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Bewusst reisen

28.06.2007
Das Konzept des Ökotourismus entstand in Taiwan gemeinsam mit den Nationalparks. Einer der bekanntesten Nationalparks des Landes ist der Taroko-Nationalpark. (Foto: Courtesy Taroko National Park)

Die Taiwaner nehmen sich Zeit zur Bewunderung der ökologischen Schönheit und Vielfalt ihrer Insel.

Alternative Weisen zum Reisen können so herausfordernd wie lohnend sein. Im Januar unternahm Hsueh Chuen-guang, ein Oberschulrektor aus Taipeh, einen zweitägigen Kurzurlaub bei Nanao, einem kleinen Fischereihafen an Taiwans Nordostküste. Hsueh fährt normalerweise Auto, daher war für ihn eine zweitägige Reise mit einem Tages-Fahrradausflug über 45 Kilometer und anschließend einem Tag Wandern über den Chaoyang-Pfad, begleitet von einem Führer, der unterwegs die natürliche Umgebung und die örtliche Ureinwohnerkultur erläuterte, so erlebnisreich wie anstrengend. "Das war wirklich ermüdend, doch zum ersten Mal fühlte ich mich der Natur sehr nahe", meint Hsueh. "Anders als bei einer Autofahrt kann man, während man langsam radelt oder einen wenig bekannten Pfad entlangwandert, wirklich die Umwelt beobachten und genießen und eine tiefe Liebe dafür entwickeln."

Dank der Bemühungen des privaten und des öffentlichen Sektors gewinnt Ökotourismus -- also Reisen in einem natürlichen Umfeld und Berücksichtigung des Umweltschutzes, um eine dauerhafte Entwicklung zu gewährleisten, wie es im 2002 von Taiwans Regierung veröffentlichten Weißbuch über Ökotourismus definiert ist -- unter den Taiwanern allmählich an Beliebtheit. Die von Hsueh unternommene Reise war vom Fahrradverband Taiwan (Taiwan Cyclist Federation, TCF) organisiert und vom Nationalrat für körperliche Fitness und Sport, einer Behörde in Ministeriumsrang, bezuschusst worden. Für Hsueh war diese Erfahrung so lohnend, dass er der Kreisverwaltung Taipeh riet, ähnliche Reisen für Grundschul- und Oberschulrektoren zu organisieren. Mit der Unterstützung des TCF haben bisher zwei solche Veranstaltungen stattgefunden.

Taiwans ökologische Vielfalt bietet reichlich Gelegenheiten für die Entwicklung von Ökotourismus. Mit seinen hohen Bergen, wo die subtropischen und tropischen Regionen aufeinandertreffen, kann Taiwan zu Recht auf den Reichtum bei Flora und Fauna stolz sein. "Es gibt viele Arten, die den Taiwanern als nichts Besonderes erscheinen, die aber anderswo in der Welt sehr selten sind", versichert Kuo Chen-meng, Direktor des Ökotourismusverbandes Taiwan (Taiwan Ecotourism Association, TEA) und Botanikdozent an der National Taiwan University in Taipeh. "So gibt es zum Beispiel in anderen Ländern kaum Baumfarne, in Taiwan sind sie ein üblicher Anblick, sogar in Taipehs Vororten sind sie leicht anzutreffen." Laut Kuo gibt es allein in Taiwan 700 verschiedene Farnarten.

"Taiwan ist klein, so dass man es eigentlich nicht mit Orten vergleichen kann, deren schiere Größe der Ökologie Schönheit verleiht, etwa die spektakulären Aussichten bei einer Safari in Afrika, doch wir haben eine große Zahl endemischer Arten", prahlt Wu Tsung-chiung, Professor am Graduierteninstitut für Erholung, Tourismus und Gastfreundschaft der National Chiayi University. "Vereinfacht gesagt, wenn man sich kurz auf Taiwan aufhält, wird man beeindruckt sein, wie viele Arten es hier gibt."

