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Taiwan Today

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Die Früchte des Außenhandels

28.12.2006
60 Tage bevor die Trauben reif sind, müssen die Bauern das Obst in Schutzhüllen gegen chemische Verunreinigungen verpacken.

Die Regierung und die Bauern arbeiten Hand in Hand, um für hochwertiges taiwanisches Obst, das relativ teuer ist, eine Feinschmecker-Nische zu finden.

Wenige Taiwaner haben jemals von Baimaotai in Zentraltaiwan gehört, einer zerklüfteten Berggegend 700 Meter über dem Meeresspiegel, doch japanischen Feinschmeckern ist der Name der Gegend wohlbekannt. Ursache des Ruhmes an fernen Gestaden sind die hochgeschätzten Kyoho-Weintrauben. Die Höhenlage von Baimaotai(白毛台), die heißen, sonnigen Tage und die relativ kühlen Nächte sind ideal für die Produktion der Früchte mit ihrem dunklen Lila und der feinen Textur, die zwei Mal im Jahr geerntet werden.

"Die Baimaotai-Weintrauben haben ein süß-saures Aroma, genau nach dem japanischen Geschmack", behauptet Chang Kuo-hsing, Inhaber eines Weingartens in Baimaotai. "Japan importiert unsere Weintrauben seit einer Weile. Japanische Bauern pflanzen ebenfalls Weintrauben an, können aber nur ein Mal im Jahr ernten, deswegen können unsere Weintrauben den Kyoho-Hunger der Japaner im Winter stillen."

Im Gegensatz zum gebirgigen Baimaotai befindet sich Guanmiao(關廟) im südtaiwanischen Flachland und hat das ganze Jahr über ein heißes subtropisches Klima. Dank des Bodens und der Temperatur eignet der Ort sich bestens für den Anbau von Ananas. Wenn der Februar naht, sind Tausende Tonnen von Ananas, die mit teurem importierten biologischen Kalk gedüngt wurden, zur Ernte bereit.

"Etwa 70 Prozent meiner Ananas werden nach Japan exportiert", berichtet Kuo Chung, Produktions- und Verkaufsleiter in Guanmiao. "Die Japaner lieben den einzigartigen süßen Geschmack von Ananas aus Taiwan. Außerdem sind Ananas aus Guanmiao bis zu 17 Tage haltbar, viel länger als die 10 Tage von Früchten aus den Philippinen."

Taiwan hat sich bei Elektronik weltweit einen Namen gemacht, aber kaum jemand bringt Taiwan mit Obstanbau im großen Stil in Verbindung. Doch wegen seines Klimas und der Topografie eignet Taiwan sich besonders gut für den Anbau einer bemerkenswerten Vielfalt von Früchten, von tropischen Ananas, Mangos und Papayas zu Obst gemäßigter Klimazonen wie Birnen und Erdbeeren. Übers ganze Jahr werden auf Taiwan mehr als 30 Obstsorten gezogen.

Ein Gewerbe im Niedergang

In Wirklichkeit war Taiwan schon ein wichtiger Obsterzeuger, lange bevor das Land zum Digital-Riesen wurde, und viele Menschen der älteren Generationen erinnern sich an die goldene Zeit des "Königreichs der Früchte". Doch der Umfang des Obstgewerbes hat sich im Laufe der Jahre deutlich verringert, und in den letzten zehn Jahren haben sich die Exporte auf rund 68 000 Tonnen im vergangenen Jahr halbiert. Obstexporte richten sich heute an eine spezialisiertere Kundschaft, entweder solche, die umweltfreundlichere und gesündere Produkte suchen, oder Kunden, die bereit sind, für hervorragendes Aroma entsprechend mehr zu bezahlen.

In den siebziger Jahren waren Taiwans Bananen eine der Haupteinnahmequellen im Export und brachten 9,54 Prozent der gesamten Exporteinkünfte ein. Gleichzeitig erreichten auch die Ananasexporte einen Höhepunkt, während der Blütezeit des Gewerbes wurden täglich rund 300 Tonnen frische Früchte und Ananaskonserven aus Taiwan verschifft.

Als sich Taiwans Wirtschaft in den sechziger und siebziger Jahren von Landwirtschaft auf die Herstellung leichtindustrieller Produkte umstellte, in den siebziger und achtziger Jahren auf Schwerindustrie und Chemie und dann in den achtziger und neunziger Jahren auf Hightech, schmälerten die steigenden Lohnkosten die Gewinnträchtigkeit des landwirtschaftlichen Sektors, während andere Länder Taiwans internationalen Marktanteil verringerten.

