14.06.2025

Taiwan Today

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Der Weg zur Wiederbelebung

01.03.2009
Das Verbrauchergutscheinprogramm hat unter den staatlichen Initiativen zur Wirtschaftsförderung die größte Begeisterung ausgelöst.

Nachdem die globale Wirtschaftskrise auch Taiwan erfasste und für die Menschen im Land spürbar wird, schnürte die Regierung als Antwort ein umfassendes Paket, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

An einer U-Bahnstation in Taipeh erzählten sich Oberschüler von der privaten Taipei Fuhsing Private School voller Begeisterung gegenseitig, was sie mit den Verbrauchergutscheinen erwerben wollten, welche die Regierung der Republik China am 18. Januar dieses Jahres ausgab. „Ich will mir ein Paar Wanderschuhe kaufen“, sagte der Schüler Wei Yuan-ting. „Ich habe schon lange daran gedacht, mir ein neues Gehäuse für meinen Computer zu holen“, ließ sich Yan Bo-cheng vernehmen. „Vielleicht besorge ich mir Eintrittskarten für ein Konzert meines Lieblings-Popstars“, ergänzte Mitschüler Yan Ting-an.

Für diese drei Jungs sind die Verbrauchergutscheine mit dem Nennwert von 3600 NT$ (83,72 Euro), welche die Regierung zur Förderung der einheimischen Wirtschaft ausgab, wie ein Geschenk des Himmels, da sie deswegen nun die Mittel zum Einkauf teurerer Artikel besitzen, die sie gerne haben wollten, sich aber zuvor nicht leisten konnten. Für die Regierung selbst sind die Scheine jedoch lediglich ein Teil des allgemeinen Wirtschaftsförderungspakets, das Taiwans Wirtschaft abstützen soll.

Wie in Ländern rund um den Erdball haben die Auswirkungen der Wirtschaftsrezession auch Taiwan erfasst. Der Finanzsektor hier erlitt schwere Verluste, Aktien und offene Investmentfonds verloren an Wert, Firmen im traditionell starken Herstellungsbereich wie für Computerspeicher und Halbleiter schreiben rote Zahlen und die Bürger bangen um ihre Arbeitsplätze. Zwar geriet Taiwans Wirtschaft Anfang Herbst 2008 wegen der globalen Rezession unter Druck, doch die Debatte darüber, wie man die finanziellen Aussichten der Insel verbessern könne, war bereits im Laufe des Wahlkampfes zur Präsidentschaftswahl im März 2008 in Schwung gekommen. Damals hatten Frank Hsieh, Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Progressiven Partei (DPP), und der jetzige Staatspräsident Ma Ying-jeou von der Nationalen Volkspartei (Kuomintang, KMT) verschiedene Strategien zur Stimulierung der Ökonomie vorgeschlagen, nachdem während der Präsidentschaft von Mas Amtsvorgänger Chen Shui-bian, DPP, die Wirtschaft vergleichsweise langsam gewachsen war.

Seit der Amtsübernahme im Mai 2008 haben Präsident Ma und seine Regierungsmannschaft sich der Auswirkungen einer schlimmer werdenden Weltwirtschaftslage angenommen. Bei einer Konferenz des Auslandskorrespondentenklubs Taipeh am 3. Dezember 2008 räumte Präsident Ma ein: „Wir haben bereits eine Rezession verzeichnet.“ Damit bestätigte er die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die Verbraucher wie die Krankenschwester Emily Liu aus Taipeh schon erfahren haben. „Heutzutage muss ich mit mehr Umsicht einkaufen“, sagte Liu im Dezember vergangenen Jahres im Gedränge von Kunden in einem Warenhaus in Taipeh. „So habe ich etwa Luxusartikel von meinem Einkaufszettel gestrichen. Ich habe außerdem angefangen, auf Werbeaktionen und Sonderangebote zu achten, und ich kaufe möglichst nur Sachen, auf die es Rabatt gibt. Überdies habe ich beschlossen, an den Beamtenprüfungen teilzunehmen, denn meine Kolleginnen und ich machen uns echte Sorgen, unsere Stellen zu verlieren.“

Taiwans Wirtschaft schrumpfte im dritten Quartal des Jahres 2008 im Vergleich zum gleichen Quartal des Vorjahres um 1,02 Prozent, der erste Rückgang seit 2003. Für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) war im vierten Quartal ein Schwund von 1,73 Prozent prognostiziert, und die Wirtschaftsexperten rechnen laut einer Mitteilung auf der Website der Generaldirektion für Budget, Rechnungswesen und Statistik (Directorate General of Budget, Accounting and Statistics, DGBAS) – einer Behörde in Ministeriumsrang — für das erste Quartal 2009 mit einer ähnlichen Entwicklung.

