13.12.2025

Taiwan Today

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Der Schmetterlings-Effekt

01.09.2009
Ein Plakat für eine Schmetterlingsausstellung im Botanischen Garten München. Die jüngste Schau mit taiwanischen Neuflüglern war in mehreren europäischen Ländern zu sehen. (Foto: Courtesy Botanischer Garten München)

Der Zoo von Taipeh spielte wieder einmal eine wichtige Rolle bei Taiwans Anstrengungen, die Beziehungen mit dem Rest der Welt zu verbessern, besonders in den letzten Monaten. Zwar haben die beiden Riesenpandas vom chinesischen Festland viel Aufmerksamkeit erhalten, doch der Zoo hat außerdem Tausende von Schmetterlingspuppen zu Ausstellungen in vier europäischen Ländern geschickt. Der Anfang wurde Ende September vergangenen Jahres in Polen gemacht, gefolgt von Veranstaltungen in Schweden im Januar, Ungarn im Februar und dann im März dieses Jahres in Dänemark. „Diese Ausstellungen sind Teil der Städtediplomatie von Taipeh und eine Schaubühne, durch welche das Publikum mehr über Taiwans natürliche Umwelt allgemein erfahren kann“, beschreibt Wu I-hsin, Kuratorin des Insektenhauses im Zoo von Taipeh.

Bei jeder dieser Ausstellungen lag Literatur vom Taipeh-Zoo über Taiwans reiche Schmetterlingsvielfalt aus, und daneben bemühte sich das Forstamt im Landwirtschaftsrat (Council of Agriculture, COA), Taiwans Image mit Postern über Taiwans 18 Nationale Walderholungsgebiete und die natürliche Schönheit seiner Landschaftsgebiete zu fördern.

„Es ist sehr passend, die Welt durch Taiwans Schmetterlinge über die Schönheit und einzigartige Umwelt des Landes aufzuklären“, verkündete David Liu, Repräsentant der Taipeh-Vertretung in Polen, bei der Eröffnung der Ausstellung in Wroclaw (ehemals Breslau) im Südwesten Polens. In Taiwan gibt es über 430 Schmetterlingsarten, unter ihnen 50 endemische Arten. Das entspricht 123 Arten je 10 000 Quadratkilometer Fläche auf der Insel -- eine eindrucksvolle Zahl im Vergleich zu den durchschnittlich 6 Arten je 10 000 Quadratkilometern in Japan.

Die hohe Vielfalt dieser wunderschönen Neuflügler ist zum großen Teil den einzigartigen geographischen Eigenschaften von Taiwan zu verdanken: Auf der 36 000 Quadratkilometer großen Hauptinsel gibt es 133 Gipfel über 3000 Meter. Mit seiner Lage zwischen den tropischen und subtropischen Regionen besitzt Taiwan ein feuchtwarmes Klima und ist daher von Natur aus für die Entwicklung unterschiedlicher Schmetterlingsarten ideal. „Wir haben Schmetterlinge aus diesen Klimazonen, und wegen der hohen Berge haben wir auch Arten aus gemäßigtem Klima“, verrät Wu I-hsin. Im Allgemeinen sehen europäische Schmetterlinge nicht so farbenprächtig aus wie die aus Taiwan. „Je kälter das Klima ist, desto kleiner sind die Schmetterlinge, eben wie in Europa, wo es generell kälter ist als in Taiwan.“

Abgesehen von Taiwans fünf geschützten Arten, zu denen der Vogelflügler (Troides magellanus) gehört, der nur auf der Orchideeninsel (Lanyu) vorkommt, und dem bedrohten Breitschwanz-Ritterfalter (Agehana maraho), dürfen alle anderen einheimischen Schmetterlingsarten zu Ausstellungen ins Ausland geschickt werden. Größere Schmetterlingsarten sind in der Regel aber besonders gefragt, etwa Weiße Baumnymphen (Idea leuconoe) und Fledermausflügel (Atrophaneura polyeuctes). Exemplare des „Indischen Blattes“ (Kallima inachus) sind gleichfalls eindrucksvoll, da ihre ungewöhnliche Form ein verkümmertes Baumblatt nachahmt.

