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Taiwan Today

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01.03.1994
Zu den billigen Arbeitskräften und Landnutzungsrechtenkom­men Sondervergünstigungen, die Taiwans Unternehmer verlocken, ihre Produktion nach Festlandchina zu verlagern.
Taiwanesische Investoren auf dem Festland haben allen Grund zu schlaflosen Nächten. Bei einem Handelsstreit oder im Fall von Enteignungen genießen sie kaum Rechtsschutz.

Von offizieller Seite in Peking wurden kürzlich Pläne zum Erlaß eines Gesetzes, das Investitionen von Firmen aus Taiwan schützen soll, verlautbart. Aber es bleibt zweifelhaft, ob ein solches Gesetz hinreichend wirksame Garantien bieten könnte, um Taiwans Investoren zufriedenzustellen. Der vollständige Text des Gesetzentwurfs liegt zwar noch nicht vor, aber er soll Bestimmungen über Enteignungen und Entschädigungen enthalten - zwei Punkte, deren Klärung zu den Hauptanliegen taiwanesischer Investoren gehört.

Eine dieser Bestimmungen legt fest, daß Taiwan-finanzierte Firmen und ihr Vermögen von Festlandbehörden nicht verstaatlicht werden dürfen. Falls staatliche Behörden taiwanesische Firmen enteignen sollten, hätte das gemäß gesetzlich vorgeschriebener Verfahrensweisen zu geschehen und die betroffenen Investoren müßten für den erlittenen Verlust angemessen entschädigt werden. Aber die Bestimmung sagt weder, wie die Höhe der Entschädigung berechnet, noch wie diese ausbezahlt werden soll. Hiesige Rechtsexperten weisen darauf hin, daß es auf dem Festland keine Gesetze gibt, die konkrete Verfahrensvorschriften für die Entschädigung von taiwanesischen Investoren in solchen Fällen enthielten.

Der Gesetzentwurf enthält auch Bestimmungen zur Beilegung eines Handelsstreits, aber er legt fest, daß bei einem solchen Disput Schlichter nur auf dem Festland oder in Hongkong vermitteln können. Investoren aus Taiwan kritisieren diese Regelung als uneinsichtig. Sie glauben, daß ihre Interessen nur geschützt werden können, wenn Dispute von dritter Seite, wie z.B. Singapur, beigelegt werden.

Die neue Gesetzgebung soll die 22-Punkte-Direktive ersetzen, die 1988 vom Pekinger Staatsrat erlassen wurde, um Investitionen durch Firmen aus Taiwan zu ermutigen und zu dirigieren. Regierungsbeamte in Peking äußerten sich dahingehend, daß die Entscheidung zum Erlaß des Gesetzes als Antwort auf das Verlangen taiwanesischer Investoren nach besserem Rechtsschutz zu verstehen sei.

Taiwans Investoren haben sich wiederholt darüber beklagt, daß die Behörden in Peking zu wenig tun, um ihre Interessen zu schützen. Sie werfen der 22-Punkte-Direktive vor, ihnen nicht genügend Rechtsschutz zu bieten. Zudem ist diese Direktive als Verwaltungsanordnung weniger bindend als ein Gesetz, d.h. Investoren haben kaum Garantien, ihr Recht einklagen zu können.

Da immer mehr hiesige Firmen in Festlandchina investieren, hat Taiwan allen Grund, angemessenen Rechtsschutz für seine Investitionen zu fordern. Bis heute haben schätzungsweise zehn- bis fünfzehntausend taiwanesische Firmen Produktionsstätten auf dem Festland aufgebaut, mit einem Gesamtanlagekapital von wahrscheinlich mehr als zehn Milliarden US$.

Mit der schnell wachsenden Zahl taiwanesischer Investitionen auf dem Festland häufen sich auch die Konflikte. In den letzten zwei Jahren gab es immer mehr Fälle, in denen taiwanesische Investoren und ihr Vermögen bedroht wurden. Viele fürchten auch Konfiskation ihres Investitionskapitals oder andere ernsthafte Operationsprobleme, wenn der Tod des 89jährigen Deng Xiaoping größere politische Veränderungen mit sich bringen sollte.