„Die Finanzindikatoren zeigen die Auswirkungen der globalen Finanzkrise auf Taiwans Wirtschaft“, erklärt Hu Chung-ying, stellvertretender Minister des Rates für Wirtschaftsplanung und Entwicklung (Council for Economic Planning and Development, CEPD), einer weiteren Behörde in Ministeriumsrang. „Zu diesen Indikatoren zählen fallende Werte bei Exportwachstum, Bestellungen aus anderen Ländern, Inlandskonsum, inländischen und internationalen Investitionen sowie beim Immobilienmarkt. Unterdessen steigt die Arbeitslosigkeit. Der allgemeine Wirtschafts-Beobachtungsindex wurde im Jahre 2008 zum dritten Mal als ,Blau‘ eingestuft und damit Schwäche in Taiwans Wirtschaft signalisiert.“ Im fünfstufigen Bewertungssystem der Regierung ist Blau die unterste Stufe, was wirtschaftliche Stagnation indiziert.

Den Sturm aussitzen

„Wir erwarten nicht, dass Taiwan aus der gegenwärtigen globalen Finanzkrise unbeschädigt hervorgeht, doch wir hoffen zumindest, die Schwierigkeiten durchzustehen, ohne schweren Schaden zu nehmen, so wie es uns auch während der Asien-Finanzkrise Ende der neunziger Jahre gelang“, sagte Präsident Ma im Dezember 2008 in einer Ansprache zu einer Zeremonie in der Städtischen Jianguo-Oberschule Taipeh anlässlich des 110-jährigen Jubiläums der Lehranstalt. Ma fügte hinzu, dass die Regierung seit ihrem Beschluss im Oktober 2008, Einlagen in allen Banken in Taiwan voll zu garantieren, ein umfassendes Wirtschaftsförderungspaket umgesetzt hat, um die Auswirkungen der Rezession zu mildern.

Die von der Ma-Regierung verfügten Maßnahmen sollen den Konsum im Inland ankurbeln, Infrastrukturprojekte fördern, mehr private Investitionen ermuntern, Exporte erhöhen, Haushalten mit niedrigem Einkommen helfen, Arbeitsplätze schaffen, Arbeitskräften Schulung bieten und die Wirtschaftsbeziehungen mit dem chinesischen Festland verbessern. Laut Premierminister Liu Chao-shiuan, in Wirtschaftsfragen der Weichensteller der Regierung, wird damit gerechnet, dass die Programme gemeinsam eine Steigerung des BIP-Wachstums von 1,64 Prozent dieses Jahr ermöglichen werden und die Regierung so ihr Ziel von insgesamt 2,12 Prozent am Jahresende wird erreichen können.

Das Verbrauchergutscheinprogramm mit einem Umfang von 85,7 Milliarden NT$ (1,99 Milliarden Euro) ist vielleicht die auffälligste unter den Initiativen der Regierung zur Bekämpfung der Rezession. Der vom CEPD vorgeschlagene Plan beruht auf einer ähnlichen Initiative, die im Jahre 1999 in Japan gestartet wurde, und es ist das erste Mal, dass von der Regierung der Republik China Geld, das den Konsum anregen soll, direkt den Verbrauchern ausgehändigt wird. „Das Programm soll die Wirtschaft fördern, und es wird erwartet, dass es 2009 zu einer Zunahme des BIP in Höhe von 0,64 Prozent beitragen wird“, verkündete Liu im November vergangenen Jahres auf einer Pressekonferenz in Taipeh.

