der Landschaften zusammenflechten zu können." Dieser Punkt wird bei der Betrachtung von Kühle Nacht mit plötzlichem Regen unterstrichen. Darin hat Peng anhand feiner Pinselstriche und subtiler Grünschattierungen eine sanfte Struktur entstehen lassen. Vom Nebel umhüllt versinkt ein runder Hügel in einem verträumten Ambiente: kein grollendes Ungeheuer, sondern eher eine sanft schlummernde Hauskatze.

"In meinen Werken", erläutert der Künstler, "ist die Struktur größtenteils ein Ergebnis der traditionellen Methoden der Tuschmalerei." Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die mit Strichen sparsam umgingen und viel Raum offen ließen, um somit die ideale Landschaft darzustellen und den Betrachter zur Medidation anzuregen, kombiniert Peng die trockene Strichtechnik mit nassen Farben. Auch hat er die beachtliche Fähigkeit, sich vieler Strichtechniken zu bedienen und sie ineinander übergehen zu lassen. "Die traditionelle Landschaftsmalerei besteht aus der Beherrschung der Strichtechnik", sagt Peng. "Ich aber eliminiere die äußeren Linien und verwandele andere zu einer Masse."

Peng selbst ist ein emsiger Künstler, der monatlich im Durchschnitt fünf bis acht Bilder fertigstellt. In den Sommermonaten, von Juni bis September, malt er hingegen überhaupt nicht. "Dann bin ich nie in der richtigen Stimmung zum Malen", sagt er einfach. Vor vier Jahren zog es ihn nach "Garden City", zwanzig Kilometer vor Taipei in der Nähe des Ausflugsorts Wulai. Dort lernte er den abstrakten Maler Chuang Pu (莊普) sowie den Bildhauer Li Kuang-yu (李光裕) kennen, die ihn dazu inspirierten, mit mehr Fülle und Dynamik zu experimentieren. Sein Haus, das an einer Bergwand liegt, hat einen wunderschönen Ausblick. Das Wohnzimmer mit der Besonderheit eines Mondfensters erlaubt den Blick auf Himmel und Natur.

Peng ist ein gesprächiger und zugänglicher Mensch. Er zaubert aus einer Kiste, in der es sorgfältig aufgehoben wird, eines seiner Bilder hervor. "Dieses habe ich kurz nach der ersten Begegnung mit meiner Frau gemalt", erinnert er sich. "Zu der Zeit fühlte ich, daß wir einander sehr vertraut, gleichwohl aber auch sehr fremd waren. Ich kann mich noch genau erinnern, wie es zu diesem Bild kam. Eines Morgens, es war zu Beginn des Frühlings 1990 und nieselte draußen, erwachte ich mit dem Kopf voller Gedanken an sie. Ich stand sofort auf und machte mich ans Werk. Ich suchte einen graugrünen Farbton aus, welcher der Bedeutung der Schriftzeichen in ihrem Namen entsprach [Der Name seiner Frau lautet Huang Ching-chih (黃菁芷 ). Die Schriftzeichen bedeuten gelb, üppige Pflanzenwelt und Angelika]. Ich habe nicht einmal den ganzen Morgen gebraucht, um das Bild zu vollenden. Ich wußte sofort, daß ich nie besser sein könnte."

Das Gemälde schenkte er seiner Frau. Er widmete ihr auch noch ein anderes bestechendes Ölgemälde - an seiner Tuschmalerei arbeitet er zu Hause, während seine Werke in Öl ausschließlich in seinem Atelier enstehen -, und zweifellos ist sie für ihn ein wichtiger künstlerischer Einfluß in seinem Leben. "Meine Arbeiten sowie mein Temperament durchliefen eine Wandlung, nachdem ich ihr begegnet war. Ich wurde sanftmütiger und war auch nicht mehr so arrogant wie zuvor. Meine neueren Werke sind viel energischer, aber zur gleichen Zeit auch zurückhaltender als meine früheren Arbeiten. Dafür habe ich meiner Frau und ihrer Toleranz mir gegenüber zu danken."