Was Taipei und seine Investoren von Peking wollen, ist jedoch nicht nur ein neues Investitionsschutzgesetz. Ein solches Gesetz würde zwar mehr Schutz als eine Verwaltungsanordnung bieten; aber auch ein Investitionsgesetz könnte nur so gut sein wie irgendein anderes Gesetz des Festlandes. Es könnte unmöglich denselben bindenden Charakter wie bilaterale Investitionsgarantien haben. Das ist der Grund, warum es für Länder mit Investitionen im Ausland notwendig wurde, von den dortigen Regierungen die Unterzeichnung von Sicherheitsgarantien zu verlangen.

Tatsächlich hat Festlandchina seit den frühen achtziger Jahren, als Peking realisierte, daß es mehr Rechtssicherheit bieten mußte, um das Vertrauen ausländischer Investoren zu gewinnen, mit über vierzig Ländern bilaterale Investitionsverträge unterzeichnet. Die maßgeblichen Autoritäten in Peking sind sich zwar sicherlich seit geraumer Zeit des beharrlichen Wunsches Taiwans nach Investitionsabkommen bewußt, aber aus einer Reihe von Gründen haben sie ihm bisher nicht entsprochen. Hauptsächlich deshalb, weil es Investitionsabkommen, so wie andere bilaterale Verträge auch, nur zwischen Ländern geben kann. Wenn Peking einen Vertrag mit Taiwan unterzeichnen würde, käme das einer Behandlung der Insel als einer Nation oder einer souveränen politischen Entität gleich - was Pekings Standpunkt zuwiderliefe.

Ein weiterer wichtiger Grund für die Abneigung des Festlandes, eine solche Vereinbarung mit Taiwan zu treffen, liegt in den politisch motivierten Beschränkungen, mit denen die Regierung in Taipei einen Investitionsaustausch zwischen beiden Seiten belegt. Taiwanesische Firmen können auf dem Festland nur indirekt über Drittländer investieren, was die meisten über Hongkong getan haben. Zudem verbietet Taiwan Investitionen vom Festland. Es ist keine Firma des Festlandes bekannt, die in Taiwan investiert hätte. Offizielle Stellen des Festlandes haben kürzlich verlauten lassen, daß sie einen Investitionsvertrag nur unter der Bedingung erwägen, daß Taiwan alle Restriktionen über Bord wirft und einen freien Investitionsaustausch erlaubt, um die ökonomischen Beziehungen sich in einer für beide Seiten vorteilhaften Weise entwickeln zu lassen.

In politischer Hinsicht hat sich Taipei bisher geweigert, offizielle Kontakte mit Peking zu haben, da man dort Taiwans Führung hartnäckig als untergeordnete Regierung behandelt. Solange diese "Kein-Kontakt-Politik" besteht, wird es für Taipei schwierig sein, irgendwelche Zugeständnisse von Peking über Investitionsschutz oder andere wichtige Themen zu erhalten. Aber auch ökonomisch kann Taiwan Pekings Weigerung, angemessene Garantien zu gewähren, nicht vergelten, indem es seine Firmen von Investitionen in Festlandchina abhielte. Die Erfahrung hat gezeigt, daß Regierungsauflagen wenig Wirkung hatten, wenn es darum ging, hiesige Investoren vom Festland fernzuhalten.

Ökonomische Sanktionen können Peking nicht schrecken. Die kommunistischen Führer wissen sehr gut, daß taiwanesische Firmen von den niedrigen Produktionskosten und dem Marktpotential des Festlandes angezogen werden, und daß sie auch weiterhin, mit oder ohne Garantien, dort investieren werden. Eine kürzlich von der Regierung veranlaßte Untersuchung zeigte, daß 72 Prozent der taiwanesischen Firmen, die in den nächsten zwei Jahren im Ausland investieren wollen, weiterhin Festlandchina als Zielgebiet bevorzugen.

(Deutsch von Christian Unverzagt)

*Genehmigter Nachdruck aus dem Wirtschaftsmagazin "Business Taiwan", 25.-31. Oktober 1993

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