Obwohl die Abgeordneten des Legislativ-Yuan, also des Parlaments der Republik China, uneins darüber waren, wie das Geld unter den 23 Millionen Taiwanern verteilt werden sollte, waren sich die regierende KMT und die Oppositionspartei DPP weitgehend einig über die Vorteile der Einmal-Gutschein-Initiative, und das Gesetz, das die Regierung zur Ausgabe der Gutscheine ermächtigte, wurde am 5. Dezember 2008 ohne große Debatten vom Parlament verabschiedet. Ab dem 18. Januar 2009 wurden die Gutscheine an die Verbraucher verteilt, kurz vor Beginn der einwöchigen Ferien zum Chinesischen Neujahrsfest, und die Gutscheine werden bis zum 30. September dieses Jahres gültig bleiben. Mit den Gutscheinen kann man für Waren und Dienstleistungen bei allen registrierten Einzelhändlern, Großhändlern und gastronomischen Betrieben bezahlen.

18. Januar 2009: Bürger ste-hen Schlange, um die Verbrauchergutscheine mit Nennwert von 3600 NT$ abzuholen.

Ferng Li-kung, Wirtschaftsprofessor an der National Chung Cheng University in Chiayi (Südtaiwan), hält das Gutscheinprogramm für ein wirksames kurzfristiges Werkzeug, um den Inlandskonsum zu stimulieren. „In einer Zeit, in der die Exporte zurückgehen, ist die Ausgabe der Coupons ein guter Weg, die Menschen dazu anzuregen, mehr auszugeben, wodurch sich die Inlandsnachfrage verstärkt“, kommentiert er.

Seit September 2008 hat die Zentralbank der Republik China die wichtigsten Zinssätze vier Mal um insgesamt 0,875 Prozentpunkte gesenkt, was gleichermaßen die Steigerung des inländischen Verbrauchs zum Ziel hat. Für die Konsumenten sind damit die Zinsen auf Kredite für größere Anschaffungen wie Immobilien und Automobile gefallen, wodurch diese Märkte ebenfalls belebt werden.

Eine weitere Wirtschaftsförderungsmaßnahme der Regierung wurde am 12. Januar umgesetzt, als das Parlament Veränderungen am Schenkungs- und Erbschaftssteuergesetz verabschiedete. Die Veränderungen reduzieren die Schenkungs- und Erbschaftssteuersätze von bis zu 50 Prozent auf einen Pauschalsatz von 10 Prozent. Die Regierung glaubt, dass durch diesen Schritt lokale Investoren dazu bewogen werden, Geldmittel in Taiwan zu halten oder sie zurück nach Taiwan zu lenken, anstatt sie im Ausland zu investieren, was wiederum die Wirtschaft stimuliert.

Die von diesem Jahr bis zum Jahr 2012 für Infrastruktur-Entwicklung bewilligten 500 Milliarden NT$ (11,6 Milliarden Euro) werden für Projekte benutzt wie Ausbau des Schnellbahnsystems Taipeh, Brückenbau, Bau und Renovierung von Schulen, Verbesserung der Kanalisationssysteme und Modernisierung von Eisenbahnstrecken. Ein weiteres Ziel ist Stadterneuerung, und der Exekutiv-Yuan – also das Regierungskabinett bzw. der Ministerrat der Republik China – plant, 400 Millionen NT$ (9,3 Millionen Euro) der Mittel für die Neuentwicklung ausgewählter Teile von Städten in ganz Taiwan zu verwenden. Die Finanzspritzen der Regierung für Infrastrukturprojekte sollen Investitionen aus der Privatwirtschaft in Höhe von über 20 Milliarden NT$ (465,1 Millionen Euro) nach sich ziehen, überwiegend durch BOT-Projekte (BOT = build-operate-transfer, zu Deutsch: bauen-betreiben-übergeben), bei denen Privatunternehmen als Gegenleistung für ihre Investitionen einen Teil der Betriebseinnahmen für eine bestimmte Anzahl von Jahren erhalten.

Neben Ausgaben für Bauvorhaben-Infrastrukturprojekte hat die Regierung außerdem Maßnahmen ergriffen, das Finanzdienstleistungsgewerbe und die Börse zu stabilisieren und zu verbessern. Zu den maßgeblichen Schritten gehören die Halbierung des Aktien-Transaktionssteuersatzes von 0,3 Prozent auf 0,15 Prozent für sechs Monate, Senkung des vorgeschriebenen Verhältnisses zwischen dem Kapital eines Betriebes und dessen Investitionen (Capital Adequacy Ratio, CAR) für Finanzholdingunternehmen zum Erwerb eigener Aktien von derzeit 110 Prozent auf 105 Prozent, Anweisungen an die taiwanische Börse (Taiwan Stock Exchange, TSE) und den GreTai Securities Market, dass börsennotierte Firmen zum Erwerb eigener Aktien ermuntert werden sollen, und Aufforderung an einheimische Finanzinstitutionen, ihre verfügbaren Mittel zu Investitionen auf dem Inlandsmarkt zu verwenden.