"Bei Reisen an der Ostküste der Insel kann man zwei verschiedene geologische Platten unter den Füßen haben", beschreibt Kuo und meint damit das Aufeinandertreffen der philippinischen Platte und der eurasischen Platte an Taiwans Ostküste. "An vielen anderen Orten ist sowas nicht der Fall. Die Menschen auf der Insel hier sind den Anblick hoher Berge wohl gewöhnt, doch die erhabenen Bergketten, die direkt neben dem Ozean aufragen, sind für viele Ausländer ein besonderer Anblick."

Kulturen der Ureinwohner

Die reichen Kulturen von Taiwans Ureinwohnervölkern und -- was wichtiger ist -- ihr wachsendes Selbstbewusstsein sind für die Förderung von Ökotourismus gleichfalls eine Hilfe. "Bei Ökotourismus-Ausflügen geht es um Verständnis und Respekt für die örtliche Kultur der Sehenswürdigkeit sowie das Verhältnis zwischen den Anwohnern und ihrer natürlichen Umgebung", unterstreicht Eddy Lin, Vizepräsident der Wildnis-Gesellschaft (Society of Wilderness, SOW). Nur wenn die Ureinwohner stolz auf ihre Identität sind, sind sie bereit, ihre Kulturen zu bewahren und der Öffentlichkeit zu präsentieren, ergänzt er.

Das Konzept des Ökotourismus gibt es laut Wu schon eine Weile, auch wenn der Begriff neu ist. Beispielsweise wurde der Yellowstone-Nationalpark, der erste seiner Art der Welt, bereits 1872 gegründet, und die Menschen in den USA begannen vor über 40 Jahren über die Frage der Kapazität und Dauerhaftigkeit touristischer Stätten nachzudenken. In Taiwan entstand das Konzept, bestimmte Orte zwecks Bewahrung zu Naturorten zu erklären und Dienstleistungen für eine Förderung der Wertschätzung zu bieten, Anfang der achtziger Jahre, was zur Einrichtung von Taiwans erstem Nationalpark bei Kenting an der Südspitze der Insel im Jahre 1984 führte. "Zum ersten Mal konnten sich die Taiwaner dank der systematisierten Führungsdienste der Nationalparks gründlicher der Natur erfreuen", lobt Lin.

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Mehrere Ureinwohnerkulturen bereichern Taiwans Ökotourismus. (Foto: Chang Su-ching)

In Taiwan sind die Werkzeuge des Ökotourismus -- Führungen durch naturlandschaftlich schöne Stellen zur Ergötzung -- daher so alt wie das Nationalparksystem. "Wir benutzten in der Vergangenheit lediglich unterschiedliche Ausdrücke zur Beschreibung dieser Art von Fremdenverkehr", sagt Lin Yi-hou, ehemaliger Direktor des Nationalpark-Hauptquartiers Kenting und derzeit Präsident des Nationalparkverbandes Taiwan. Auf der Insel Taiwan bestehen heute fünf Nationalparks und ein weiterer auf der vorgelagerten Insel Kinmen. Ein siebenter soll in diesem Jahr auf den Pratas-Inseln eingerichtet werden, die 440 Kilometer südwestlich von Kaohsiung im Südchinesischen Meer liegen, und es wird Taiwans einziger Nationalpark sein, bei dem ozeanische Ökologie im Vordergrund steht.

In Nationalparks, wo Umweltschutz Vorrang vor der Entwicklung des Fremdenverkehrs hat, werden gemäß dem 1972 formulierten Nationalparkgesetz Maßnahmen ergriffen, um die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt zu minimieren. Zugang zu bestimmten Stellen innerhalb eines Parks kann beschränkt werden, und der Bau von Parkplätzen dient nur dem Zweck, Anreize zu schaffen, um die Kraftfahrzeuge stehen zu lassen.