Obstanbau wurde auch durch zwei andere Faktoren beeinträchtigt. Einer ist die Öffnung von Taiwans früher geschütztem Markt für landwirtschaftliche Produkte infolge der Aufnahme des Landes in die Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) 2002, die zu einem erheblich stärkeren Wettbewerb führte. Der zweite Faktor ist die Neigung taiwanischer Bauern zur Nachahmung, bei der Bauern das Produkt anbauen, das im Vorjahr den meisten Gewinn brachte. Die Folge ist eine jährliche Übersättigung und stürzende Preise bei den Produkten, die im Vorjahr gut liefen, und die Bauern, die mehr anbauen, verlieren am Ende mehr.

"Manchmal lohnt sich der Anbau von Ananas", urteilt Kuo. "Doch wenn die Verkaufszahlen stagnieren, wird es eine unerträgliche Quälerei. Ich muss mich auf den Export konzentrieren, weil ich mich um die überschüssige Produktion kümmern muss." Wenn Chang bei Weintrauben mit einem zu niedrigen Marktpreis konfrontiert ist, muss er nach Märkten mit einer höheren Konsumkapazität suchen.

In den zwei Jahren nach Taiwans WTO-Beitritt verzeichnete man bei den Obstexporten eine 42-prozentige Steigerung im Vergleich zum Vorjahr. Danach formulierte die Regierung eine Politik zur strategischen Förderung der Exporte von landwirtschaftlichen Produkten.

"Mein Gedanke ist der, dass wir uns mit unseren guten Sachen präsentieren sollten", rät Chen Wen-deh, Generaldirektor der Abteilung für Internationale Angelegenheiten im Landwirtschaftsrat (Council of Agriculture, COA). "Wettbewerb ist wichtig, da er die anhaltende Entwicklung des landwirtschaftlichen Gewerbes ermöglicht. Wir können nicht einfach dasitzen und zusehen, wie andere Länder sich den gesamten Markt sichern. Wir sollten unsere ursprünglichen oder erworbenen Vorteile ins Spiel bringen. Am Ende wird Konkurrenz die Qualität unseres landwirtschaftlichen Gewerbes erhöhen."

Eine Nische finden

Taiwans Obstgewerbe muss in dieser Hinsicht eine Pionierrolle übernehmen. Durch das relativ hohe Lohnniveau im Land ist arbeitsintensive Obsterzeugung sehr kostspielig. Wenn Taiwan nur über den Preis allein gegenüber der Konkurrenz nicht mithalten kann, dann muss der landwirtschaftliche Sektor ebenso wie der Herstellungsbereich einen Entwicklungsplan aufstellen, mit dem höherwertige Produkte erzeugt und eine Strategie zu ihrer Vermarktung aufgestellt werden können. Taiwan muss seine Erzeugnisse eher auf der Grundlage von Qualität und Gesundheitsbewusstsein vermarkten als auf der Grundlage eines günstigen Preises. Außerdem können Versuche, überschüssiges Obst ohne ausreichende Kenntnisse der Einfuhrbeschränkungen verschiedener Regierungen zu exportieren, scheitern und sogar dem Ruf des Landes schaden. Ein Beispiel dafür ist die jüngste Ablehnung einer Ladung taiwanischer Bananen durch Japan, nachdem festgestellt worden war, dass sie höhere Werte chemischer Rückstände aufwiesen als in japanischen Bestimmungen erlaubt.

Um Bauern zu helfen, das erforderliche Wissen zu erwerben und ihre Techniken zu verfeinern, damit sie vermarktbare Früchte anbauen können, hat der COA mehrere "Obstgärten für die Produktion von hochwertigem Obst" (Quality Fruit Production Orchards, QFPO) angelegt, wo man sich auf den Anbau von 12 hochgradig wettbewerbsfähigen Obstsorten konzentriert, darunter Lychees, Bananen, Mangos, Sternfrüchte und Mandarinen. Die beteiligten Bauern müssen sich an die Bestimmungen des COA über Schädlingskontrolle, technische Schulung sowie den Aufbau von Produktions- und Vertriebssystemen halten.