Die Puppen der verschiedenen Arten müssen zu unterschiedlichen Zeiten ins Ausland geschickt werden, da sie sich im Laufe des Jahres nicht gleichzeitig zu ausgewachsenen Tieren entwickeln; so erreichen zum Beispiel manche Schwalbenschwanz-Schmetterlinge das Erwachsenenstadium nicht vor Ende des Winters.

Ein Teil der Puppen stammt aus dem Schmetterlings-Brutraum des Zoos, die meisten kommen von einer privaten Farm im zentraltaiwanischen Puli. Der Zoo zahlt je nach Art im Schnitt 100 NT$ (2,17 Euro) je Puppe. Für die jüngsten Ausstellungen in Europa verschickten Mitarbeiter des Zoos 100 bis 200 sorgfältig verpackte Puppen gleichzeitig auf dem Postwege, diese Puppen entwickelten sich später zu ausgewachsenen Tieren mit einer Lebenserwartung von 20 bis 30 Tagen. Gewöhnlich verschickt man sie per Expresspost, damit sie nicht schlüpfen oder sterben, bevor sie den Empfänger erreichen. „Man muss die Pakete warm halten, da sie im Winter ausgeliefert werden, aber man kann die Puppen nicht lange eng verpackt lassen“, erläutert Wu. „Das bedeutet, die Versandzeit muss so kurz wie möglich gehalten werden.“

Bei einer Schmetterlingsausstellung in Schwedens Hauptstadt Stockholm Anfang dieses Jahres konnten die Besucher sich Schmetterlinge anschauen und allerhand über Taiwan allgemein erfahren. (Foto: Courtesy Information Division, Taipei Mission in Sweden)

Die Mühe wert

Die ganze harte Arbeit, die dazu aufgewandt wird, die empfindlichen Insekten transportfertig zu machen, lohnt sich jedoch, denn die Ausstellungen im Ausland machen fast immer einen tiefen Eindruck auf westliche Schmetterlingsfreunde. „Taiwan ist in einer sehr guten Lage“, schwärmt Gabor Csorba, ein ungarischer Zoologe und Berater der Ausstellung im Ungarischen Naturgeschichtemuseum in Budapest. „Es ist eine isolierte Insel mit so vielen endemischen Arten.“ Das Museum hat bereits enge Beziehungen mit Taiwan geknüpft und schickte Csorba und andere Forscher seit 1996 viele Male hierher. Die Ausstellung in Budapest richtete einen besonderen Sektor ein, um die in Taiwan von ungarischen Forschern gesammelten Exemplare zu präsentieren. „Unsere Hauptabsicht war, die riesige Vielfalt von Taiwans Tierwelt zu entdecken und zu beschreiben, einschließlich Insekten und Säugetiere“, teilt er mit. „Schließlich stellte sich heraus, dass die vollständigste und spannendste Sammlung die mit den Schmetterlingen war.“ Die Ausstellung war so eindrucksvoll, dass das Mora Ferenc Museum in Szeged, der größten Stadt Südungarns, großes Interesse bekundete, eine entsprechende Veranstaltung zu organisieren, und es laufen derzeit Gespräche mit der Budapest-Vertretung des Regierungsinformationsamtes (Government Information Office, GIO), eine Ausstellung für Mai 2010 anzuberaumen.

Unterdessen nutzte Taiwan die jüngsten Ausstellungen in Europa als Gelegenheit, seine Anstrengungen beim Schutz von Schmetterlingen publik zu machen. Bei der Ausstellung im Tropenhaus des Kopenhagener Zoos sprach Charles Liu, Repräsentant der Taipeh-Vertretung in Dänemark, zu den örtlichen Medien über die Maßnahmen, die seit 2007 von Taiwans Regierung ergriffen wurden, um jedes Jahr eine reibungslose Wanderung der Braunen Königskrähen (Euploea core) in Südtaiwan zu gewährleisten. Der Zoo in Kopenhagen ist die beliebteste solche Institution im nördlichen Europa, allein 2008 kamen 1,4 Millionen Besucher.