Evolution des Tourismus

Nationalparks machen ungefähr nur 8,45 Prozent von Taiwans Landfläche aus. Traditioneller Tourismus, bei dem Horden von Leuten in Autos und Bussen herumkutschiert, Sehenswürdigkeiten von Menschenmengen überlaufen und Straßen verstopft werden, ist immer noch üblich in Taiwan. Tatsächlich hat sich die Lage seit der Einführung der 5-Tage-Woche im Januar 2001 sogar noch verschlimmert. Der Verkehr wird langsamer, die Reisezeiten werden länger, die Folge sind größere Umweltschäden. "Die Lage ist besonders jenseits der Grenzen der Nationalparks Besorgnis erregend, da Konflikte zwischen Tourismus und Umweltschutz entstanden sind", seufzt Lee Wu-hsiung, Generaldirektor der Bau- und Planungsbehörde (Construction and Planning Agency, CPA) im Innenministerium. Zwar wurde in den letzten Jahren viel über Ökotourismus geredet, doch Lee glaubt, dass die meisten Menschen immer noch nicht begriffen haben, was das wirklich bedeutet. "Im Reisebus losfahren, in einem hübschen Restaurant gut essen und am Ende jede Menge Abfall an den Sehenswürdigkeiten produzieren, das ist keinesfalls Ökotourismus", tadelt er.

Um ein besseres Verständnis für das Konzept zu fördern, erklärte der Nationalrat für dauerhafte Entwicklung das Jahr 2002 zum Jahr des Ökotourismus, eine Reaktion auf das im gleichen Jahr von den Vereinten Nationen verkündete Internationale Jahr des Ökotourismus. Taiwans Weißbuch über Ökotourismus wurde in jenem Jahr herausgegeben, und darin wurden die Prinzipien von Ökotourismus erläutert, zum Beispiel Begrenzung der Zahl von Touristen und Beschäftigung von Führern, die mit der örtlichen Umwelt und Kultur vertraut sind. Das Buch drängte zudem Regierungsbehörden dazu, Tourismus von einer Perspektive der dauerhaften Bewahrung der Umwelt aus zu fördern. "Dadurch hofft die Regierung zu verhindern, dass Touristenziele mit reichen Naturressourcen durch zu starke Nutzung geschädigt werden", begründet Lee.

Die CPA hat bei der Verwaltung von Taiwans Nationalparks jahrelange Erfahrung gesammelt und spielt heute bei den Anstrengungen der Regierung zur Entwicklung von Ökotourismus eine gewichtige Rolle. Sie fordert verschiedene Regierungsbehörden wie Lokalverwaltungen, das Tourismusamt im Ministerium für Verkehr und Kommunikation, das Forstamt im Landwirtschaftsrat sowie die Nationalparks auf, sich an das Weißbuch zu halten und ideale Stellen oder Routen mit wesentlichem Entwicklungspotenzial in ihrem Zuständigkeitsbereich zu empfehlen. Ein 15-köpfiges Team, finanziert von der Regierung und bestehend aus Ökotourismus-Experten und Vertretern von NGOs wie Taiwan Nature Trail Society oder dem Wildvogelverband Taiwan, besichtigt dann die vorgeschlagenen Stätten und entscheidet, ob sie sich tatsächlich für Ökotourismus eignen. Behörden, welche lohnende Projekte fördern, erhalten einen vom Team verfassten Forschungsbericht mit Einzelheiten über die Maßnahmen, die zur Entwicklung der vorgeschlagenen Stätten ergriffen werden sollten. Seit die erste Kandidatenliste 2005 bekanntgegeben wurde, sind Berichte über elf Stätten erstellt worden.

Informationen für die Öffentlichkeit

Viele der Anstrengungen des Tourismusamtes zur Entwicklung von Ökotourismus haben mit Öffentlichkeitsarbeit, Websites und Publikationen zu tun, berichtet Chen Yu-chuan, ein Sektionschef im Tourismusamt. Die Behörde sucht seit 1997 auch nach ökologischen Ressourcen, die wegen ihres touristischen Wertes gefördert werden könnten. Gemeinsam mit Gelehrten, die sich beim Delfinschutz engagieren, führte sie 1998 Forschungsarbeit über Taiwans Potenzial für die Entwicklung von Wal- und Delfinbeobachtungstouren durch und machte daraus ein touristisches Angebot an Taiwans Ostküste.