Es ist schwierig festzustellen, wer außer seiner Frau Peng Kang-lung noch beeinflußt hat. Er selbst meint, daß er nachhaltig von seinem Entdecker Ho Huai-shuo geprägt worden sei. "Von ihm lernte ich, wie man die Details der Natur vereinfachen und zu Symbolen umwandeln kann", sagt er. "Ein Bild besteht aus Zeichen." Er meint, daß er auch dem zeitgenössischen Sammler und Maler C.C. Wang (王季遷 ), dessen Landschaften ihm die Bedeutung der Struktur nahebrachten, viel zu verdanken habe, obwohl er mit Wang's Methoden nicht einverstanden ist. In seinen frühen Werken ist auch der Einfluß des individualistischen Malers der Ch'ing-Dynastie, Kung Hsien ( 龔賢 ), auszumachen; einer der Maler jener Zeit, die sich vom Hofe zurückzogen und gewillt waren, in einfachen Verhältnissen lebend einen Bruch mit der Vergangenheit zu begehen. So wie Kung Hsien setzt auch Peng nur ein Minimum an bildlicher Sprache und Kontinuität in seinen Kompositionen ein. Einige Grundelemente wiederholen sich und erzielen durch ihre Anhäufung eine größere Form, bis diese größere Form schließlich das Bild ergibt.

Der Betrachter könnte unter anderem auch durch die nervösen, beinahe hingekritzelten Striche in Nach dem Stile Huang Pin-hung's an den eponymen Künstler Huang Pin-hung (黃賓虹 ,1865-1955) erinnert werden. Dasselbe könnte man von Die Wolkenschere behaupten. Aber was sagt man zu den getröpfelten und gespritzen Pinselstrichen in Peng's Verschneiter Wald? Verbirgt sich dahinter nicht eine geradezu unheimliche Ähnlichkeit mit der Aktionsmalerei von Jackson Pollock?

Seine Vielseitigkeit sei eine seiner größten Stärken, meint der Kunstsammler Chen Tzu-ying. "Am Anfang fiel mir die steinernde Struktur in Peng's Bildern auf. Dann sah ich, daß jedes seiner Werke einen anderen, eigenen Stil an sich hatte. Diese Vielseitigkeit faszinierte mich, und ich kann mich erinnern, daß ich mir die Frage stellte: 'Wie können alle diese Bilder nur von ein und demselben Künstler sein?'"

Der Maler Kuan Chih-chung ist etwas anderer Meinung. "Peng's frühe Werke ahmten den Stil Ho Huai-shuo's und den der Meister aus der Ch'ing-Dynastie nach", sagt er. "Aber er trat bald danach aus deren Schatten heraus und hat nun seine eigene 'Seele' gefunden."

Tatsächlich wäre niemand sehr glücklich darüber, hätte er schon jetzt einen eigenen und unverkennbaren Stil entwickelt. Chen Tzu-yin ist sehr erfreut, daß Peng in jedem seiner Bilder deutliche Stilbrüche begeht. Der Kalligraphiekünstler Li Yeh-shuang fügt hinzu: "Peng saugt so viele unterschiedliche Techniken und Stile anderer auf. Man könnte ihn mit einem Schwamm vergleichen."

Kuan Chih-chung wird, auf diesen Punkt angesprochen, noch direkter in seiner Aussage. "Peng beherrscht noch immer nicht die Beziehung zwischen den Details und der Gesamtkomposition des Bildes. Es ist gut, wenn er zu diesem Zeitpunkt als Künstler noch nicht voll ausgereift ist, denn in jungen Jahren sollte man seine Fehler begehen und sich nicht auf einen Stil festlegen, an dem in späteren Jahren dann nichts mehr geändert werden kann."

Wir sollten uns alle damit zufriedengeben, erst einmal abzuwarten. Zu viele Maler haben schon die technischen Aspekte der Tuschmalerei gemeistert und erwiesen sich danach trotzdem als unfähig oder nicht willens, dieser alten Kunstform neues Leben einzuflößen. Peng jedoch hat mit seiner Mischung aus verschiedenen Einflüssen und Konzepten genau dieses erreichen können. In seinen Kompositionen und Details schleichen sich vielleicht noch ein paar Fehler ein, aber seine Errungenschaften überwiegen bei weitem. In seinen Werken kommen keine ätherischen Linien mehr vor. Sie werden von soliden, rauhen Strukturen ersetzt. Mit Erleichterung stellen wir fest, daß die chinesische Tuschmalerei endlich von ihrem pompösen Podest heruntergeholt wird. Es wird sich zukünftig nicht ausnahmslos auf unerreichbare Idealvorstellungen konzentriert, wie zum Beispiel auf die Vereinigung von Mensch und Natur, spirituelle Transzendenz und ähnliches. Nein, man ist zur Realität zurückgekehrt! Wenn wir uns die Werke Peng Kang-lung's betrachten, überkommen uns starke Emotionen; Emotionen, die uns alle vereinen. Dies ist die wahre Eigenschaft, die seine sonst so unterschiedlichen Werke verbindet und woraus die harmonische Melodie einer Rhapsodie in Tusche hervorklingt. Wir hören ihr zu und sind zutiefst bewegt.

(Deutsch von John B. Motzkuhn)

Meistgelesen

Aktuell