Der Weg zur Erholung

Ende Dezember 2008 billigte die Regierung den „Neuen Zheng He-Plan“ mit einem Etat von 8,53 Milliarden NT$ (198,3 Millionen Euro). Die Mittel sollen dazu verwendet werden, einheimischen Unternehmen bei der Erweiterung ihrer Ausfuhren zu helfen, indem a) der festlandchinesische Markt weiter geöffnet wird; b) aufstrebende Volkswirtschaften wie Brasilien, Russland und die in Nahost anvisiert werden; c) globale Marketingprogramme ausgedehnt werden; und d) man ausländische Firmen dazu bringt, mehr in Taiwan zu bestellen. Der Plan wurde nach Zheng He benannt, dem legendären Seefahrer der Ming-Dynastie (1368-1644), der von China aus ferne Länder bereiste wie die arabische Halbinsel und Afrikas Ostküste. Der weltgewandte Eunuch handelte mit den Einheimischen dort und führte in jenen Regionen chinesische Produkte ein.

Zur Hilfe für Haushalte mit niedrigem Einkommen, die von der Rezession am härtesten getroffen wurden, startete das Innenministerium im August 2008 das Sofortpflege-Programm, das Haushalten nahe der Armutsgrenze, die ansonsten keinen Anspruch auf staatliche Hilfe haben, Bargeld-Zuschüsse bietet. Im Rahmen des Programms können 290 000 Personen aus 96 000 Haushalten auf der ganzen Insel pro Monat 10 000 bis 30 000 NT$ (232-697 Euro) je Familie an Notzulage erhalten. Darüber hinaus hat die Regierung 13,5 Milliarden NT$ (313,9 Millionen Euro) zur Unterstützung von 450 000 Arbeitnehmern, die nahe der Armutsgrenze leben, bewilligt.

Zur Senkung der Arbeitslosigkeit startete der Rat für Arbeitnehmerfragen (Council for Labor Affairs, CLA) in der zweiten Hälfte des Jahres 2008 einen Plan, 117 000 kurzfristige Jobs zu schaffen. Das Programm soll bis August dieses Jahres laufen, und die Regierung wird 9,62 Milliarden NT$ (223,7 Millionen Euro) aufwenden, um Arbeitsplätze zu schaffen und Arbeitskräfte zu schulen. Im Rahmen des CLA-Planes wird das „Projekt für unmittelbare Vermittlung“ jeder legalen Firma gestatten, einen Zuschuss zu erhalten, wenn sie taiwanische Arbeitnehmer einstellt, die mehr als 90 Tage arbeitslos waren. Außerdem bietet der CLA seit dem 15. Dezember 2008 Darlehen von bis zu 100 000 NT$ (2325 Euro) für jeden Arbeitnehmer, der solche Hilfe beantragt.

 

Die Verbrauchergutscheine werden von allen Einzelhändlern und gastronomischen Betrieben entgegengenommen und werden Taiwans BIP voraussichtlich um 0,64 Prozent steigern.

Die Maßnahmen der Ma-Administration zur Förderung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem chinesischen Festland haben Unternehmen geholfen, Kosten zu senken, und das in einer Zeit, zu der sowohl Taiwan als auch Festlandchina die Auswirkungen der globalen Rezession zu spüren bekommen. Am 4. November 2008 unterzeichneten Chiang Pin-kung, Vorsitzender der in Taipeh ansässigen Stiftung Austausch über die Taiwanstraße (Straits Exchange Foundation, SEF), und sein Amtskollege Chen Yunlin von der in Beijing residierenden Vereinigung für die Beziehungen über die Taiwanstraße (Association for Relations across the Taiwan Straits, ARATS) in Taipeh Abkommen über die Ausweitung direkter Flug- und Schifffahrtsverbindungen zwischen beiden Seiten. Die ersten Schiffe und Frachtflüge, welche diese direkten Verbindungen nutzten, starteten am 15. Dezember 2008. Laut Vize-Wirtschaftsminister Shih Yen-shiang werden taiwanische Unternehmen infolge der Abkommen mindestens 4,53 Milliarden NT$ (105,3 Millionen Euro) jährlich an Transportkosten einsparen. Der Landwirtschaftsrat (Council of Agriculture, COA) im Exekutiv-Yuan hat zudem erklärt, die kürzeren Transportzeiten werden die Transportschadensrate für landwirtschaftliche Produkte von 15 auf 5 Prozent verringern, was die Gewinne weiter erhöht.