Das Amt bietet zudem Gemeinden Beistand, die innerhalb der 13 nationalen Landschaftsgebiete liegen und Interesse an der Entwicklung von Ökotourismus haben, indem etwa Reiseführern Schulung in Lokalkultur geboten wird. "Eines der Hauptziele der Bemühungen besteht darin, Arbeitsplätze für Anwohner zu schaffen", verrät Liu Chyong-ru, ein Sektionsleiter in der Nationalen Landschaftsgebietsverwaltung Alishan in Südtaiwan, und bezieht sich dabei auf den Fall der Gemeinde Dabon, die in dem Landschaftsgebiet liegt. In der Gemeinde, die überwiegend aus Tsou-Ureinwohnern besteht, nahm das Bewusstsein für Umweltfragen zu, und 2002 wurde dort mit der Säuberung der Umwelt begonnen, wonach die Landschaftsgebietsverwaltung sich einschaltete und bei der Förderung von umweltfreundlichem Tourismus half. Nach Angaben des im vergangenen Jahr gegründeten Ökotourismusverbandes der Gemeinde Dabon besuchen jeden Monat rund 600 Touristen die Gegend und steigen in der Hauptsaison in sechs Privatunterkünften ab. Da sich das erste Ökotourismusprojekt in Dabon als vielversprechend erwies und es eine der Modellstätten für Ökotourismus ist, plant die Landschaftsgebietsverwaltung in diesem Jahr die Initiierung zweier weiterer Projekte.

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Ein vom Ökotourismus-Verband Taiwan organisierter Ausflug nach Hualien soll das Wissen der Teilnehmer über biologischen Anbau vergrößern. (Foto: Courtesy Taiwan Ecotourism Association)

Eine andere Regierungsbehörde mit einer wichtigen Rolle im Ökotourismus ist das Forstamt. Es kümmert sich nicht nur um 18 Walderholungsgebiete, sondern spielt seit 2001 auch eine Schlüsselrolle bei einem Projekt, in dem vorhandene Wanderwege und Kletterrouten in Taiwans Bergland geprüft und repariert werden. Es plant außerdem ein nationales Pfadsystem, das aus 14 Untersystemen besteht, jedes von ihnen von großer ökologischer oder historischer Bedeutung, und darüber hinaus über 60 regionale Systeme wie den Chaoyang-Wanderpfad bei Nanao. Nach Reparaturarbeiten wurden über 600 Kilometer Bergwanderwege zu begehbaren und sicheren Routen.

NGOs steuern ihren Teil dazu bei, verschmutzungsfreien und umweltfreundlichen Fremdenverkehr zu fördern. Der TCF organisiert seit seiner Gründung im Jahre 1999 Veranstaltungen unterschiedlicher Anforderungsstufen für Radler. So wird etwa jedes Jahr im April eine zweitägige Veranstaltung organisiert, bei der Radler an der landschaftlich schönen Ostküste Taiwans eine Rundfahrt um Hualien und Taitung unternehmen. Dieses Jahr waren rund 1500 Radler dabei, zehn Mal so viele wie im Jahr 2000. "Bei den allgegenwärtigen Staus an Feiertagen seit Beginn der Fünf-Tage-Woche denken die Menschen natürlich an Fahrräder", freut sich TCF-Generalsekretär Ho Li-chin.

Beteiligung der Reisebüros

Der TEA arbeitet mit mehreren Reisebüros zusammen, die sich für die Entwicklung dieser Art des Reisens interessieren. "Die Menschen von heute haben die Schönheit eines einfachen und natürlichen Lebens längst vergessen", behauptet Hardy Liu, Fachmann im Reisebüro Skyline Travel Agency. "Deswegen wollen wir Ökotourismus machen und dem Markt etwas Anderes bieten." Liu fügt hinzu, dass sowohl er als auch der Firmeninhaber selbst gern ausgiebige Reisen unternehmen.