Die Früchte des Außenhandels

In Taiwan werden mehr Sorten von Wassermelonen angebaut als in sonsteinem Land der Erde.

Changs Weingärten und Kuos Ananasplantagen gehören zu den Farmen mit staatlichem Zertifikat, die gemäß ethischen landwirtschaftlichen Praktiken betrieben werden. Bevor sie ins QFPO-Programm des COA aufgenommen wurden, hatten sie sich durch ihren Schwerpunkt auf Qualitätskontrolle ausgezeichnet. "Meine Produktionskosten sind hoch, aber mein Obst ist gesünder und weniger von chemischen Schadstoffen belastet", prahlt Chang, während er vor vier Kameras steht, die eigens installiert wurden, damit Verbraucher online rund um die Uhr live die Vorgänge im Obstgarten beobachten können. "Meine Weintrauben haben acht Jahre hintereinander die strengen Rückstandsprüfungs-Standards der japanischen Regierung erfüllt. Heute wende ich mich mit meinen Obstgärten an Konsumenten des gehobenen Marktes."

Außerdem bietet die Regierung als zusätzlichen Anreiz zur Steigerung der Produktqualität qualifizierten Bauern Beistand, ein ISO 9001-Zertifikat zu bekommen. "Nachdem Changs Weingarten ein ISO 9001-Zertifikat erworben hat, sind wir zuversichtlich, dass er im kommenden Jahr auch ein Zertifikat von EuropGAP bekommen wird, dem europäischen landwirtschaftlichen Bewertungssystem", prophezeit Liu Fang-mei, ein Techniker im COA. Liu besucht regelmäßig Changs Obstgarten und inspiziert alle Aspekte der Obstproduktion.

Der Herkunft auf den Grund gehen

Als Reaktion auf Verbraucherschutz-Maßnahmen, wie sie in Europa, Japan und den USA praktiziert werden, fördert der COA seit 2004 ein Programm "vom Acker auf den Esstisch", mit dem ein System geschaffen werden soll, durch das die Verbraucher den genauen Herkunftsort landwirtschaftlicher Produkte ermitteln, ihren Vermarktungsweg zurückverfolgen und Informationen über ihre Eigenschaften bekommen können. Bis 2015 soll das System voll in Betrieb sein.

"Wir versuchen nicht beim Preis konkurrenzfähig zu sein", versichert Tony Hung, geschäftsführender Direktor der Abteilung für strategisches Marketing im Außenhandel-Entwicklungsrat Taiwan (Taiwan External Trade Development Council, TAITRA). "Wir werben für gesundes, hochwertiges Obst, das auf das obere Ende des Marktes abzielt."

TAITRA wurde im Jahre 2004 vom COA beauftragt, eine Reihe von Werbekampagnen für Taiwans landwirtschaftliche Produkte im Ausland zu ersinnen. TAITRA hat aktiv an mehreren internationalen Nahrungsmittelmessen teilgenommen, mehr Einzelhandels-Verkaufsmöglichkeiten im Ausland gefunden und kommerzielle Reklame lanciert.

Im Juni 2006 unternahm ein Flugzeug, dessen Rumpf mit Bildern von taiwanischem Obst lackiert war, unter der Schirmherrschaft der China Airlines seinen Jungfernflug nach Japan. Trotz der Auffälligkeit der Werbekampagne konnte der COA laut Tsai Chuen-ying, einem Beamten im COA, die Kosten der Werbung für landwirtschaftliche Produkte auf 50 Millionen NT$ (1,19 Millionen Euro) begrenzen.

Die Anstrengungen des COA haben sich ausgezahlt. Im Dezember 2004 fanden Taiwans Papayas endlich Zugang zum japanischen Markt. 2005 wurden taiwanische Mangos auf dem Markt von Neuseeland zugelassen, und taiwanisches Obst wird auch in zahlreichen anderen Ländern verkauft, etwa Kanada, Mexiko und den Niederlanden. Im Jahre 2005 summierte sich der Gesamtwert von Taiwans exportiertem Obst auf 83 Millionen US$.

Zwar sind Taiwans Früchte mit ihren stattlichen Preisen in Japan sehr beliebt, für andere Länder sind sie noch zu teuer. "Der Stückpreis von taiwanischen Früchten ist zu hoch", sinniert Chiu Hung-pin, Vizepräsident von Lytone Enterprise Ltd. "Es war relativ schwer für uns, in den europäischen Markt hineinzukommen. Der japanische Markt ist dagegen eine etwas andere Geschichte. Die Japaner sind eher bereit, für hochwertige Lebensmittel mehr auszugeben."