Die Suche nach solchen Wegen zur Steigerung der Effizienz ist von zentraler Bedeutung in einer Zeit, wenn manche Unternehmen ums Überleben kämpfen, und sie ist eine besonders gute Alternative gegenüber der Freisetzung von Arbeitskräften, welche die ohnehin schon düsteren makroökonomischen Aussichten weiter verschlimmern könnte. „Die direkten Verbindungen tragen dazu bei, den Betrieb von Firmen effizienter zu machen, und Gewerbe können dadurch ihren Umfang vergrößern“, wirbt Walton Huang, Vorsitzender des Verbandes taiwanischer EMBA-Studierender an der Shanghai Jiao Tong University. „Sie werden auf diese Weise in die Lage versetzt, Zentren für Forschung und Entwicklung in Taiwan zu bauen, die mehr Arbeitsplätze schaffen.“

Gewichtige Expertenmeinungen

„Europäische Länder haben eindrucksvolle Programme zur wirtschaftlichen Wiederbelebung angekündigt“, meint Hu Sheng-cheng, ehemaliger CEPD-Minister und heute Forscher am Wirtschaftsinstitut der Academia Sinica in Taipeh. „Die Vereinigten Staaten haben das Gleiche getan, um die Sofortmaßnahmen weiterzuführen, die dort schon im ersten Quartal 2008 in Erwägung gezogen worden waren. Wenn man sich die Maßnahmen dieser Länder anschaut, dann ist unsere Regierung im richtigen Gleis. Das heißt, die staatlichen Maßnahmen haben das Potenzial, die ökonomischen Bedürfnisse in dieser außerordentlich schwierigen Zeit zu erfüllen.“

Hu weist jedoch darauf hin, dass die Regierung schnell und effizient handeln muss, damit der Wirtschaftsförderungsplan wesentliche Verbesserungen bringt. „Ob die Maßnahmen greifen oder nicht, hängt von der Ausführung durch die Regierung ab“, warnt er. „Wenn die Förderungsprojekte zeitig umgesetzt werden, könnten wir bis Ende dieses Jahres gute Resultate sehen. Wenn nicht, wird die Wachstumsrate 2009 negativ sein.“

Wu Chung-shu, Wirtschaftswissenschaftler an der Academia Sinica, hält eine rechtzeitige Umsetzung der Fördermaßnahmen gleichfalls für notwendig. „Der weltweite Wirtschaftsabschwung ist der schwerstwiegende, den wir in 70 Jahren hinnehmen mussten“, urteilt er. „Die Regierung hat das Ausmaß der Wirtschaftskrise falsch bewertet und wertvolle Zeit verschwendet, indem nicht so früh wie möglich Maßnahmen ergriffen wurden. Die verminderten Bestellungen und zurückgehenden Ausfuhren machen es dem exportorientierten Land Taiwan schwer, sich zu behaupten.“

Wu glaubt außerdem, dass die Regierung die Durchführung der Wirtschaftsförderungsprogramme scharf im Auge behalten muss. „Wir haben gesehen, wie die Regierung im vergangenen Jahr Milliarden von Dollar in Wirtschaftsförderungsprogramme gepumpt hat“, bemerkt er. „Diese Projekte stellen die umfangreichste Finanzzuwendung in der Geschichte Taiwans dar. Allerdings ist eine Lösung aller Probleme nicht allein dadurch garantiert, dass man Schecks ausstellt. Wenn wir kein extrem effektives System besitzen, um zu beobachten, wie das Geld verwendet wird, wird das ein Absinken des Landes in eine tiefere Rezession nicht aufhalten.“