Der TEA besteht aus Umweltschutz-Fachleuten und hilft diesen Reisebüros, indem er interessante Stätten für Ökotourismus empfiehlt und Rat anbietet. Im Allgemeinen haben ökotouristische Reisen einen kleinen Umfang, damit die Reisequalität gewährleistet werden kann und die Auswirkungen menschlichen Treibens auf die örtliche Umwelt vermindert werden können. "Beispielsweise verwenden unsere Führer keine Megaphone, so dass wir Lärmbelästigung vermeiden", prahlt Kuo Chen-meng. Wenn gegessen wird, benutzen die Teilnehmer kein Einweggeschirr, wie man es sonst oft in vielen Restaurants der Insel sieht. "Vor Reisebeginn kommunizieren wir mit den Teilnehmern und auch den Gastgebern darüber, wie die Reise sein sollte", teilt er mit. "Es geht um Umweltschutz, nicht ums Geldausgeben oder darum, sich so zu verhalten, wie man will."

"Das Aufkommen von Ökotourismus hat viel mit dem Aufstieg der NGOs zu tun, die sich um Umwelterziehung kümmern", interpretiert Eddy Lin von der SOW, die seit ihrer Gründung im Jahre 1995 Reiseführern Schulung in Ökologie und Landleben anbietet. "Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Erdrutsche bringen der Öffentlichkeit die Notwendigkeit zu Bewusstsein, einen gesunderen und verantwortlichen Fremdenverkehr zu praktizieren."

Es ist aber noch ein langer Weg, bis Ökotourismus weithin akzeptiert sein wird. "Viele erkundigen sich nach unseren Ökotourismus-Angeboten, doch nur wenige sind bereit, den Preis dafür zu bezahlen", klagt Hardy Liu. "Wir gehen nicht in Luxushotels, doch die Teilnehmer müssen trotzdem oft viel Geld hinblättern, weil wir Fachleute wie Kuo Chen-meng als Führer haben. Viele Leute geben das gleiche Geld lieber für gute Hotels und poppige Vergnügungsparks aus."

Entsprechend ist Lin Yi-hou der Ansicht, dass die Reisegewohnheiten taiwanischer Touristen immer noch nicht gut genug sind. "Man kann oft Taiwaner beobachten, die singen und sich nachts in Karaoke-Bars amüsieren, welche die Hauptstraße in Kenting säumen, während sie sich doch eigentlich den Wind um die Nase wehen lassen und am Strand die Sterne anschauen sollten", moniert er.

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Friedliches und abgasfreies Radfahren ist die beste Methode, sich an der Schönheit von Taitungs Küste zu erfreuen. (Foto: Courtesy Taiwan Cyclist Federation)

Es besteht eine offensichtliche Spannung zwischen der Förderung von Fremdenverkehr und Umweltschutz, welche der Ökotourismus abbauen möchte, aber wohl nicht wird vollkommen eliminieren können. "Es gibt Für und Wider bei der Förderung von Ökotourismus", argumentiert Chen Yu-chuan vom Tourismusamt. "Vertrautheit mit der Umwelt führt dazu, dass die Touristen sie höher schätzen, doch ohne gutes Management werden Probleme auftreten."

"Menschen sind in erster Linie Teil der Natur, daher ist es für uns nur natürlich, zu ihr zurückzukehren", philosophiert Eddy Lin. "Wir sollten nicht darüber sprechen, wie man sich von ihr fernhält, sondern wir sollten die Menschen erziehen, wie man innerhalb der Natur reist."