Ähnliche Ausstellungen mit lebenden taiwanischen Schmetterlingen fanden in kleinerem Umfang bereits 1998 statt. Durch Chen Keh-miin, dem damaligen Informationssekretär in der GIO-Vertretung in München, erfuhr ein Schmetterlingshaus in Neumarkt in der Oberpfalz (Bayern) von Taiwans Schmetterlingen und veranstaltete im Juni 1998 eine Ausstellung mit den Insekten, die aus 250 Puppen schlüpften, welche vom Zoo in Taipeh eingeflogen worden waren. Diesem Beispiel folgte im November des gleichen Jahres der Botanische Garten in München und zeigte fünf Monate lang lebende Schmetterlinge, die sich aus insgesamt 750 Puppen entwickelten. Ebenfalls in München zu sehen waren 34 Gemälde taiwanischer Schmetterlinge von Chiu Chen-tsung, einem Künstler, der für seine lebhaften Darstellungen taiwanischer Insekten bekannt ist.

„In Ländern wie Deutschland mit einem gemäßigten Klima gibt es nicht so viele Arten von Insekten und Schmetterlingen, vor allem im Winter“, weiß Wu I-hsin und erklärt damit das große Interesse der deutschen Institutionen, mit dem Taipeh-Zoo zusammenzuarbeiten. So erwies sich denn auch die Münchner Ausstellung exotischer Insekten aus dem fernen Osten als riesiger Erfolg mit Zehntausenden von Besuchern.

Diese monatelange Veranstaltung hat seitdem drei Mal im Botanischen Garten München stattgefunden, die jüngste Ausstellung lief 2004, wobei erstmals Offizielle vom Zoo Taipeh und der Stadtverwaltung Taipeh bei der Eröffnungszeremonie zugegen waren. Mitarbeiter des Zoos von Taipeh besuchten außerdem bei dieser Gelegenheit den Städtischen Zoo von Nürnberg und ebneten den Weg für eine zukünftige Zusammenarbeit mit dieser Institution. Im März 2006 gab der Zoo Taipeh bekannt, dass der Zoo Nürnberg sein zweiter von heute vier Schwester-Zoos rund um den Erdball geworden sei. Als die Freundschaft der beiden Tiergärten sich entwickelte, gab der mittelfränkische Zoo dem nordtaiwanischen Zoo zwei Paare Rotnackenwallabys (Macropus rufogriseus, auf Deutsch auch Bennetkänguru genannt), vier Krokodilschwanz-Höckerechsen (Shinisaurus crocodilurus) und einen Hyazinth-Ara (Anodorhynchus hyacinthinus), der laut der Konvention über internationalen Handel mit gefährdeten Arten der Tier- und Pflanzenwelt (Convention on International Trade in Endangered Species of World Flora and Fauna, CITES) neben Riesenpandas zu den am meisten gefährdeten Tierarten der Welt gehört, bemerkt Wu. Der Zoo von Taipeh schickte seinerseits Hunderte von Puppen nach Nürnberg, die ab Ende 2006 in einer fünfmonatigen Ausstellung gut 90 000 Besucher anlockten. Die Verschickung von Insektenpuppen an internationale Institutionen ist schon so etwas wie ein Markenzeichen des Zoos von Taipeh geworden.

Im Hinblick auf die Veranstaltungen 2008 und 2009 sagt Chen, der selbst eine internationale Koryphäe auf dem Gebiet der Mistkäferforschung ist, er hoffe, die Ausstellungen würden mehr Europäern dabei helfen, etwas über Taiwans Schmetterlinge zu lernen. Die Schmetterlingsexponate erwiesen sich als so beliebt, dass der Zoo Taipeh erwägt, andere Arten ökologischer Ausstellungen über Insekten wie Glühwürmchen zu organisieren. Das wäre jedoch eine ziemliche Herausforderung. „Das Puppen-Stadium von Glühwürmchen ist kürzer als bei Schmetterlingen, und sie sind noch anfälliger und empfindlicher für ihre Umgebung“, enthüllt Chen und erklärt damit, wieso der Transport der Insekten so viel Kopfzerbrechen bereitet. Wu I-hsin meint, für eine Glühwürmchen-Show bräuchte man auch mehr Insekten als für eine Schmetterlings-Ausstellung. „Wenn man nicht mindestens 5000 Glühwürmchen benutzt, kann man in einem dunklen Raum keinen besonderen optischen Effekt erzeugen“, seufzt sie. „Jedes Exemplar kostet aber im Einkauf rund 40 NT$ (0,87 Euro), deswegen wären die Ausgaben für eine solche Ausstellung höher als bei Schmetterlingen.“

Ein Indischer Monarch (Danaus genutia). Mit ihrer stattlichen Größe und prachtvollen Farben hinterlassen taiwanische Schmetterlinge bei den Betrachtern fast immer einen tiefen Eindruck. (Foto: Huang Chung-hsin)