Wu betont, dass die Regierung kurzfristig nichts tun sollte, was nicht einem langfristigen wirtschaftlichen Ziel dient. „Zur Zeit wurde Maßnahmen Priorität eingeräumt, welche vom Wesen her kurzfristig sind, und solche Finanzspritzen sind schnell verstreut“, analysiert er. „Alle sind sich einig, dass wir Arbeitsplätze brauchen und Infrastrukturprojekte dringend erforderlich sind. Die Projekte, die bislang im Gespräch sind, sind aber lediglich Notbehelfe. Diese Krise kann nur bewältigt werden, indem man Steuergelder für Projekte ausgibt, welche die langfristige wirtschaftliche Gesundheit des Landes verbessern und die auch ohne Finanzkrise nötig wären. Mit anderen Worten, wir sollten das tun, was wir sowieso täten, nur eben schneller.“

Wu unterstreicht, dass für eine echte wirtschaftliche Erholung sorgfältige Umsetzung vonnöten ist. „Präsident Mas Mannschaft muss einigen Verlockungen ausweichen“, rät er. „Sie sollten nicht einfach versuchen, so schnell wie möglich Geld in Projekte zu schaufeln, um die Nachfrage zu stimulieren. Sie sollten das Geld nicht zu dünn verteilen. Sie sollten nicht versuchen, Arbeitsplätze zu retten, die sowieso verschwinden werden. Und sie sollten überdies versuchen, so viel wie möglich mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren, damit die Menschen verstehen, dass die Regierung nicht allmächtig ist, sondern ihr Bestes tut, um Taiwans langfristiges Wohlergehen zu gewährleisten.“

Zwar wurde die Rezession früh im vergangenen Herbst ernsthaft spürbar, doch wurden ihre Auswirkungen in Taiwan nach Wus Überzeugung durch seit langem vorhandene Wirtschaftsprobleme verstärkt. „Wir müssen einige grundlegende Änderungen in anderen Bereichen als der Politik der direkten Verbindungen mit Festlandchina vornehmen“, fordert er. „Beispielsweise muss die Regierung Gesetze ändern, um Investitionen zu erleichtern, denn die geltenden Bestimmungen haben kaum was gebracht, aber die Betriebskosten in die Höhe getrieben. Horizontale Kontakte zwischen staatlichen Institutionen müssen ebenfalls gestärkt werden, denn die Konflikte und die mangelnde Kommunikation zwischen Zentralregierung und Lokalverwaltungen haben sowohl eine Verdopplung der Anstrengungen als auch weniger effiziente Programme zur Folge, was bedeutet, dass die Menschen nicht die gesamte wirtschaftliche Hilfe bekommen, auf die sie aufgrund der von ihnen gezahlten Steuern Anrecht hätten. Am wichtigsten ist, eine mangelnde Aufsicht könnte die Wirksamkeit auch der bestgemeinten Projekte untergraben. Eine gewissenhafte Umsetzung zu garantieren, anstatt einfach nur Geld auszugeben, sollte das Ziel hinter jedem Förderprojekt sein.“

Obwohl Präsident Ma die aktuelle Weltwirtschaftskrise als „Kredit-Tsunami, der nur einmal in einem Jahrhundert vorkommt“ bezeichnete, drückte er auch Vertrauen in Taiwans Erholungsfähigkeiten aus, nicht wegen seiner Führung, sondern wegen des Taiwan-Geistes. „Die Spannkraft der Menschen und ihre Beharrlichkeit können uns helfen, die Schwierigkeiten zu überwinden“, versicherte Ma im Dezember 2008.

Es steht viel auf dem Spiel, und Steuerzahler wie die Warenhauskundin Emily Liu behalten das Vorgehen der Regierung genau im Auge. „Wir hoffen, dass die Regierung eine starke Fähigkeit zum Handeln zeigen kann und entschlossen ist, gute Arbeit zu leisten“, sagt sie. „Dies ist nicht nur eine wirtschaftliche Rezession, sondern auch eine mentale Rezession. Sie zu bewältigen bedeutet, dass mehr Menschen und die Regierung an einer fundamentalen Wiedergeburt beteiligt sein müssen.“

(Deutsch von Tilman Aretz)

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