Administrative Werkzeuge

Neben Erziehung sollte Taiwan nach Lins Ansicht andere Mittel anwenden, um einen reiferen Ökotourismus zu entwickeln, etwa ein einheitliches landesweites System zur Lizensierung von Reiseführern. "Das wichtigste ist nicht, wieviel ein Führer über die Natur weiß", sinniert er. "Es geht vielmehr darum, ob er oder sie beim Erklären der Natur Respekt vor ihr zeigt." Während man beispielsweise eine bestimmte Pflanzenart vorstellt, könnte es vorkommen, dass ein Führer zu viel über ihren Nutzen und die medizinische Wirkung auf den Menschen schwafelt und die Zuhörer infolgedessen dazu bringt, die Pflanze zu missbrauchen. "In einem solchen Fall könnte man glauben, man sei auf einem Ökotourismus-Ausflug, weil man sich in einem natürlichen Umfeld befindet und der Führer viel Ahnung hat, doch in Wirklichkeit kann der Dienst des Führers für die Natur schädlich sein. Aus diesem Grund brauchen wir ein zuverlässiges Lizenzsystem."

Bevor der Ökotourismus an Reife gewinnt, sollten nach seinen Worten außerdem Standards und Lizenzsysteme für Reisebüros und die Stätten, die Ökotourismus-Erfahrungen anzubieten behaupten, aufgestellt werden. Lin: "Und Mechanismen, welche die Auswirkungen von Touristen auf die Umwelt überwachen, sollten so bald wie möglich auf breiter Basis aufgebaut werden."

Vielleicht wird es im Verlauf der Entwicklung von Ökotourismus nur dann radikale Änderungen geben, wenn die Öffentlichkeit Sensibilität dafür entwickelt, wie schädlich traditionelles Reisen für die Umwelt wirklich ist. Eddy Lin glaubt, dass das allmählich geschieht. Wie viele Kritiker von Taiwans Tourismusentwicklung nennt er die gegenwärtige Situation der Chingjing-Farm, eine bekannte Stätte im Zentralmassiv, als Beispiel dafür, was man nicht machen sollte. "Zu viele private Übernachtungsangebote und zu viele Touristen haben die einstmals schöne Stätte ruiniert", klagt er. "Wer einmal hinfährt, hat danach keine Lust mehr auf einen zweiten Besuch, deswegen ist es für die Anbieter privater Übernachtungsmöglichkeiten nun schwer, Geld zu verdienen." In Chingjing -- einem Ort, den Lin mit Müll, Wasserverschmutzung, Lärm und verstopften Straßen assoziiert -- erwies die Fremdenverkehrsentwicklung sich als nicht weiterführbar, doch Lin findet, die Lage sollte die Touristen und die vom Fremdenverkehr abhängigen Unternehmen dazu bringen, eine stärker an Umweltschutz orientierte Einstellung zu entwickeln, da man weiß, wie schnell das Huhn, das goldene Eier legt, geschlachtet werden kann.

"Wenn wir über den Wert von Ökotourismus sprechen, sollten wir nicht zu viel Gewicht auf kurzfristigen Nutzen legen", rät Wu Tsung-chiung, der in den letzten Jahren die Dabon-Gemeinde bei der Entwicklung von Ökotourismus beraten hat. In der Tat gehen kurzfristige Vorteile durch unbegrenzte Zahlen von Touristen oft auf Kosten von ökologischer Gesundheit und Dauerhaftigkeit.

Unterdessen erwartet Hardy Liu, dass die Zahl der Touristen, die nach unkonventionellen Reiseerfahrungen suchen, zunehmen wird -- gegenwärtig sind viele der Teilnehmer an Skylines Ökotouren nicht zum ersten Mal dabei. Zwar sind die finanziellen Erträge dieser Reisen recht begrenzt, doch das Reisebüro will sie weiterhin veranstalten, weil es vom Potenzial von Ökotourismus in Taiwan überzeugt ist. Es mag eine Herausforderung sein, für eine alternative Art des Reisens zu werben, doch es lohnt sich darauf zu warten, dass Ökotourismus in Schwung kommt.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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