Das Schmetterlingsgewerbe

In jedem Fall haben Ausstellungen mit lebenden Schmetterlingen aus Taiwan im Ausland schon beträchtliche Aufmerksamkeit erregt, was nicht nur Taiwans internationales Profil verbessert, sondern auch wirtschaftlichen Nutzen bringt. Tatsächlich hat das „Schmetterlingsgewerbe“ in Taiwans Wirtschaftsentwicklung bereits eine Rolle gespielt und erreichte in den sechziger Jahren einen Höhepunkt, als Schmetterlings-Exemplare und Handwerkskunst aus Schmetterlingsflügeln für viele Familien eine wichtige Einkommensquelle waren, besonders in Puli. „Die Exemplare gingen nach Japan und Handwerkskunstgegenstände wie Serviertabletts und Schmetterlingsflügel-Mosaiks in den Westen“, berichtet Yeh A-hua, Inhaberin der Farm in Puli, die den Zoo in Taipeh mit Puppen versorgt.

Yeh sagt, in den sechziger Jahren sei jeder damit beschäftigt gewesen, in ihrer Heimatstadt Schmetterlinge zu fangen und diese an Werkstätten zur Schmetterlingsverarbeitung in der Nähe zu verhökern, besonders an jene, die 1974 zum Muh Sheng Museum of Entomology umgewandelt wurde. Das Museum ist heute noch als Touristenmagnet in Puli in Betrieb. Während der Blütezeit des Gewerbes waren etwa 47 Werkstätten im Geschäft, und Zehntausende von Menschen lebten beruflich von den Insekten.

Wie viele arbeitsintensive Sektoren erfuhr aber das Schmetterlingsgewerbe gleicherweise einen Niedergang, als die Lohnkosten in Taiwan unaufhaltsam stiegen und das Land nicht mehr mit südostasiatischen Ländern konkurrieren konnte, in denen es ebenfalls nennenswerte Schmetterlings-Populationen gibt. Daraufhin beschloss die Farm in Puli vor rund 20 Jahren, die Marschrichtung zu ändern und stattdessen Schmetterlinge zu züchten und Puppen zu exportieren, überwiegend nach London. Doch auch dieses Mal dauerte es nicht lange, bis das Puppen-Exportgeschäft erneut unter den Druck billiger Konkurrenz von Schmetterlingsfarmen in südostasiatischen Ländern geriet. Vor rund zehn Jahren erweiterte Yeh den Umfang ihrer Farm und modernisierte die Einrichtungen, und etwa zur gleichen Zeit wuchs bei den Taiwanern das Interesse an Ökotourismus und Besuchen bei Natur-Ausflugszielen wie Schmetterlingshäusern. Auf diese Weise überlebte ihre Schmetterlingsfarm und ist nun der größte der vier Lieferanten von ausgewachsenen Schmetterlingen und Puppen in Taiwan.

Heute könnte die Aufmerksamkeit, welche Taiwans Schmetterlinge durch staatlich unterstützte Ausstellungen erhalten, zu größeren Puppenexporten in der Zukunft führen. „Momentan lohnen sich die Exporte finanziell kaum, aber ich freue mich, meinen Beitrag dazu zu leisten, Taiwans Image im Ausland zu fördern“, verkündet Yeh. „Die Gewinne würden erheblich sein, wenn wir Bestellungen für große Mengen von Puppen bekommen könnten.“ Die Farminhaberin ist zuversichtlich, dass sie nach jahrelanger Forschung jetzt beim Puppenexport einen eindeutigen Vorsprung vor ihren ausländischen Mitstreitern hat. „Die Wahrscheinlichkeit ist viel höher (vielleicht 90 Prozent), dass Puppen von meiner Farm sich zu ausgewachsenen Schmetterlingen entwickeln“, ergänzt sie.

Dem Nutzen, den die Schmetterlinge der Insel bringen, sind offenbar keine Grenzen gesetzt. Dank einer so großen Vielfalt dieser farbenprächtigen Insekten sollten die Menschen in Taiwan für dieses Geschenk der Natur, das nicht nur die Ökologie der Insel bereichert, sondern auch den Menschen diplomatischen und wirtschaftlichen Lohn beschert, dankbar sein und es beschützen.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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