Bewegliche Feiertage und besondere Festlichkeiten wetteifern mit Taiwans natürlicher Schönheit um die Gunst von Touristen.
Taiwan ist mit einer atemberaubenden Naturschönheit gesegnet, und berühmte Landschaften wie der Sonne-Mond-See und die Tarokoschlucht üben große Anziehungskraft auf die einheimischen Touristen aus. Die Natur erhält inzwischen jedoch ein wenig Konkurrenz von einer wachsenden Zahl von Festen und Feierlichkeiten aller Art. Behörden sowohl von der Zentralregierung als auch von Lokalverwaltungen loben Inlandstourismus als Mittel zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftsentwicklung. Wie sich zeigt, verdienen manche Feste das Trara, das um sie gemacht wird, andere dagegen nicht.
Eine der coolsten Methoden, sich in Taiwans feuchtheißen Sommern abzukühlen, ist ein Besuch beim Internationalen Kinderfolklore- und Volksspielfest in Ilan, das im Wasserpark am Ufer des Dongshan-Flusses stattfindet und die Hitze der Sonne mit einem Springbrunnen-Irrgarten und anderen feuchtfröhlichen Vergnügungen mildert.
Am Nachmittag, wenn die Temperaturen angenehmer sind, stehen oft Vorstellungen auf dem Programm. Im letzten Sommer traten 30 Ensembles aus über 20 Ländern von Brasilien bis Bulgarien vor einheimischen Schaustellern und den Besuchern des Festes auf. Natürlich wäre es kein Volksspielfest, wenn nicht auch Spielzeughersteller aus der ganzen Welt ihre Produkte vorführten.
Das Fest fand erstmals im Jahre 1996 als Teil einer Serie von Veranstaltungen zur Feier des 200-jährigen Bestehens des Landkreises Ilan statt. Die warme Resonanz von fast 200 000 Besuchern ermunterte die Kreisverwaltung zur Ausweitung des Festes, das außerdem nun jedes Jahr stattfindet. Jedes Jahr kommen zwischen 500 000 und 900 000 Touristen, und das von ihnen ausgegebene Geld ist für die Menschen in Ilan ein enormer Segen.
Laut einer Studie von Wu Tsung-chiung, Professor am Graduierteninstitut für Freizeit, Erholung und Tourismusmanagement der National Chiayi University, und Pan Chih-min, Professor an der Abteilung für Angewandte Wirtschaft dieser Hochschule, über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Festes seit der ersten Ausrichtung geben von außerhalb Ilans kommende Touristen im Laufe des eineinhalbmonatigen Fests über 500 Millionen NT$ (12,5 Millionen Euro) aus -- das entspricht einem Verdienst von 5 NT$ für jeden investierten NT$. Gastronomische Betriebe, Hotels und Transportdienste verdienen dabei am meisten. Zusätzlich zu diesen phänomenalen Einkünften schafft das Fest im Kreis Ilan über 700 Arbeitsplätze.
Eine andere von der Kreisverwaltung durchgeführte Fremdenverkehrsstudie zeigt, dass 80 Prozent der Besucher von außerhalb Ilans kommen, und rund drei Viertel von ihnen waren mit dem Ausflug zufrieden und wollten auch wieder kommen. Kreisvorsteher Liu Shou-cheng(劉守成) weist darauf hin, dass Tourismus, Kultur und Umweltschutz seit langem die Grundlage für Ilans Entwicklung bilden. "Das Folklorefestival und auch andere Feste hier nutzen auf der Grundlage dieser drei Konzepte die lokalen Ressourcen optimal aus", versichert er. "Solche Feste sind nicht nur wirtschaftlich lohnend, sondern tragen auch dazu bei, für die beteiligten Orte und Anwohner eine einzigartige Identität zu schaffen."
Die Studie zeigt zudem, dass über 90 Prozent der Touristen sich gerade durch das Folklorefest von Ilan eingenommen fühlen. Für andere Lokalverwaltungen in Taiwan liegt auf der Hand, dass Feste und Veranstaltungen Touristen anlocken sowie die lokale Entwicklung und das Image eines Ortes fördern. So wurde in kürzester Zeit die Ausrichtung von Festen und Veranstaltungen eine übliche Marketingstrategie für Lokalverwaltungen im ganzen Land.
Die Zentralregierung hat ebenfalls Fremdenverkehr zu einem Schlüsselgewerbe erklärt, das sie entwickeln möchte. Der Aktionsplan für Taiwans Tourismusentwicklung im 21. Jahrhundert nennt Feste und besondere Veranstaltungen als wirksame Mittel für die Tourismusförderung. Seit 2001 hat das Tourismusamt, das mit Lokalkultur auffallende Touristenattraktionen schaffen will, 12 typische taiwanische Feste aus unterschiedlichen Gegenden der Insel für intensive Werbung ausgewählt.