Chiu fährt fort: "Wir werden aber nicht aufgeben. Wir werden auf Märkte in Europa und Nahost expandieren. Taiwans Obst erscheint teuer, weil die Verbraucher nichts über seinen Wert und das Drumherum wissen. Die Regierung kann eine entscheidende Rolle dabei spielen, das Verständnis der Verbraucher zu erleichtern. In Japan hat sie dabei hervorragende Arbeit geleistet."

Wachsam gegenüber China

Tony Hung von der TAITRA meint, dass man für erfolgreiches Marketing alle wichtigen Elemente wie Logo, Markenname und Verpackung sorgfältig gestalten muss. Viel vom gegenwärtigen Material ist indes verbesserungsbedürftig, und die Bauernverbände oder Exporteure sind dazu nicht wirklich in der Lage. Kuo Chung räumt ein, dass er über Aufbau von Markennamen nur wenig weiß. "Für sowas habe ich keine Zeit! Ich brauche meine ganze Energie zum Managen von Obstgärten."

Ein weiterer wichtiger Faktor für erfolgreiche Vermarktung im Ausland ist die langfristige Stetigkeit und Zuverlässigkeit der Lieferungen. Doch wenn in Taiwan unerwartete Engpässe die Preise in die Höhe treiben, beispielsweise nach einem Taifun, halten viele Bauern ihre Verträge mit Exporteuren nicht ein, und diese mangelnde Zuverlässigkeit ist zu einem ernsten Stolperstein geworden.

Laut Huang Mei-hua, Direktorin der Feldfrucht-Produktionsabteilung in der Landwirtschafts- und Nahrungsmittelbehörde, werden zur Zeit nur 5 Prozent von Taiwans gesamter Obsterzeugung exportiert. "Für die Obstexporte gibt es noch viel Wachstumsspielraum", glaubt sie und fügt hinzu, dass die aktuellen Exportmärkte zu sehr auf Japan, die USA und Hongkong konzentriert sind. "Hoffentlich können wir das aber streuen, wenn wir bei der Verlängerung der Haltbarkeit und besseren Transporttechniken technologische Durchbrüche erzielen können." Im Jahre 2005 machte Japan 37 Prozent des gesamten Exportwertes taiwanischer Früchte aus, gefolgt von den USA mit 17 Prozent und Hongkong mit 12 Prozent.

China scheint ein vielversprechender Markt zu sein, und derzeit hat Taiwans Regierung dem Export landwirtschaftlicher Produkte über die Taiwanstraße keine Beschränkungen auferlegt. Allerdings ist in China die Nachfrage nach teurem taiwanischen Obst sehr begrenzt, und das Fehlen direkter Verkehrsverbindungen behindert ebenfalls die Entwicklung eines Marktes dort. Es gibt Berichte, dass China manchen taiwanischen Obstbauern vorgeschlagen habe, sich selbst in China niederzulassen. Taiwans Regierung ist wegen der Gefahr des Diebstahls geistigen Eigentums indes dagegen. Es wurden viel Geld und Mühen zur Verbesserung von Pflanzen und Anbautechniken aufgewendet, und dieses überlegene Material könnte leicht gestohlen und die Techniken in China nachgeahmt werden, was zur Folge haben könnte, dass in China angebautes Obst taiwanischer Sorten am Ende Taiwans eigene Produkte auf internationalen Märkten verdrängt. Im Jahre 2005 machte China (ohne Hongkong) laut COA-Statistiken 3 Prozent des Gesamtwerts von Taiwans Obstexporten aus.

Vergangenes Jahr zogen sechs Taifune über Taiwan hinweg, die viele Obstgärten und damit die Hoffnungen der betroffenen Obstbauern zerstörten. Dieses Jahr war die Ernte gut. Zeit, Bemühungen und gewissenhafte Experimente sowohl der Bauern als auch der Regierung haben Obst aus Taiwan ein deutlicheres internationales Profil eingebracht. Niemand weiß, welchen langfristigen Erfolg diese Exportorientierung haben wird. Sicher ist aber, dass man, um auf dem internationalen Markt konkurrenzfähig zu bleiben, die Früchte so frisch, gesund und schmackhaft wie möglich halten muss.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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