Von Grund auf
Im vergangenen Jahr, das in Taiwan zum Tourismusjahr erklärt worden war, wurde die Liste auf 20 Kategorien einzigartiger Feste und besonderer Ereignisse erweitert, etwa religiöse Feste wie das Internationale Matsufest im Landkreis Taichung, landwirtschaftliche Feste wie die Blumenschau in Hsichou (Landkreis Changhua) und künstlerische Feste wie das Holzschnitz-Festival in Sanyi (Landkreis Miaoli). Manche der Feste sind neu, aber die meisten sind traditionelle Feste, die in lokalen Sitten und Gebräuchen oder religiösen Glaubensvorstellungen verwurzelt sind.
Der Landkreis Pingtung war lange wenig mehr als ein Zwischenstopp auf der Fahrt zu den Strandferienorten an der Südspitze Taiwans. Doch seit 2001 hat das Blauflossen-Thunfischkulturfest in der Gemeinde Donggang den relativ unentwickelten Landkreis in ein blühendes Touristenziel verwandelt. Als Hung Wan-lung, Rektor der Internationalen I-Shou-Schule, noch als Direktor des Kulturamtes der Kreisverwaltung Pingtung fungierte, war er der Hauptplaner des Festes. Nach seinen Ausführungen exportierte Donggang vier Fünftel seines Blauflossen-Fangs nach Japan, wo die Ware als Rolls-Royce roher Meeresfrüchte galt. Japans wirtschaftlicher Niedergang hatte jedoch einen jähen Rückgang der Nachfrage zur Folge. "Die Taiwaner lieben Meeresfrüchte, doch viele kannten Blauflossen-Thunfisch nicht, da er im Inland kaum angeboten wurde", verrät Hung. "Wenn wir den Thunfisch in Japan nicht verkaufen können oder dort nicht den gewünschten Preis erzielen, warum sollte man dann nicht hier dafür werben?"
Mit großangelegter Berichterstattung in den Medien -- wobei etwa Staatspräsident Chen Shui-bian jedes Jahr bei der Eröffnungszeremonie Thunfisch aß, durch die Gegend wuchtete oder versteigerte -- wurde das Fest zu einem kolossalen Erfolg. Es bringt Donggang zwischen Mai und Juni über 15 Millionen NT$ (375 000 Euro) ein. Die Steuereinkünfte des Kreises sind wegen des guten Geschäfts gleichfalls gestiegen. Außerdem ist Blauflossen-Thunfisch bei den einheimischen Feinschmeckern so beliebt geworden, dass Donggang ein Fisch-Liefergewerbe für all diejenigen entwickelt hat, die bei dem Fest nicht selbst dabei sein können.
Im Mittelpunkt des Festes steht zweifellos der Fisch. Während Japans kultureller Einfluss auf Taiwan an der Beliebtheit von Sashimi abzulesen ist, versuchen Donggangs Chefköche und Fünfsterne-Hotels im ganzen Land einander mit kreativen Rezepten zu übertreffen.
"Das Fest hat seinen Ursprung in der Fischereikultur von Donggang, doch das Ziel besteht nicht so sehr darin, nur Meeresfrüchte zu verkaufen, als vielmehr Pingtungs Fremdenverkehr allgemein zu fördern", sinniert Hung. Um dieses Ziel zu erreichen, bietet die Kreisverwaltung ein-, zwei- und dreitägige Pauschalreisen an. Touristen essen ihr Thunfischgericht abends in Donggang und verbringen den Rest der Reise an schönen Stellen des Kreises wie dem kristallklaren Wasser der Dapeng-Bucht oder dem wolkenverhangenen Urwald von Maulin.
Zwar hat das Thunfischfest einem kleinen Küstennest Glück gebracht, doch für den Thunfischbestand könnte es ein Unglück bedeuten. "Dies ist der letzte Goldrausch auf Erden", warnt Barbara Block, Professorin für Meereswissenschaften in der Hopkins-Meeresstation der Stanford University in Pacific Grove, Kalifornien (USA). Gemeinsam mit acht Ko-Autoren veröffentlichte Block einen Artikel in der Ausgabe vom 27. April 2005 des Wissenschaftsmagazins Nature, in dem sie auf die Gefahren für die Blauflossen-Thunfische durch Überfischung hinwies und Schritte zur Rettung des schrumpfenden Bestandes empfahl.
Obwohl ihre Forschung auf dem atlantischen Blauflossen-Thunfisch basiert, ist es nicht unvernünftig, ihre Erkenntnisse auf den Pazifik zu übertragen, wo es sowohl Bestände als auch Fischerei in ähnlichem Umfang gibt, eine Regulierung dagegen nicht vorhanden ist oder gerade erst entsteht. Quellen im Fischereiverband Donggang machen auf ähnliche Risiken im Pazifik aufmerksam -- ihr Fang verringerte sich von 5900 Fischen im Jahre 2004 dramatisch auf 4600 in diesem Jahr.
Die zwei Monate im Jahr, in denen Thunfisch gefangen wird, reichen nicht aus, um durchreisende Feinschmecker zu länger bleibenden Touristen zu machen. Um auch Touristen anzulocken, die sich nicht nur für Thunfisch interessieren, hat die Kreisverwaltung mehrere andere Feste organisiert. Für das Halbinsel-Kunstfest, das seinen Namen der Halbinsel Hengchun an Taiwans Südspitze verdankt, bietet die Kreisverwaltung Künstlern aus aller Welt freie Flüge und Unterbringung. Während ihres Aufenthaltes müssen die Künstler zwei Werke schaffen, die mit Pingtung zu tun haben oder von Pingtung inspiriert wurden, und sie dürfen die Arbeiten bei der Abreise mitnehmen. "Wir wollen Pingtung mit diesem Fest bekannt machen", verkündet Hung. "Wenn manche der Gastkünstler berühmt werden und ihre Werke von vielen Menschen bewundert werden, dann wird auch Pingtung bekannt werden."

Zum Geisterfest in Toucheng (Landkreis Ilan) gehört auch ein Wettbewerb, bei dem die Teilnehmer Bambuspfähle hinaufklettern müssen, die zuvor mit glitschigem Öl eingerieben wurden.
Herbeigelockt durch Glockenspiel
Ein anderes Festival außerhalb der Saison ist das Windglockenspielfest, das im Januar und Februar in mehreren Städten auf der ganzen Hengchun-Halbinsel stattfindet. Das Ereignis macht sich die steife Brise zu Nutze, die vom Meer landeinwärts oder von den Bergen hinabweht und den Windglockenspielen liebliches Läuten entlockt. Während des Festes stehen Tanz und die Musik der Windglockenspiele auf dem Programm, und wenn Gäste ihre eigenen Windglockenspiele mitbringen, können sie für die Hotelzimmerrechnung Preisnachlass bekommen. 2002 wurde das Ereignis vom Tourismusamt zu einem der 12 zu fördernden größeren Kulturfeste bestimmt, doch anscheinend hat das Interesse an Windglockenspielen nachgelassen, denn die Besucherzahlen sanken von 120 000 im Jahre 2000 auf 65 000 in diesem Jahr. Zwar bemerkt Hsu Fen-chun, Direktor des Kreiskulturamtes, dass einige Touristen vielleicht zu den anderen Dutzend Festen fortgelockt werden, die zur gleichen Zeit in Südtaiwan stattfinden, doch er gibt auch zu, die fehlende Unterstützung durch die Anwohner sei darauf zurückzuführen, dass vielen von ihnen der Klang der Windglockenspiele auf die Nerven geht.
Das Geläut des Windglockenspielfestes hebt fraglos die Bedeutung der Unterstützung vor Ort hervor. Die Grüne Expo Ilan, eine große Schau örtlicher Pflanzen und landwirtschaftlicher Produkte, die seit dem Jahr 2000 alljährlich im Frühling veranstaltet wird, ist wiederum ein Erfolg mit starker lokaler Unterstützung und zudem eines drei der gewinnträchtigsten Feste in Taiwan. (Die anderen beiden sind das Internationale Kinderfolklore- und Volksspielfest und das Blauflossen-Thunfischkulturfest.) "Das aus der Expo entstehende Geschäft ist nur einer von mehreren Gründen, weswegen es von den Anwohnern unterstützt wird", weiß Liu Shou-cheng. "Wirklichen Rückhalt der Menschen in Ilan bekommt das Fest wegen des Schwerpunktes auf Umweltschutz."
Sowohl bei Besucherzahlen als auch bei Profit gibt es zahlreiche Erfolgsstorys über Feste und Ereignisse zur Förderung des Fremdenverkehrs. Die erzeugten Einkünfte können der lokalen Wirtschaft eine große Hilfe sein, doch man kann darüber streiten, ob sie viel zur Volkswirtschaft beitragen.
Statistiken des Tourismusamtes zeigen, dass die Taiwaner im Jahre 2004 über 131 Millionen Inlandsreisen unternahmen, während es über 2,9 Millionen Besucher aus dem Ausland gab. Angaben über die Gründe der internationalen Reisen liegen nicht vor, aber man hofft, dass schätzungsweise 30 bis 40 Prozent davon Touristenreisen waren.
Während das Spektakel um den Inlandstourismus in der lautstarken Werbung eines neuen, sich entwickelnden Gewerbes eine gesunde Grundlage hat, hat Chen Sih-lun, Professor an der Tourismusabteilung der Shih Hsin University in Taipeh, eine sehr viel schärfere Sichtweise des Phänomens. Seiner Überzeugung nach könnte das Gewerbe in der Tat Geschäftsmöglichkeiten im Wert von Hunderten Milliarden NT$ hervorbringen, und dieses Gewerbe würde auch nicht ins Ausland verlegt wie die herstellenden Gewerbe. "Das Problem besteht darin, dass die meisten Ausgaben von taiwanischen Touristen kommen, die ihr Geld entweder für Reisen oder eben für etwas Anderes ausgeben", analysiert er. "Es ist mehr eine Ausgabenverlagerung von einen Bereich auf den anderen und nicht so sehr eine Zunahme des allgemeinen Konsums im Land."
Ob also die stattliche 6,8-prozentige Zunahme bei den Tourismuseinkünften des Jahres 2004 einen Rückgang in einem anderen Sektor oder aber eine wachsende Wirtschaft bedeutet, ist noch unklar. Landschaftlich schöne Stellen sind immer noch die beliebtesten taiwanischen Ausflugsziele, doch es hat den Anschein, dass es für gut konzipierte Feste und Kulturveranstaltungen noch Raum gibt, die Freigiebigkeit der Natur mit Substanz zu versehen.
(Deutsch von Tilman Aretz)
Taiwans Fremdenverkehrsbüro in Frankfurt
Bei der Förderung von Tourismus spielen Werbung und Information eine außerordentlich wichtige Rolle. Diese beiden Aufgaben übernimmt im deutschsprachigen Raum das 1972 gegründete Taipeh-Tourismusbüro in Frankfurt am Main, die einzige Vertretung des taiwanischen Tourismusamtes in Europa.
Um mehr Touristen nach Taiwan zu locken, sind die Mitarbeiter der Büros unter anderem auf Fach- und Konsumentenmessen präsent und nehmen an Roadshows teil. Außerdem werden Seminare und Workshops meist zur Schulung von Reisebüroangestellten veranstaltet sowie Pressereisen organisiert, um Taiwan deutschen Journalisten vorzustellen und das Land in die Reiserubriken von Magazinen und Tageszeitungen zu bekommen.
Trotz der zahlreichen Attraktionen in Taiwan ist der Wert des Landes als Urlaubsziel offenbar vielen deutschen Bundesbürgern noch nicht bewusst. 2004 reisten über 37 000 Deutsche nach Taiwan, davon gut 24 000 Geschäftsreisende. Entsprechend wird bei vielen Anfragen im Frankfurter Tourismusbüro um Informationen über lohnenswerte Ausflugsziele in und um Taipeh gebeten, da viele Gäste nur einen Stopover einlegen.
Insgesamt interessieren sich die meisten Kunden für Reiseinformationen über Taiwan, weil es im deutschsprachigen Raum nur wenige Reiseführer über Taiwan gibt. Es werden auch Auskünfte über Unterkünfte, Zug- und Flugverbindungen oder Einreisebestimmungen erteilt, und häufig wenden sich Reisebüros mit der Bitte um Dekorationsmaterial an das Taipeh-Tourismusbüro.
Eine Fülle von Informationen findet man auf der deutschsprachigen Website des Büros. Neben landeskundlichen Informationen (Geografie, Klima, Bevölkerung, Geschichte, Kultur und Religion und vieles mehr) gibt es zahlreiche praktische Hinweise zu Reisezielen, Einreisebestimmungen und Visastellen, Reiseveranstaltern, Verhaltenstipps usw. Die Homepage ist sehr übersichtlich gestaltet und klärt den Besucher über alles Wichtige auf, was man vor Reiseantritt wissen muss.
Taipeh-Tourismusbüro (Taipei Tourism Office)
Rheinstraße 29, 60325 Frankfurt/Main
Tel. 069/61 07 43, Fax 069/62 45 18
Homepage deutsch:
http://www.taiwantourismus.de
Touristeninformationen in englischer
Sprache: http://www.taiwan.net.tw
Touristeninformationen in französischer
Sprache: http://www.taiwantourisme.com